Wissenswertes zur Decodierung des Gehirns und was Hirnströme über die Gedanken verraten, erörterte Professor Dr. Rainer Goebel in seinem Statement beim DGKN-Kongress.
Gedankenlesen mit funktioneller Magnetresonanztomographie? In den letzten Jahren sind zahlreiche Anwendungen mit der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) durchgeführt worden, die das Auslesen von mentalen Zuständen aus verteilten Aktivitätsmustern zum Ziel hatten („brain reading“). Da die Analyse der Daten sehr aufwendig ist, wurde die Decodierung nach Ende der Messung durchgeführt. Wenn die gemessenen Aktivitätsmuster in Echtzeit – also während der Messung – ausgelesen und dekodiert werden können, eröffnen sich faszinierende Möglichkeiten insbesondere für klinische Anwendungen. Wir haben in den letzten Jahren solche Echtzeit-fMRT-Anwendungen entwickelt, die es zum Beispiel erlauben, einem Probanden während einer laufenden Messung seine eigene Hirnaktivität zu zeigen. In darauf basierten fMRT-Neurofeedback-Studien lernen Probanden darüber hinaus ihre eigene Hirnaktivität zu modulieren. Es wurde dadurch zum Beispiel Patienten mit Depressionen ermöglicht, ihre Symptome selbst zu reduzieren.
Basierend auf ähnlichen Prinzipien haben wir kürzlich eine Gehirn-Computer-Schnittstelle entwickelt, die es Patienten ermöglicht, mit Angehörigen zu kommunizieren, selbst wenn die Patienten keine motorische Kontrolle ihres Körpers besitzen und daher “Gefangene ihres eigenen Körpers” sind (Locked-in-Syndrom). Bei diesem Verfahren müssen Probanden mentale Prozesse ausführen, zum Beispiel in ihrer Vorstellung singen, rechnen, ein Gedicht aufsagen, etwas zeichnen, in ihrem Haus herumlaufen oder sich möglichst lebendig an ein Ereignis erinnern. Diese verschiedenen mentalen Tätigkeiten aktivieren verschiedene, teilweise überlappende Hirnregionen. Wenn man den so generierten Aktivitätsmustern verschiedene „Aktionen“ zuordnet, realisiert man eine Gehirn-Computer-Schnittstelle.
Der Proband kann dann jederzeit eine der mentalen Tätigkeiten ausführen, um die entsprechende Aktion aufzurufen. In unserer Anwendung weisen wir verschiedenen mentalen Aufgaben verschiedene Buchstaben zu, so dass Probanden allein mit ihrer Hirnaktivität Texte schreiben können. Obwohl die entwickelte fMRT-basierte Gehirn-Computer-Schnittstelle sehr gut funktioniert, zeigt sie auch die Grenzen der fMRT auf. Damit die Signale entschlüsselt werden können, müssen Probanden für einige Sekunden eine spezifische mentale Aufgabe durchführen, ansonsten sind die Signale zu schwach. Es wäre natürlich viel besser, wenn die Aktivitätsmuster bereits dekodiert werden könnten, wenn Probanden lediglich an einen einzelnen Buchstaben eines Wortes denken würden. Eine solche Gehirn-Computer-Schnittstelle würde dem Gedankenlesen sehr nahekommen. Wir haben in den letzten Jahren untersucht, ob stärkere MRT-Geräte (7 Tesla) bessere Gehirn-Computer-Schnittstellen ermöglichen, und es ist uns kürzlich in der Tat gelungen, Aktivitätsmuster von vorgestellten Buchstaben zu dekodieren, allerdings noch nicht in Echtzeit. In einer anderen gerade laufenden Studie untersuchen wir, ob wir gedachte Ja-/Nein-Antworten auf gestellte Fragen direkt dekodieren können. Dies scheint in der Tat möglich zu sein, aber nur, wenn man die gewünschte Antwort mehrmals nacheinander denkt.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass dank ihrer hohen räumlichen Auflösung die fMRT ein geeignetes Verfahren zur Dekcodierung von generierten Aktivitätsmustern ist. Allerdings ist es aufgrund der geringen zeitlichen Auflösung nicht möglich, den natürlichen Gedankenfluss zu entschlüsseln. Damit das „Gedankenlesen“ funktioniert müssen entweder verschiedene mentale Aufgaben durchgeführt werden oder einfache Ja- oder Nein-Gedanken für einige Sekunden wiederholt werden, bevor der nächste Gedanke formuliert und dekodiert werden kann. Darüber hinaus eignet sich die fMRT nicht für den Alltag, da die teuren Geräte nur Krankenhäusern und Forschungseinrichtungen zur Verfügung stehen.
Professor Dr. Rainer Goebel
Statement von Professor Dr. rer. nat. Rainer Goebel – Direktor am Maastricht Brain Imaging Center, Maastricht University – im Rahmen der Kongress-Pressekonferenz zur 60. Wissenschaftlichen Jahrestagung der DGKN, Donnerstag, 17. März 2016, 13.45 bis 14.45 Uhr, in Düsseldorf.
Rainer Goebel studierte Kognitive Psychologie und Informatik an der Universität Marburg (1983 bis 1988). Er ist Gründungsdirektor des Maastricht Brain Imaging Center (M-BIC) und war die treibende wissenschaftliche Kraft hinter dem kürzlich eingeweihten Hochfeld-MRT Zentrums „Scannexus“, das über 3-,7- und 9.4-Tesla Scanner für humane Neuro-Bildgebungsstudien verfügt.
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