Freitag, April 19, 2024

Update zum MERS-Corona-Virus

Das MERS-Corona-Virus wurde erstmals vor rund fünf Jahren bei einem Patienten mit Pneumonie und Nierenversagen entdeckt.

Bis November 2012 waren neun Erkrankungsfälle (5 Todesfälle) mit dem neu entdeckten MERS-Corona-Virus bekannt, die alle ihren Ursprung in Saudi-Arabien, Katar oder Jordanien hatten. Seither wurden der WHO über zweitausend laborbestätigte Fälle gemeldet, 730 endeten tödlich (Stand 9. Oktober 2017).

Ausgehend von Aufenthalten in Ländern der arabischen Halbinsel wurden MERS-Infektionen in viele andere Regionen der Welt, darunter auch Österreich, Deutschland, Großbritannien, Italien, Frankreich, Griechenland und die Niederlande exportiert. Inzwischen weiß man, dass das Virus in Dromedaren zirkuliert, insbesondere im Mittleren Osten aber auch in afrikanischen Ländern wie dem Sudan und Äthiopien. Das erklärt auch, warum Personen, die eng mit Dromedaren zusammenleben und diese betreuen, eine bis zu 20-fach höhere Seropositivität aufweisen als die Gesamtbevölkerung. Man schätzt, dass sich allein in Saudi-Arabien schon mehrere zehntausend Menschen mit dem MERS-Corona-Virus infiziert haben, ohne daran zu erkranken (Müller MA, Lancet Infect Dis 2015).

 

Mögliche Übertragungswege des MERS-Corona-Virus

Das wirft natürlich viele Fragen betreffend möglicher Übertragungswege auf. Neben respiratorischen Sekreten sind auch die Milch und nicht ausreichend gegartes Fleisch von Dromedaren sowie deren Urin, dem nach alter Tradition besondere Heilkraft zugeschrieben wird, mögliche Infektionsquellen. Auch ist noch nicht geklärt, ob asymptomatisch infizierte Personen, die das Virus ausscheiden, zu weiteren Infektionen in der Bevölkerung beitragen können. Bisher gab es sporadische Fälle von Übertragungen durch Erkrankte in Familienhaushalten, allerdings gibt es keinen Hinweis auf eine anhaltende Mensch-zu-Mensch Übertragung. Jedenfalls scheinen schwer erkrankte und daher hospitalisierte Patienten eine bedeutende Infektionsquelle zu sein.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Berichte von Ansteckungsfällen bei Angehörigen, Patienten und medizinischem Personal in Krankenhäusern, insbesondere im Mittleren Osten und in geringer Zahl in Europa und Asien. Allein im heurigen Jahr waren über 30% der gemeldeten Fälle durch nosokomiale Infektionen verursacht. Von März bis Juli 2017 wurden in Gesundheitseinrichtungen in Riyadh fünf Ausbrüche mit insgesamt mehr als 60 MERS-Infektionen registriert.

Der einzige große Ausbruch in Krankenhäusern außerhalb Saudi-Arabiens ereignete sich im Jahr 2015 in Korea und betraf insgesamt 186 Personen (36 Todesfälle), darunter Angehörige, andere Patienten und medizinisches Personal. Der Indexfall war ein Geschäftsreisender, der von der Arabischen Halbinsel nach Korea zurückgekehrt war und zahlreiche Krankenhäuser aufsuchte, bevor die Diagnose feststand.

Solche Berichte sind nach wie vor beunruhigend, da angesichts der unspezifischen Krankheitssymptome – Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Diarrhoe – ein virologischer Nachweis in den meisten Fällen erst bei fortgeschrittener Erkrankung erfolgt. Von dem Krankenhausausbruch in Korea weiß man, dass sich die meisten nosokomialen Infektionen ereigneten, bevor die betreffenden Patienten isoliert wurden. Dementsprechend sollen allgemeine Maßnahmen zum Infektionsschutz, wie sie in unseren Gesundheitseinrichtungen üblich sind, und die möglichst frühzeitige Identifizierung von Patienten mit MERS-Corona-Virus weitere Ausbrüche verhindern.

 

MERS-Corona-Virus in Österreich

Bei den nach Österreich importierten Fällen (der erste Fall im Jahr 2014, der zweite im September 2016) handelte es sich um Personen, die aus Saudi-Arabien eingereist waren und aufgrund eines schweren ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome) intensivmedizinisch betreut wurden. Die erste Patientin (29 Jahre alt) konnte nach 3 Wochen aus der intensivmedizinischen Pflege entlassen werden. Der zweite Patient (67 Jahre alt) verstarb im September 2016 an den Folgen seiner Infektion. Die Untersuchungen der Kontaktpersonen durch die zuständige Behörde in Österreich sowie die virologische Untersuchung der Proben dieser Personen am Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien haben gezeigt, dass es in keinem Fall zu einer weiteren Ansteckung gekommen ist.

Eine Lösung des latenten MERS-Problems wäre nur dann möglich, wenn zoonotische Übertragungen von infizierten Dromedaren auf die Bevölkerung unterbunden werden könnten. Da dies aufgrund der hohen Durchseuchung der Dromedare in Ländern Arabiens und Teilen Afrikas jedoch unrealistisch ist, muss weltweit mit neuen importierten Fällen gerechnet werden, und es besteht somit auch weiterhin das Risiko für Ausbrüche in Gesundheitseinrichtungen durch Mensch-zu-Mensch Übertragungen.

Entsprechend den Empfehlungen der WHO sollten Personen auf das MERS-Corona-Virus getestet werden bei

  1. akutem respiratorischem Infekt mit Fieber >38°C, Husten und Pneumonie oder ARDS und
  2. entsprechender Exposition (vorangegangene Reise in ein Gebiet der arabischen Halbinsel, die weniger als 14 Tage zurückliegt oder Kontakt zu einem bestätigten oder wahrscheinlichen MERS-Fall).

Bei Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen sollte auch deren Kontakt zu anderen Personen mit Reiseanamnese in Risikogebiete erfragt werden. Die spezifische MERS-Diagnostik und eine weitergehende differentialdiagnostische Abklärung werden am Zentrum für Virologie durchgeführt. Zur Untersuchung soll ein möglichst tiefes Atemwegssekret (Sputum, Tracheal- oder Bronchialsekret) und ein EDTA-Blut oder Serum eingesendet werden. Bei einem Verdachtsfall bitten wir um Kontaktaufnahme mit dem Zentrum für Virologie.

Quelle:

logo-virusepidemiologische-informationenVIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION NR. 23/17-5. Prof. Dr. Judith H. Aberle.

Department für Virologie der Med. Universität Wien.

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