Donnerstag, März 28, 2024

Echokardiographie zur Herzklappentherapie

Bei diversen Interventionen zur Herzklappentherapie spielt die Echokardiographie bei Diagnosestellung und präinterventioneller Planung eine zentrale Rolle.

Die Behandlung der koronaren Herzerkrankung – speziell des akuten Myokardinfarktes – war und ist eine Domäne der interventionellen Kardiologie. Die sogenannte Ballondilatation und die Implantation von Stents (Gef..stützen) in die Herzkranzgefäße bei Engstellen oder Verschlüssen sind durch Pressemitteilungen auch dem medizinischen Laien bekannt. Bei diesen Interventionen spielt die Ultraschalldiagnostik des Herzens selbst heute immer noch eine untergeordnete Rolle, da – obwohl die kardiologische Bildgebung, speziell die Echokardiographie, im akuten Koronarsyndrom nach aktuellen Leitlinien zum Standard gehört – vor Katheteruntersuchungen eine Echokardiographie nicht regelmäßig durchgeführt wird.

Andere Interventionen bei struktureller Herzerkrankung sind nicht so bekannt wie die Koronarinterventionen, bilden jedoch einen wichtigen Bereich der interventionellen Kardiologie. In diesem Zusammenhang sind die seit Jahren bekannten Klappensprengungen bei postrheumatischen Mitralklappenstenosen und bei angeborenen Pulmonalklappenstenosen zu nennen, aber auch die interventionellen Verschlüsse von Vorhof- und Ventrikel-Septum-Defekten, von einem offenen Foramen ovale, von arterio-venösen Fisteln im Lungenkreislauf und seltener von einem Ductus arteriosus Botalli. Bei all diesen Interventionen spielt die Echokardiographie bei der Diagnosestellung und der präinterventionellen Planung eine zentrale Rolle. Es ist offensichtlich, dass nur bei richtiger Diagnosestellung eine entsprechende Therapie überhaupt durchgeführt werden sollte. Zudem ist die Echokardiographie – und hier speziell die Technik der transösophagealen Echokardiographie – neben der exakten Diagnosestellung zur Analyse der morphologischen Pathologien und funktionellen Auswirkungen vor den Interventionen, beim Monitoring der Intervention bzw. der Implantation von Devicen sowie in der Nachsorge in der Klinik etabliert. Durch das echokardiographische Monitoring bei diesen Interventionen kann die Komplikationsrate der Eingriffe signifikant verringert werden, sodass auf diese Ultraschalltechniken grundsätzlich bei Implantation von Devicen und bei Klappeninterventionen nicht verzichtet werden sollte.

Durch neue interventionelle Therapieoptionen bei den beiden häufigsten Klappenerkrankungen hat sich die Behandlung der degenerativen Aortenklappenstenose und der funktionellen Mitralklappeninsuffizienz in der letzten Dekade gewandelt. Aktuell ist in Deutschland der Anteil interventionell implantierter Aortenklappen höher als der der chirurgisch implantierten Prothesen, was diesen Wandel nur unterstreicht. Bei der funktionellen Mitralklappeninsuffizienz ist das bisher am häufigsten angewandte Verfahren der sogenannte „MitraClip“. Das Prinzip dieser Behandlung ist die „alte“ Operationsmethode nach Alfieri, bei der zentral das vordere und hintere Mitralsegel zusammengenäht werden, sodass zwei Klappenöffnungsflächen entstehen. Dieses chirurgische Verfahren wurde wegen unbefriedigender prognostischer Ergebnisse verlassen und durch die sogenannten Mitralklappenrekonstruktionen ersetzt, die in Studien eine bessere Prognose aufweisen als der konventionelle prothetische Klappenersatz. Natürlich sind hier die Ergebnisse dieser Studien differenziert für spezielle Untergruppen zu betrachten. Das interventionelle „MitraClip“-Verfahren basiert auf dem Prinzip der Alfieri-Naht, nur dass durch einen Clip beide Segel im Bereich der Defektzone am schlagenden Herzen gefasst werden und dadurch die Herzklappe zusammengehalten wird. Diese Interventionen werden üblicherweise unter Narkosebedingungen und echokardiographischer Kontrolle durchgeführt. Weitere interventionelle Verfahren zur Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz werden entwickelt und sind zum Teil auch schon kommerziell verfügbar, wie zum Beispiel die sogenannte „Carillon“-Spange und das Cardio-Band.

Alle diese modernen interventionellen Verfahren zur Behandlung der Herzklappen haben zu einer Renaissance der Echokardiographie geführt, da viele dieser Verfahren definitiv ohne Echokardiographie nicht durchführbar sind. Voraussetzungen für eine gute Behandlung sind bei den Herzklappenerkrankungen allerdings auch eine exzellente Vor-Diagnostik und anschließend ein prozedurgerechtes echokardiographisches Monitoring. Die Notwendigkeit exzellenter Bilder für diese Eingriffe hat auch zu einer dramatischen Verbesserung der echokardiographischen Gerätetechnologie geführt – insbesondere auf dem Gebiet der multidimensionalen Echokardiographie.

