Donnerstag, April 25, 2024

Ullrich-Turner-Syndrom: Therapie für Mädchen und Frauen verbessern

Speziellen Behandlungszentren bieten für Mädchen und Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom eine interdisziplinäre und leitlinienbasierte Therapie.

Unter dem Strich kommen Mädchen und Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom (UTS) kommen mit nur einem X-Chromosom auf die Welt. Dadurch können ihr Leben lang an verschiedenen Krankheiten des Immunsystems, der Schilddrüse sowie des Herzens erkranken. Allerdings fehlt häufig vor allem für erwachsene Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom eine adäquate Therapie.



 

Gründung spezieller Zentren zur Therapie für Mädchen und Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom

Deshalb gründen die Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie (DGKED), die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) sowie die Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland gemeinsam spezielle Turner-Behandlungszentren. In den zertifizierten Einrichtungen sollen den Patientinnen eine umfassende und leitliniengerechte Behandlung ermöglichen.

„Erwachsene Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom werden in Deutschland bislang nicht gut betreut“, sagt Professor Dr. med. Joachim Wölfle, Kinderendokrinologe an der Klinik für Allgemeine Pädiatrie des Universitätsklinikums Bonn. Durch die Gründung spezialisierter Turner-Zentren soll dieses Defizit behoben werden.

„Die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen sind bei Mädchen und Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom (UTS) sehr vielfältig. Autoimmunerkrankung der Schilddrüse (Hashimoto-Thyreoiditis), Störungen im Zuckerstoffwechsel, Mittelohrentzündungen, Herzprobleme und psychische Erkrankungen können dazugehören“, ergänzt Wölfle.

Aus diesem Grund sei eine fächerübergreifende, lebenslange ärztliche Begleitung notwendig, so Wölfle, der Mitglied der DGE und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und Kinderdiabetologie (DGKED) ist.

 

Ullrich-Turner-Syndrom: Wenn Mädchen nur mit einem X-Chromosom geboren werden

Im Grunde genommen liegen beim Ullrich-Turner-Syndrom eine Störung im Reifeprozess der Ei- und Samenzellen oder Fehlbildungen der Geschlechtschromosomen vor. Dadurch wird eines von 2.500 Mädchen nicht mit zwei, sondern nur mit einem X-Chromosom geboren.



Dabei gehört das Ullrich-Turner-Syndrom unter den seltenen Erkrankungen damit zu den „häufigeren“. Die betroffenen Mädchen und Frauen sind – mit einer Körperhöhe von durchschnittlich 146,5 cm – kleinwüchsig. Bei nahezu allen setzt die Pubertät nicht von selbst ein, sondern muss vom Arzt mit Hormonen eingeleitet werden. Zudem haben Patientinnen mit Ullrich-Turner-Syndrom ein erhöhtes Risiko für spezifische gesundheitliche Probleme, die zu verkürzter mittlerer Lebenserwartung führen.

 

Internationalen Leitlinie zur Therapie von Patientinnen mit Ullrich-Turner-Syndrom

Eine einheitliche und aktuelle Empfehlungsbasis für die Behandlung liegt mit der 2017 erschienenen internationalen Leitlinie vor. Nun gilt es, diese Empfehlungen umzusetzen.

Denn vorangehende Untersuchungen unter anderem in Frankreich und Deutschland haben nämlich gezeigt, dass die in bestehenden Leitlinien empfohlenen Untersuchungen (beispielsweise regelmäßige Blutdruckmessung, Bestimmung von Blutzucker, Blutfetten, Leberwerten, Herz-Ultraschall, HNO- und augenärztliche Untersuchung) nur bei einem Bruchteil der Patientinnen durchgeführt werden.

Experten sehen weitere Gründe für die derzeit schlechte Versorgung der Patientinnen. „Die Variabilität der gesundheitlichen Auswirkungen und der dadurch zuständigen Fachrichtungen ist so groß, dass allein die Terminvereinbarungen für die Patientinnen bei vielen unterschiedlichen Ärzten sehr zeitaufwendig sind, vor allem wenn sie im ländlichen Raum leben.“ Hinzu komme, dass viele Ärzte mit dem Krankheitsbild Ullrich-Turner-Syndrom nicht vertraut seien.

