Nicht nur Passivrauch sondern auch Third Hand Smoke stellen für Kinder eine Gefahr dar. Dazu zählen auch wie Rauchrückstände auf Kleidung und Möbeln.
Eindringlich warnen Experten immer wieder vor den Gefahren gewarnt, die von Passivrauch für Kinder ausgehen. Aktuellen Erkenntnissen zufolge stellt aber auch der sogenannte Third Hand Smoke – also zum Beispiel Rauchrückstände auf Kleidung und Möbeln – einen nicht zu unterschätzenden Risikofaktor für Kinder dar. Und hierzu ist eine traurige Tatsache, dass betroffene Kinder haben schon von Geburt an schlechtere Chancen auf ein gesundes Leben. Und zwar wenn sie von Beginn ihrer Existenz an bereits im Mutterleib Tabak-Schadstoffen ausgesetzt sind.
Krank von Anbeginn des Lebens an
Im Jänner 1964 veröffentlichte ein Beratungskomitee des damaligen US-Surgeon General Luther Leonidas Terry den ersten umfassenden Bericht über die negativen Konsequenzen des Rauchens. Seither sind mehr als 60 Jahre vergangen. Trotzdem stellt das Rauchen in vielen Ländern noch immer ein massives Problem dar. Und zwar unterschätzt man dabei auch möglichen Folgen für betroffene Kinder. Denn die Beeinträchtigungen durch die Rauchexposition reichen vom Fötus über das Kindes- und Jugend- bis hin zum Erwachsenenalter.
Vom Fötus bis ins Erwachsenenalter – Rauchen beeinträchtigt das Kind nachhaltig
Im Lauf der Jahrzehnte und durch viele tausend Studien belegt, zeigt sich immer deutlicher, dass das Rauchen der Eltern, speziell der Mutter, Kinder von Anbeginn auf allen Ebenen schädigt. Aus heutiger Sicht kann davon ausgegangen werden, dass Rauchen in der Schwangerschaft einen starken und anhaltend negativen Einfluss auf viele Bereiche hat.
Das fetale Wachstum kann beeinträchtigt werden und so weisen Kinder von Raucherinnen oft ein geringeres Geburtsgewicht auf. Plazenta-assoziierte Erkrankungen, wie zum Beispiel eine vorzeitige Plazenta-Ablösung, treten häufiger auf, ebenso kommt es öfter zu Tot- und Frühgeburten. Auch Spaltbildungen, es handelt sich dabei um Fehlbildungen während der Embryonalentwicklung, wie zum Beispiel Lippen- oder Gaumenspalten, kommen bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft geraucht haben, häufiger vor. Ebenso kommt es auch öfter zum Auftreten des plötzlichen Kindstodes (SIDS).
Was den Fötus schädigt, schädigt auch das Baby
Rauchende Schwangere weisen beispielsweise eine höhere Frühgeburtenrate auf. Eine Frühgeburt schlägt wiederum auf die Reife der Lunge des Neugeborenen durch. Frühgeborene haben auch häufiger Atemwegsinfektionen. Der Einfluss des Tabakrauchens auf das Immunsystem der Kinder führt offenbar im späteren Leben auch öfter zu Bronchialasthma sowie zu schwereren Verlaufsformen dieser chronischen Erkrankung. So ist die Häufigkeit von Asthma bei Kindern von Raucherinnen um 40 bis 80 Prozent gesteigert.
Die Folgen sind aber noch weitreichender. Auch Übergewicht im späteren Kindesalter, eine verminderte Lungenfunktion, Asthma bronchiale, kardiovaskuläre Erkrankungen sowie mentale Entwicklungsverzögerung und Verhaltensauffälligkeiten können ihre Ursache in der frühen Tabakexposition haben.[2]
Zigaretten – ein ganz besonderer Gift-Cocktail
Studien haben ergeben, dass Schwangere einerseits mehr an der Zigarette „hängen“, weil ihr Körper infolge des im Rahmen der Schwangerschaft gesteigerten Stoffwechsels das Nikotin schneller abbaut und somit die Lust auf die nächste Zigarette schneller auftaucht.