Prinzipiell müssen also die „Bildgeber“ oder „Imager“ – speziell der/die echokardiographisch tätige Arzt/Ärztin und Interventionalist/-in – in einem guten Team zusammenarbeiten und einander zuarbeiten, damit eine patientengerechte medizinische Versorgung gewährleistet ist.

Die primäre Indikationsstellung und die Festlegung der Diagnose eines behandlungsbedürftigen Herzklappenfehlers spielen dabei die zentrale Rolle. Hier setzt die Verantwortung der Ärzte ein, durch Standards nachvollziehbare, belegbare, reproduzierbare und richtige Diagnosen zu stellen, die entsprechenden Dokumentationen zu fordern und anhand dieser Befunde die beste Therapieform für den Patienten auszuwählen. Das sogenannte „Heart-Team“ soll den Ansatz verwirklichen, auf fundierten diagnostischen Ergebnissen zur richtigen Therapie zu kommen. Für die Festlegung von Standards, die Dokumentation von notwendiger Untersuchungsqualität und die Ausbildung in den notwendigen Methoden sehen im Ultraschallbereich in Deutschland die zuständigen Fachgesellschaften ihre Aufgaben – vorrangig die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie.

Die Echokardiographie ist in der Patientenselektion für die Behandlung von Herzklappenerkrankungen die wichtigste diagnostische Methode und muss daher gewissenhaft, exakt und standardisiert durchgeführt werden, um kontrollierbare, nachvollziehbare, möglichst reproduzierbare und objektive Befunde zu erheben. Die Fachgesellschaften haben die Aufgabe, einen echokardiographischen Standard eindeutig zu definieren, damit die erhobenen Parameter nicht unterschiedlich befundet werden können und die Indikationsstellung dadurch droht, einer eventuellen Willkür zu unterliegen.

Klappenöffnungsflächen bei der Aortenklappenstenose und Regurgitationsöffnungsflächen bei Mitralinsuffizienzen sind schwierig zu bestimmen und unterliegen auch Fehlermöglichkeiten. Diese Unwägbarkeiten müssen durch diese Standards minimiert beziehungsweise ausgeschlossen werden. Anderenfalls ist leider der Weg zur inadäquaten Anwendung dieser neuen Verfahren geebnet. Falls die Diagnose eines Herzklappenfehlers und deren Schweregrad nicht korrekt gestellt werden, sind Behandlungsmodalitäten – zum Beispiel interventionell und chirurgisch – auch nicht in anschließenden Aufarbeitungen und Nachbeobachtungen exakt vergleichbar und die Ergebnisse dadurch nicht interpretierbar.

Damit sollte in naher Zukunft – speziell in der Therapie der Herzklappenerkrankungen – wieder der Weg zu prospektiven, randomisierten multizentrischen Studien nach eindeutiger Festlegung eines hohen diagnostischen Standards gefunden werden. Die Tendenz, Ergebnissen von sogenannten „real word“-Registerdaten zu trauen, ist ein unsicherer Weg und erinnert an das unselektierte Datensammeln von Google-Nutzern, aber nicht an klinisch-wissenschaftliches Arbeiten.

Wir müssen uns dieser Verantwortung stellen, da aktuell ein nicht unerheblicher ökonomischer Druck im Gesundheitssystem zwischen kompetitiven Institutionen besteht, der den Trend zu interventionellen und operativen Maßnahmen unterstützt. Die Ärzte dürfen nicht in den Ruf kommen, Diagnosen wegen möglicher lukrativer interventioneller und operativer Therapieoptionen zu stellen.

Die Echokardiographie wurde auf dem diesjährigen Dreiländertreffen in Anwenderseminar und Refresherkursen in allen thematischen Bereichen vorgestellt. Die echokardiographischen Standards zu den einzelnen kardiologischen Pathologien wurden verständlich von Kursleitern der Arbeitsgruppe Echokardiographie dargelegt. Zudem gab es interdisziplinäre Sitzungen, Pro- und Kontra-Sitzungen und einige politische Sitzungen, in denen die Standardisierung des Ultraschalls thematisiert wird. Auch im Rahmen der Industriesymposien wurde zudem die fachübergreifende Bedeutung aller sonografischer Bereiche – speziell jedoch der Echokardiographie im Umfeld der Herzinsuffizienz, der Lungenembolie, des Vorhofflimmerns und der tiefen Venenthrombose – dargelegt. Diese Erkrankungen betreffen nahezu alle Fachbereiche der Medizin, sodass diese Symposien von allen Teilnehmern des Kongresses besucht werden sollten.


Quelle:

Statement »Katheter-Eingriff statt OP: Echokardiographie ermöglicht neue Optionen in der Herzklappentherapie – und weitere Highlights der Tagung« von Professor Dr. med Andreas Hagendorff, Stellvertretender Leiter der Abteilung für Kardiologie und Angiologie, Universitätsklinikum Leipzig, DEGUM Stufe III, Kongresspräsident DLT 2016 anlässlich des Dreiländertreffens der DEGUM, ÖGUM und SGUM – DLT 2016 in Leipzig.

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