Freitag, März 29, 2024

Arterielle Thrombose zukünftig effektiver behandeln

Experten versuchen bessere Strategien zu entwickeln, um gegen arterielle Thrombose besser therapieren zu können und die Bildung von Blutgerinnsel zu verhindern.

Eine Thrombose in einer Schlagader entsteht oft, weil atherosklerotische Ablagerungen im Gefäßinneren aufreißen und Blutplättchen an der verletzten Stelle verklumpen. LMU-Mediziner vergleichen zwei Strategien, wie dem vorgebeugt werden kann. Blutgerinnsel in Schlagadern – die sogenannte arterielle Thrombose – gehören zu den häufigsten Ursachen für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Sie entstehen durch Verletzungen der Blutgefäße, etwa wenn atherosklerotische Plaques an den Gefäßinnenwänden aufreißen und die in den Gefäßen zirkulierenden Thrombozyten (Blutplättchen) aggregieren. Pharmakologische Thrombozytenhemmer wie die bekannte Acetylsalicylsäure hemmen diesen Prozess und können vor einer Thrombose schützen. Allerdings wirken sie nur begrenzt, außerdem hemmen sie die Blutplättchen im gesamten Körper und können deswegen Blutungen verursachen.

 

Entwicklung spezifischerer Medikamente gegen arterielle Thrombose

„Daher ist es unser Ziel, antithrombotische Medikamente zu entwickeln, die einerseits wirksamer sind, und andererseits weniger Nebenwirkungen haben“, sagt Professor Wolfgang Siess vom Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Kreislaufkrankheiten in München, dessen Team nun die Wirksamkeit zweier neuer Strategien der Thrombozytenhemmung verglichen hat. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin JACC (Journal of the American College of Cardiology).

Die Ruptur atherosklerotischer Plaques kann die Bildung einer arteriellen Thrombose initiieren, weil dabei Plaquematerial wie Kollagen mit dem zirkulierenden Blut in Verbindung kommt. Kollagen ist ein Strukturprotein des Bindegewebes und der wichtigste Aktivator für Thrombozyten: Diese heften sich an das Kollagen an und setzen bestimmte Lockstoffe frei, durch die weitere Thrombozyten rekrutiert werden. „In der Folge aggregieren die Thrombozyten und bilden einen Thrombus, der im Extremfall zum Verschluss der Gefäße führen kann“, sagt Siess.

 

Thrombozytenaggregation an Plaque-Kollagen gezielt hemmen

Während für die Bindung an „normale“ Kollagene noch ein weiterer Thrombozyten-Rezeptor eine wichtige Rolle spielt, aggregieren Thrombozyten an Plaque-Kollagene ausschließlich mithilfe des Rezeptors Glykoprotein VI (GPVI), der nur bei Thrombozyten vorkommt. „Diese Eigenschaft wollen wir nutzen: Durch die Hemmung von GPVI kann möglicherweise selektiv die Thrombozyten-Aktivierung durch Plaque-Kollagen verhindert werden, ohne dass es zu einer gesteigerten Blutungsneigung an anderen verletzten Stellen der Gefäße kommt“, sagt Siess.

Dabei gibt es grundsätzlich zwei Strategien: „Zum einen können verschiedene Antikörper eingesetzt werden, die direkt GPVI auf den Thrombozyten hemmen“, sagt Siess, „eine andere Möglichkeit ist, die Bindung an das Plaque-Kollagen zu verhindern, indem ein im Labor hergestelltes sogenanntes GPVI-Fc Fusionsprotein eingesetzt wird, das am Kollagen die Bindungsplätze für die Thrombozyten besetzt“. Beide Strategien haben die Wissenschaftler in Kooperation mit internationalen Kollegen sowie der advanceCOR GmbH untersucht und deren Effektivität verglichen.

 

Schnelle Strömung macht GPVI-Fc effektiver

Dabei zeigte sich, dass die Antikörper GPVI sehr effektiv hemmen, und zwar unabhängig von der Fließgeschwindigkeit des Blutes. GPVI-Fc war vergleichsweise weniger wirksam. „Überraschenderweise ist die Hemmung durch GPVI-Fc jedoch strömungsabhängig: Je höher die Fließgeschwindigkeit des Blutes war, desto stärker ausgeprägt war die Hemmung“, erzählt Siess, „bei niedriger Fließgeschwindigkeit lagern sich trotz GPVI-Fc immer einige Thrombozyten in Strömungsnischen an Plaque-Kollagene an und verursachen über ihre Lockstoffe die Bildung der Thrombozytenaggregate. Bei höheren Fließgeschwindigkeiten werden diese Lockstoffe weggeschwemmt, sodass nur selten kleine Thrombozytenaggregate gebildet werden.“ Da zur Ruptur neigende Plaques vor allem an arteriellen Engstellen mit höherer Fließgeschwindigkeit vorkommen, kann man mit GPVI-Fc die arterielle Thrombusbildung nach Ruptur von Risiko-Plaques möglicherweise gezielt hemmen.

Insgesamt schließen die Wissenschaftler, dass die neuen GPVI-Hemmer Blutgerinnseln in Schlagadern besser und nebenwirkungsfreier entgegenwirken als die derzeitige Standardtherapie mit Aspirin und sogenannten P2Y12 Antagonisten. „Dabei ist die Anwendung von GPVI-Fc, welches nur lokal wirksam wird, wahrscheinlich sicherer, als die von GPVI- Antikörpern, die besser wirken, aber Thrombozyten systemisch hemmen und deshalb mit einem höheren Blutungsrisiko als GPVI-Fc behaftet sein könnten“, sagt Siess, „diese Erkenntnisse sollten beim Design klinischer Studien bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen berücksichtigt werden“.

Literatur:

Differential inhibition of human atherosclerotic plaque-induced platelet activation by dimeric GPVI-Fc and anti-GPVI antibodies: functional and imaging studies
Janina Jamasbi, Remco TA Megens, Mariaelvy Bianchini, Götz Münch, Martin Ungerer, Alexander Faussner, Shachar Sherman, Adam Walker, Pankaj Goyal, Stephanie Jung, Richard Brandl, Christian Weber, Reinhard Lorenz, Richard Farndale, Natalie Elia, Wolfgang SiessJACC 2015; doi:10.1016/j.jacc.2015.03.573

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