Auf der anderen Seite sammelt sich das giftige Nikotin im Fruchtwasser, das toxisch wird. Die Auswirkungen des Rauchens in der Schwangerschaft auf den Fötus erklären sich durch die direkte Wirkung der Toxine im Rauch auf die fetalen Zellen: So wird etwa das Nikotin in der fetalen Lunge gespeichert, Spitzenkonzentrationen von Nikotin im Ungeborenen entstehen 15 bis 30 Minuten nach dem Konsum einer Zigarette.[1]
Der Gift-Cocktail der Zigaretten ist im Grunde genommen einzigartig.
Tabakrauch enthält mehr als 4800 Chemikalien, welche potenziell für den Menschen giftig sind. Gesichert schädlich sind 250 Substanzen, mindestens 50 davon sind krebserregend. Zu den beim Tabakrauchen freigesetzten Stoffen zählen Kohlenmonoxid, Nitrogene, Formaldehyd, Hydrogenzyanid, Schwefeldioxid, Nitrosamine, polyzyklische aromatische Hydrokarbone sowie feste Stoffe wie Nikotin, Schwermetalle (Blei, Nickel, Cadmium; Anm.) und Benzpyrene.
Ob nun durch direkte Effekte, zum Beispiel auf die Bronchien, oder über den Umweg via Immunsystem oder Genschäden: Der dramatisch gesundheitsschädliche Effekt des Tabakkonsums ist umfassend und setzt sich bei betroffenen Kindern bis ins Jugendalter fort.[1]
Umfeld spielt große Rolle
An Rahmenbedingungen sind auch die sozialen Faktoren zu berücksichtigen. Kinder aus sozial schlechter gestellten Schichten leiden häufiger an den Konsequenzen der Rauchexposition. Kein Wunder, denn diese Kinder haben ein bis zu sechsmal höheres Risiko, dem Tabakrauch ausgesetzt zu werden.[3]
Wird im Auto geraucht, ist dies ebenso eine Gefahr. Auch bei geöffnetem Fenster ist der Spiegel an polyzyklischen Kohlenwasserstoffen nach drei Zigaretten auch eine Stunde nach dem Ausdämpfen der letzten Zigarette noch höher als in der hochbelasteten Luft einer Großstadt-Straßenkreuzung. Daher fordert die Deutsche Akademie für Kinder und Jugendmedizin ein Rauchverbot in Autos beim Transport von Kindern.[4] In Österreich ist das Rauchen im Auto noch erlaubt.
Third Hand Smoke: Sogar Tabakrückstände auf Möbeln und Kleidung bergen ein Risiko für Kinder
Seit kurzem weiß man auch von der Bedeutung des sogenannten Third Hand Smoke für Kinder. Untersuchungen haben gezeigt, dass sogar Tabakrückstände auf Kleidung und Möbeln eine Gefahr darstellen. Deutliche Mengen von Nikotin werden direkt aus der Luft eingeatmet oder sogar über Kleidung, die Tabakrauch ausgesetzt war, und über die Haut aufgenommen. Diese ist für alle Kinder, die tabakexponiert sind, eine relevante Gefahr!
Den Beweis, dass die Reduktion des Rauchens in der Gesellschaft sehr wohl etwas für die Kindergesundheit bringt, gibt es längst. In einer Analyse von fast einem Dutzend wissenschaftlicher Studien mit 2,5 Millionen Geburten in sechs Ländern und dort eingeführten Rauchverboten in der Öffentlichkeit zeigte, dass durch diese Maßnahmen eine Reduktion der Frühgeburtenrate um rund zehn Prozent erreicht werden konnte.
Rauchen hinterlässt Spuren im Erbgut des Kindes und hat auch Auswirkungen auf die Epigenetik
Längst ist geklärt, dass Rauchexposition zu Genmutationen führt. Doch in jüngerer Vergangenheit hat sich herausgestellt, dass Kinder durch den Tabakkonsum ihrer Nächsten auch sogenannte epigenetische Veränderungen erleiden können, die zu einem erhöhten Risiko von Lungenerkrankungen führen können.
