Donnerstag, März 28, 2024

Gene von Bakterien im Verdauungstrakt analysiert

Das Mikrobiom im Verdauungstrakt ist störanfällig. Nun wurde erstmals der Einfluss von Antibiotika auf die Gene von Bakterien im Verdauungstrakt untersucht.

Ein Universum winzigster Lebewesen existiert im Verdauungstrakt des Menschen. Eine grobe Schätzung unterstellt, dass im Darm ebenso viele Bakterien leben, wie es Menschen auf der Erde gibt.  Fast immer dient das sogenannte Mikrobiom dem Wohl ihres Wirtes. Die Bakterien helfen mit, die Nahrung zu verdauen. Sie produzieren auch Vitamine und trainieren das Immunsystem. Schließlich schützen sie auch allein durch ihre Anwesenheit vor krankheitserregenden Artgenossen. Doch der Mikrokosmos im Verdauungstrakt, das Mikrobiom, ist ein störanfälliges Gebilde.

 

Eine Antibiotikatherapie beeinträchtigt das Mikrobiom im Verdauungstrakt

Milliarden nützlicher Bakterien besiedeln den menschlichen Verdauungstrakt. Allerdings zerstört eine Antibiotikatherapie sehr oft viele dieser Bakterien, was negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Denn das Mikrobiom ist empfindlich und störanfällig. „Gerät es aus dem Gleichgewicht, drohen Infektionen, Übergewicht und Diabetes sowie entzündliche und neurologische Erkrankungen“, sagt Dr. Sofia Forslund, die im Mai dieses Jahres vom European Molecular Biology Lab (EMBL) in Heidelberg ans Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin wechselte und die komplizierten Wechselwirkungen zwischen Mensch und Mikrobiom erforscht.

 

Antibiotika hinterlassen im Verdauungstrakt dauerhafte Spuren

In einer in „Nature Microbiology“ veröffentlichten Studie hat Forslund gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen aus Dänemark, Deutschland und China untersucht, wie sich eine Therapie mit Breitband-Antibiotika auf das Zusammenspiel der Darmbakterien auswirkt. „Wir konnten zeigen, dass sich das Mikrobiom ein halbes Jahr nach der Medikamentengabe fast vollständig erholt hatte“, berichtet die schwedische Forscherin. Aber eben nur fast: „Einige empfindliche Bakterienarten blieben dauerhaft verschwunden“, sagt Forslund.

Für ihre Analyse untersuchten die Forscher zwölf gesunde, junge Männern, die freiwillig über vier Tage hinweg einen Antibioitika-Cocktail einnahmen. Zum Einsatz kamen die drei Antibiotika Meropenem und Gentamicin sowie Vancomycin. Gewöhnlich werden diese Antibiotika speziell dann eingesetzt, wenn gängigere aufgrund bereits vorhandener Antibiotika-Resistenzen nicht mehr wirken.

Anschließend beobachteten die Forscher das Mikrobiom ihrer Probanden sechs Monate lang. Mittels DNA-Sequenzierung bestimmten sie zum einen, welche Bakterien-Arten sich im Darm der Männer aufhielten. Weiters wurde untersucht, welche Gene in den Bakterien vorhanden waren. Besonderes Augenmerk legte das Team dabei auf die Resistenz-Gene, mit denen sich die Keime gegen Medikamente zur Wehr setzen. „Unsere Studie ist vermutlich die erste, die den Einfluss von Antibiotika auf die Gene von Bakterien untersucht hat“, sagt Forslund.

Zunächst einmal zeigte sich, dass derVerdauungstrakt trotz Verabreichung dreier stark wirksamer Antibiotika nicht vollständig steril geworden ist. Schließlich entdeckten die Wissenschaftler unter den verbliebenen Bakterien sogar einige bislang unbekannte und noch nicht näher charakterisierte Arten. Andere Keime schrumpften und verwandelten sich zu Sporen. In dieser Lebensform können Bakterien bei schlechten Bedingungen viele Jahre verharren, ohne ihre ursprünglichen Eigenschaften zu verlieren.

 

Zuerst tauchten krankmachende Keime auf

Die anschließende Wiederbesiedelung des Darms erfolgte stufenweise. „Ganz ähnlich, wie wenn sich ein Wald nach einem Brand langsam wieder erholt“, sagt Forslund. Zuerst tauchten allerdings vermehrt Bakterien auf, die krankmachende Eigenschaften besitzen, Enterococcus faecalis and Fusobacterium nucleatum beispielsweise. Gleichzeitig konnte das Team in den Mikroorganismen besonders viele Virulenzfaktoren ausmachen – also Strukturen und Stoffwechselprodukte, die dem Menschen eher schaden. „Diese Beobachtung erklärt gut, warum die meisten Antibiotika Magen-Darm-Störungen hervorrufen“, sagt Forslund.

Mit der Zeit normalisierte sich die Darmflora wieder. Die schlechten Keime wurden mehr und mehr durch gute Bakterien wie beispielsweise die Milchsäure produzierenden Bifidobakterien ersetzt, die Krankheitserreger fernhalten. Nach sechs Monaten war das Mikrobiom der Probanden nahezu wieder das alte. Es fehlten jedoch nicht nur ein paar der früher vorhandenen Arten. „Auch die Anzahl der Resistenz-Gene hatte sich in den Bakterien erwartungsgemäß erhöht“, berichtet Forslund. Bakterienarten, die nach der Antibiotikagabe am schnellsten wieder auftaucht waren, wiesen aber erstaunlicherweise nicht die meisten Resistenz-Gene auf. „Diese Erbanlagen spielen anscheinend eher langfristige eine Rolle dabei, den Darm wieder zu besiedeln“, sagt die Forscherin.

 

Auch das Mikrobiom der Lunge weiter erforschen

Aufgrund des offenbar dauerhaften Verlusts einzelner Arten und der erhöhten Zahl der Resistenz-Gene zeige die Studie einmal mehr, wie wichtig es sei, Antibiotika mit Bedacht zu verabreichen, betont Forslund. Zudem müsse man weiter erforschen, wie es künftig besser gelingen könne, das empfindliche Mikrobiom vor Schäden durch Antibiotika zu schützen.

Dazu möchte die Wissenschaftlerin beitragen. Am MDC läuft unter ihrer Leitung derzeit zum Beispiel eine Beobachtungsstudie, mit der Forslund herausfinden will, wie sich längerfristige Gaben von Antibiotika auf die Artenvielfalt im Darm auswirken – und ob ein stärkerer Schwund an Spezies das Risiko von Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen erhöht. Darüber hinaus will sie erforschen, wie oft Darmbakterien während einer Antibiotikagabe ihre Resistenz-Gene untereinander austauschen.  Auch eine Studie, die den Einfluss dieser Medikamente auf das Mikrobiom der Lunge untersucht, ist bereits in Planung.

Literatur:

Albert Palleja et al. (2018): „Recovery of gut microbiota of healthy adults following antibiotic exposure.“ Nature Microbiology 3. doi:10.1038/s41564-018-0257-9 (Die


Quelle:

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft – www.mdc-berlin.de 

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