Mittwoch, April 24, 2024

Videosprechstunde – Fernbehandlungsverbot

Unsere heutigen technischen Möglichkeiten erlauben es problemlos, Videokommunikation für die Arzt-Patienten Beziehung in Form einer Videosprechstunde zu nutzen.

Videotelefonie ist seit ein paar Jahren fester Bestandteil der Alltagstelekommunikation. Einige Internetdienstleister bieten diesen Service für die Nutzer kostenfrei, häufig aber unter dem Vorbehalt in den kleingedruckten allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass der Nutzer dafür die Rechte an den Daten dem Dienstleister überlässt. Der technische Entwicklungsstand lässt also ohne Weiteres zu, die Videokommunikation auch für die Arzt-Patienten-Beziehung in Form einer Videosprechstunde anzuwenden.

 

Videosprechstunde bietet Vorteile für Arzt und Patient

Zahlreiche Vorteile einer Videosprechstunde sind für Arzt und Patient naheliegend. Der Patient muss nicht immer in die Praxis kommen, Wartezeiten können vermieden werden. Für den Arzt ist es möglich, auch den Arbeitsablauf zu optimieren und letztlich mehr Zeitreserven für die direkte Patientenbetreuung zu gewinnen.

Videosprechstunde beim Diabetischen Fuß. Ein gutes Beispiel des Nutzens der Videosprechstunde wären die vermeidbaren wiederholten Hausbesuche bei einer häufig langwierigen Wundheilungsstörung eines diabetischen Fußes. Hier kann der Arzt in der Videosprechstunde mittels regelmäßig aufgenommener Videobilder die aktuellen Krankheitsverläufe adäquat beurteilen. Hier unterstützt beziehungsweise fördert die technische Aufzeichnung der Videosprechstunde auch ein entsprechendes Archiv zur Bilddokumentation.

Grundsätzlich zeigt das Beispiel anschaulich, dass wenige Minuten Videosprechstunde den großen Zeitaufwand von Hausbesuchen sparen können. Dabei ist hier ein wichtiger Aspekt, dass es sich um einen bekannten Patienten des Arztes handelt, somit auch eine reale Arzt-Patienten-Beziehung besteht und die Videosprechstunde vor allem Beurteilung des Krankheitsverlaufes optimiert. Dieses sinnvolle Anwendungsszenario hatte auch der Gesetzgeber im Sinne, als auf der Basis des e-Health-Gesetzes im vergangenen Jahr auch ein erstes Konzept für eine Vergütung einer solchen Fernbehandlung geschaffen wurde.

 

Videosprechstunde ohne vorangehenden direkten Arztkontakt

Andere Länder gehen noch einen Schritt weiter und erlauben auch die Videosprechstunde ohne vorangehenden direkten Arztkontakt. Für viele einfache Dinge ist das sicher möglich. Warum soll man für ein Rezept für die „Pille danach“ die Rettungsstelle eines Großkrankenhauses aufsuchen oder stundenlang in einem Wartezimmer sitzen müssen? Das ärztliche Berufsrecht ist hier in Deutschland eindeutig. Seit fast 100 Jahren stellt eine Fernbehandlung, ohne den Patienten selbst in Augenschein genommen zu haben, eine ärztliche Sorgfaltspflichtverletzung dar. In der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion wird das Fernbehandlungsverbot von einigen als Relikt einer alten Zeit mit Bremsklotzwirkung auf die Entwicklung der digitalen Medizin in Deutschland gesehen. Die Gegenargumentation sieht darin den letzten Damm vor einer nicht mehr steuerbaren Verwässerung der Arzt-Patienten-Beziehung. Wer garantiert, dass auf der anderen Seite des Telefons wirklich ein Facharzt mit Leistungserbringung in Deutschland sitzt?

Vor diesem Hintergrund hat sich die Bundesärztekammer mit der Formulierung von telemedizinischen Szenarien klar positioniert, die bereits heute in Übereinstimmung mit dem Fernbehandlungsverbot stehen. Ein aktuell seit diesem Jahr in Baden-Württemberg laufender Modellversuch ist so konzipiert, dass eine Videosprechstunde ohne vorangegangen Arztbesuch möglich ist.

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin hat als eine der ersten Medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland seit 2017 eine Kommission für Digitale Medizin geschaffen, die sich zum Ziel gesetzt hat, die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung für eine bessere Patientenversorgung in einer ausgewogenen Betrachtung von Chancen und Risiken zum Nutzen der Patienten voranzutreiben. Die ausschließliche Forderung, das Fernbehandlungsverbot zu beseitigen, greift einerseits zu kurz, doch auch die Beibehaltung des Praxisalltags wie vor 30 Jahren kann kein Zukunftsmodell sein.

Quelle:

Statement » Die Videosprechstunde als neue Versorgungsform – Aus für das Fernbehandlungsverbot? « von Professor Dr. med. Friedrich Köhler, Vorsitzender der DGIM-Kommission „Digitale Medizin“, Leiter des Zentrums für kardiovaskuläre Telemedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin zum DGIM2018

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