Dienstag, April 16, 2024

Virtueller Avatar unterstützt bei der Stress-Bewältigung

Ein virtueller, von (vermutet) einem Menschen gesteuerter Avatar unterstützt Betroffene bei der Stress-Bewältigung ebenso gut wie ein echter Therapeuten.

Wenn Personen glauben, dass hinter einem Avatar, der sie vor akuten Stresssituation sozial unterstützt, eine echte Person steckt, so wirkt diese virtuelle Hilfe genauso gut wie der Support zur Stress-Bewältigung durch eine echte Person. Das ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen Studie mit drei Gruppen von Patienten, bei denen ein vermutet menschlicher mit einem Computer gesteuerten Avatar sowie mit einem echten Therapeuten verglichen wurde.

 

Unterstützung zur Stress-Bewältigung von echter Person oder via Virtual-Reality-Brille von virtuellem Avatar

Wissenschaftler unter der Leitung von Anna Felnhofer und Oswald Kothgassner von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde und der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der MedUni Wien untersuchten in einem standardisierten Experiment die Auswirkung von sozialer Unterstützung auf die Stress-Bewältigung. Dabei motivierten sie die 56 Studienteilnehmer mit Zuspruch, bevor diese diverse anspruchsvolle Aufgaben unter Zeitdruck vor einer Jury lösen mussten. Die Unterstützung kam entweder von einer echten Person oder, vermittelt über eine Virtual-Reality-Brille, von einem virtuellen Avatar.

 

Weniger Stress bei „persönlicher“ Betreuung

Die Forscher suggerierten dabei einer Gruppe von Probanden, dass eine echte Person den Avatar steuert. Die andere Gruppe glaubte hingegen, dass ein Computer den Avatar automatisch lenkt. Eine weitere Kontrollgruppe erhielt keine Unterstützung vor dem Stresstest. Nach dem Stresstest wurden zudem in einem sozialen Verhaltensexperiment mögliche Veränderungen im prosozialen Verhalten untersucht – etwa durch systematische Beobachtung von Hilfsbereitschaft und sozialer Annäherung.

Die psychische Belastung während des Stresstests bestimmten die ForscherInnen über den Anstieg der Herzrate. Das zentrale Ergebnis: Der Anstieg der Herzrate fiel bei vorhergehender Unterstützung durch eine echte Person oder eine virtuelle Person, von der die Probanden annahmen, dass diese von einer echten Person gesteuert wurde (sogenannte Avatare) jedoch signifikant weniger stark aus, als bei jenen Gruppen, die entweder durch einen Computer-Charakter oder gar nicht unterstützt wurden.

Darüber hinaus konnten die Wissenschafter sehen, dass bei jenen Versuchsgruppen, bei welchen Menschen direkt oder digital vermittelt Unterstützung gaben, die Bewertung durch die Jury im Stresstest weitaus weniger Scham und Grübeln auslöste. Schließlich konnten die Wissenschaftler auch zeigen, dass diese Personen auch weitaus rascher zu Hilfestellung bereit waren. Außerdem zeigten sie eine erhöhte soziale Annäherung.

 

Plädoyer fürs Menschliche

„Die Ergebnisse sind auch ein Plädoyer fürs Menschliche in einer digitalen Zeit. Zudem ist soziale Unterstützung ist ein wichtiger präventiver Faktor gegen stressassoziierte Erkrankungen“, fasst Kothgassner kurz zusammen. In ihrer Studie zur Stress-Bewältigung waren die Auswirkungen von sozialer Unterstützung durch einen Therapeuten oder einen menschlich vermuteten Avatar bezüglich Effektivität vergleichbar.

Die betroffene Person muss nur glauben, dass dahinter ein Mensch steckt. Das eröffnet auch neue Sichtweisen und Möglichkeiten, besonders hinsichtlich digitaler sozialer Netzwerke oder Online-Games. Denn diese haben sehr viele soziale Ressourcen, die auch vorbeugend wirken können. Deswegen sollte man digitalen Interaktionen auch mehr Beachtung als Schutzfaktoren schenken, und nicht lediglich als Risiko ansehen.

„Unsere Ergebnisse haben weitreichende Implikationen für den Einsatz von Virtuellen Realitäten in der medizinischen Forschung sowie auch im Kontext von therapeutischen Applikationen“, ergänzt Felnhofer. Die Erkenntnisse könnten schon für die Prävention von psychischen Erkrankungen wie etwa Depression eine bedeutende Rolle spielen. Es sind aber auch Anwendungen für die Behandlung derartiger Störungen mittels Telemedizin oder andere virtuelle Therapieprogramme möglich.

Literatur:

Oswald D. Kothgassner, Andreas Goreis, Johanna X. Kafka, Marlene Kaufmann, Katharina Atteneder, Leon Beutl, Kristina Hennig-Fast, Helmut Hlavacs, Anna Felnhofer. Virtual social support buffers stress response: An experimental comparison of real-life and virtual support prior to a social stressor. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, Volume 63, June 2019, Pages 57-65. https://doi.org/10.1016/j.jbtep.2018.11.003.


Quelle: Medizinische Universität Wien – www.meduniwien.ac.at

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