Abhilfe schaffen sollen nun spezialisierte Zentren. Dazu entwickelte man unter Beteiligung der Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland, der DGKED und der DGE (Professor Dr. med. Heide Siggelkow) eine Initiative, um die Versorgung nebst Therapie von Mädchen und Frauen mit Ullrich-Turner-Syndrom zu verbessern. Grundidee ist, mithilfe sogenannter Turner-Syndrom-Spezialisten und Turner-Syndrom-Zentren die Versorgung zu verbessern.



 

Was ein Turner-Syndrom-Zentrum für Patientinnen mit Ullrich-Turner-Syndrom leisten muss

Unter dem Strich muss eine Einrichtung, um ein Turner-Syndrom-Zentrum sein zu können, über weitere Fachabteilungen verfügen. Dazu gehören Kardiologie, HNO, Gynäkologie, Psychologie/Psychosomatik sowie Humangenetik. Dort verpflichtet man sich, den Leitlinien gemäß zu behandeln und am Turner-Syndrom-Netzwerk teilzunehmen. Im Grunde genommen ist ein TS-Spezialist idealerweise ein Endokrinologe, der mit Turner-Syndrom-erfahrenen Medizinern aus anderen Fachrichtungen vernetzt ist.

Der Startschuss zur Gründung erster TS-Zentren erfolgt auf dem 62. Kongress für Endokrinologie (20. bis 22. März 2019) in Göttingen. „Bislang haben wir 24 interessierte Einrichtungen und zwei Einzelpersonen, die sich für eine Zertifizierung angemeldet haben“, erklärt Wölfle. Ziel sei es, bei den zu erfüllenden Kriterien niedrigschwellig zu bleiben, ohne deshalb auf grundlegende Anforderungen zu verzichten.

Kerstin Subtil betont: „Als Vertreterinnen der Selbsthilfe wurden wir von Anfang an einbezogen, das ist nicht selbstverständlich. Die Gründung der Zentren begrüßen wir sehr und wir sind sehr zuversichtlich, dass diese den Patientinnen große Vorteile bringen.“

Dazu ergänzt Professor Dr. med. Heide Siggelkow, DGE-Kongresspräsidentin und Ärztliche Leiterin MVZ ENDOKRINOLOGIKUM Göttingen: „Wir müssen in einem nächsten Schritt analysieren, inwieweit die gesetzten Ziele erreicht werden konnten, welche potenziellen strukturellen oder ökonomischen Hemmnisse existieren und wo gegebenenfalls Handlungs- und Unterstützungsbedarf zum Erreichen einer besseren Versorgung von Patientinnen mit UTS besteht.“




Weitere Informationen:

Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland – www.turner-syndrom.de

Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie (DGKED) – www.dgked.de


Literatur:

Gravholt CH, Andersen NH, Conway GS, Dekkers OM, Geffner ME, Klein KO, Lin AE, Mauras N, Quigley CA, Rubin K, Sandberg DE, Sas TCJ, Silberbach M, Söderström-Anttila V, Stochholm K, van Alfen-van der Velden JA, Woelfle J, Backeljauw PF (2017). International Turner Syndrome Consensus Group. Clinical practice guidelines for the care of girls and women with Turner syndrome. Proceedings from the 2016 Cincinnati International Turner Syndrome Meeting. Eur J Endocrinol 177(3):G1-G70. doi: 10.1530/EJE-17-0430.


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) – www.endokrinologie.net

Related Articles

Aktuell

Impfungen und auch eifreie Lebensmittel können Ei-Proteine enthalten

Vorsicht für Menschen mit Eiallergie: verschiedene eifreie Lebensmittel und Impfstoffe können versteckte Eip-Proteine enthalten. Auch wenn ein Produkt als eifrei gekennzeichnet ist, können dennoch Ei-Proteine...
- Advertisement -

Latest Articles

Resilienz: die Kunst, psychische Widerstandsfähigkeit zu stärken

Resilienz bezeichnet die psychische Widerstandsfähigkeit, die uns auch ermöglicht, aus Krisen zu lernen und daraus gestärkt hervorzugehen. In einer idealen Welt wären wir vor Schicksalsschlägen,...

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...

Ernährung bei Frauen in der Perimenopause

Der Einfluss des Zustands der Ernährung von Frauen in der Perimenopause ist ein wichtiger Faktor für deren Gesundheit und Lebensqualität. Der Zustand der Ernährung spielt...