Unter Epigenetik versteht man den Steuerungsmechanismus für die Aktivierung oder Deaktivierung von Genen, also vereinfacht gesagt, Ein- und Ausschaltknöpfe, die die Genaktivitäten regeln. Dadurch kann der Körper schneller auf Umweltveränderungen reagieren. Diese ‚Umprogrammierung‘ der Epigenetik kann sich für den Betroffenen positiv oder negativ auswirken. Bei Babys, die in eine ‚Rauch-Umgebung‘ hineingeboren werden, sind die epigenetischen Effekte leider negativ.
Einerseits ist auch schon seit langem klar, dass Kinder, die Rauch ausgesetzt sind, vermehrt an Asthma bronchiale und Allergien erkranken. Andererseits weiß man heute auch, wie der Mechanismus dahinter funktioniert: Durch die Schadstoffe im Tabakrauch wird die Epigenetik dahingehend ‚umprogrammiert‘, dass es zu einer Schwächung oder auch überschießenden Reaktion des Immunsystems kommt.
Der Anstieg der Zahl von Asthma bronchiale und allergischen Erkrankungen bei Kindern, der in den vergangenen Jahrzehnten weltweit beobachtet wurde, kann nicht nur durch echte genetische Veränderungen erklärt werden. Basierend auf den neuen Erkenntnissen gehen wir davon aus, dass hier ganz offensichtlich epigenetische Veränderungen eine große Rolle spielen.
Allerdings hat die Sache hat auch einen potenziell positiven Aspekt. Denn auch der Umkehrschluss trifft zu. Epigenetische Veränderungen können – wenn eine Gesellschaft zum Beispiel das Rauchen aufgibt – auch positive Auswirkungen haben. Und zwar deswegen, weil epigenetische Mechanismen auch bewirken können, dass negativen Veränderungen wieder rückgängig gemacht werden können.
Literatur:
Rauchen in Schwangerschaft und Asthma
Zacharasiewicz A. Maternal smoking in pregnancy and its influence on childhood asthma. ERJ Open Research 2016 2: 00042-2016; DOI: 10.1183/23120541.00042-2016
Fetales Tabaksyndrom
Horak F Jr1, Fazekas T, Zacharasiewicz A, Eber E, Kiss H, Lichtenschopf A, Neuberger M, Schmitzberger R, Simma B, Wilhelm-Mitteräcker A, Riedler J.The Fetal Tobacco Syndrome – A statement of the Austrian Societies for General- and Family Medicine (ÖGAM), Gynecology and Obstetrics (ÖGGG), Hygiene, Microbiology and Preventive Medicine (ÖGHMP), Pediatrics and Adolescence Medicine (ÖGKJ) as well as Pneumology (ÖGP)]. Wien Klin Wochenschr. 2012 Mar;124(5-6):129-45. doi: 10.1007/s00508-011-0106-9. Epub 2011 Dec 22.
Soziale Unterschiede
Kuntz B1, Lampert T2.Social disparities in parental smoking and young children’s exposure to secondhand smoke at home: a time-trend analysis of repeated cross-sectional data from the German KiGGS study between 2003-2006 and 2009-2012. BMC Public Health. 2016 Jun 8;16:485. doi: 10.1186/s12889-016-3175-x.
Rauchen im Auto
Herrmann B. Stellungnahme der Kommission Kinderschutz der Deutschen Akademie für Kinder und Jugendmedizin: Forderung eines Rauchverbotes in Autos mit Kindern.
Third hand smoke: Auswirkungen auf Kinder
Gabriel Bekö1 et al. Indoor Air. 2016 Aug 24. doi: 10.1111/ina.12327. Measurements of dermal uptake of nicotine directly from air and clothing
Epigenetik
Markunas CA1, Xu Z, Harlid S, Wade PA, Lie RT, Taylor JA, Wilcox AJ. Identification of DNA methylation changes in newborns related to maternal smoking during pregnancy. Environ Health Perspect. 2014 Oct;122(10):1147-53. doi: 10.1289/ehp.1307892. Epub 2014 Jun 6.
Rauch Stopp ändert Epigentik positiv
Ambatipudi S et al. Tobacco smoking-associated genome-wide DNA methylation changes in the EPIC study. 2016 May;8(5):599-618. doi: 10.2217/epi-2016-0001. Epub 2016