Donnerstag, März 28, 2024

Stereotype, Vorurteile und Einstellungen

Wie lassen sich Stereotype, Vorurteile und Einstellungen möglichst objektiv messen, welche psychologischen Prozesse sind dabei im Spiel?

Fragestellungen bzgl. Stereotype, Vorurteile und Einstellungen zu beantworten gehört zum Hauptziel in der Forschung von Professors Roland Deutsch. Er ist Lehrstuhlinhaber für Psychologie an der Uni Würzburg. Er hat auch Tipps für junge Leute, die Psychologie studieren möchten.



„Die Einstellungen eines Menschen kann mit Fragebögen erfassen. Die haben aber ihre Tücken, weil die Probanden dabei täuschen können und zum Beispiel so antworten, wie sie es für sozial erwünscht halten“, sagt Roland Deutsch, Inhaber des Lehrstuhls für Psychologie II an der Universität Würzburg. Der Professor setzt darum auf andere Methoden – etwa auf das Priming.

Hier ein Beispiel dafür, vereinfacht beschrieben: Versuchspersonen bekommen an einem Bildschirm hintereinander Wörter gezeigt und sollen per Tastendruck kundtun, ob sie etwas Gutes oder Schlechtes mit den Wörtern verbinden.

Kurz vor den Wörtern tauchen Bilder auf, die zum Beispiel dunkelhäutige, alte oder entstellte Gesichter zeigen. „Die Probanden werden angewiesen, diese Bilder zu ignorieren. Aber das können sie gar nicht, weil sie sie automatisch beurteilen“, erklärt Deutsch.

Das hat Folgen: „Wenn zum Beispiel ein Bild für sie negativ ist, verlängert sich die Zeit bis zum Tastendruck bei positiven Wörtern ganz deutlich.“ So kann man aus der Reaktionszeit die Einstellung der Probanden ablesen.

Das Spannende dabei: Verändert man an dieser Methodik nur Kleinigkeiten, zeigt man etwa statt Wörtern chinesische Schriftzeichen oder statt nur einem Bild gleich mehrere hintereinander, dann werden damit zum Teil ganz andere psychologische Prozesse erfasst. Solche Messungen und ihre Eigenheiten genau verstehen, die Methoden verbessern und verfeinern – das ist ein Hauptanliegen des neuen Lehrstuhlinhabers.

 

Forschungsorientiertes Studium mit spannenden Fragen

Die psychologische Methodik spielt auch im Studium eine große Rolle. An der Universität Würzburg bekommen die Bachelor- und Masterstudierenden die grundlegenden wissenschaftlichen Fertigkeiten vermittelt. „Sie lernen hier alle Stufen des Forschungsprozesses kennen, von Experimentiertechniken über die statistische Auswertung bis zur Ergebnispräsentation“, sagt Deutsch.

Dabei kommen die Studierenden mit sehr unterschiedlichen Forschungsfragen in Kontakt. „Es geht um das menschliche Erleben und Verhalten in seiner ganzen Vielfalt“, so der Professor. Hier nur einige Beispiele: Wie laufen Gedächtnis- und Entscheidungsprozesse ab? Wie entstehen soziale Gruppen, warum helfen Menschen sich gegenseitig? Wie entwickelt und verändert sich all das im Lauf des Lebens? Wie kommt es zu Verhaltensauffälligkeiten, unter denen die Betroffenen leiden? Welche Faktoren fördern Aggression und Mobbing am Arbeitsplatz?



 

Vielfältige Berufsfelder eröffnen sich

An den genannten Beispielen zeigen sich wichtige Berufsfelder, in denen Psychologen arbeiten. „In Wirtschaftsunternehmen sind sie oft in der Personalauswahl und -entwicklung tätig, etwa beim Management von Fortbildungsangeboten“, sagt Deutsch. Andere Einsatzgebiete sind die ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen oder ein innerbetriebliches Konfliktmanagement.

In Kliniken oder Reha-Einrichtungen arbeiten Psychologen diagnostisch-therapeutisch, aber gleichzeitig auch oft in der Forschung mit. Ein weiteres Tätigkeitsfeld ist der Bildungssektor: Hier helfen Psychologen zum Beispiel, Unterrichtsprozesse zu optimieren oder Lernbesonderheiten zu erkennen und zu managen – sei es nun eine Hochbegabung oder eine Lernstörung. Und natürlich kann man sich mit einer psychotherapeutischen Praxis selbstständig machen.

Generell seien die Berufsaussichten gut, so Deutsch: Die Arbeitslosenquote bei Psychologen ist sehr niedrig; sie lag in den vergangenen Jahren um 1,7 Prozent. Ebenfalls positiv: Fast alle fertig ausgebildeten Psychologen arbeiten tatsächlich auch in ihrem Beruf und üben nicht etwa Tätigkeiten aus, für die eine geringere Qualifikation reichen würde.

 

Werdegang von Roland Deutsch

Roland Deutsch wurde 1972 in Witten geboren. Er studierte in Würzburg Psychologie, promovierte hier und forschte dann ab 2003 als Postdoc an der Ohio State University in den USA. 2006 kam er ans Würzburger Institut zurück. Schon bald wurde er hier als herausragender junger Wissenschaftler ausgezeichnet: 2007 verlieh ihm die Universität ihren Röntgenpreis.

Ab 2009 vertrat Deutsch für ein Semester einen Lehrstuhl an der Universität Jena; 2010 folgte er dem Ruf auf eine Professur für Sozialpsychologie an der TU Dresden. In diese Zeit fällt seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychologie: Von 2012 bis 2014 befasste er sich unter anderem mit Angelegenheiten des Psychologiestudiums und mit Öffentlichkeitsarbeit.

Zum Sommersemester 2016 trat Roland Deutsch die Nachfolge von Professor Fritz Strack auf dem Lehrstuhl für Psychologie II der Universität Würzburg an. Hier will er sein Forschungsgebiet bald erweitern: Er plant Studien zur Frage, welche psychologischen Prozesse beteiligt sind, wenn Menschen soziale Unterschiede wahrnehmen und darauf reagieren. „Auf diesem Gebiet gibt es noch einige weiße Flecken zu erkunden“, sagt er.



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