Zum Erreichen wichtiger Ziele der Rehabilitation nach Schlaganfall sollte man rasch nach der Stroke Unit in der REHA weiterbehandeln.
Die Rehabilitation nach Schlaganfall große Bedeutung. Die frühe Behandlung der Defizite bei Patienten mit frischem Schlaganfall, das heißt das Üben vom ersten Tag an, gehört zu den Standards der Behandlung auf der Stroke Unit. Allerdings zeigten Studiendaten, dass sehr frühes und intensives Mobilisieren in den ersten Stunden nach einem schweren Schlaganfall auch von Nachteil sein kann (Lancet 2015; 386: 46-55). Dies zeigt erneut, dass eine an den Einzelfall, an die Schwere des Defizits und an Begleiterkrankungen angepasste Therapie notwendig ist, um optimale Rehabilitationserfolge zu erreichen. Dies erfordert qualifiziertes Personal, das in den zertifizierten Stroke Units vorhanden ist.
Etwa 50 Prozent der rund 260.000 Patienten, die in Deutschland pro Jahr einen Schlaganfall erleiden, benötigen nach der Akutphase eine intensive neurologische Rehabilitation, etwa 25 Prozent ambulant und 25 Prozent in einer stationären Einrichtung. Die Frage nach der optimalen Intensität, Wiederholungsfrequenz und Dauer der verschiedenen Behandlungsbausteine ist ein wichtiger Gegenstand aktueller Forschung. Solche Ergebnisse, die bisher nicht in ausreichender Detailtreue vorliegen, sind besonders wichtig, um die Schlaganfall-Patienten zu identifizieren, die von einer sehr aufwendigen Therapie profitieren.
Man weiß heute, dass der Erfolg des Übens generell umso größer ist, je genauer das Training zum Defizit passt und je häufiger wiederholt wird. Die hohe Wiederholungsrate ist ein Vorteil der robotergestützten Therapien, die in spezialisierten Rehabilitationseinrichtungen zur Verfügung stehen. Eine ganz aktuelle Metaanalyse von 38 Studien über >1 000 Patienten zeigt dies beispielsweise für die Armfunktion (Neurorehabil Neural Repair 2016; Epub ahead of print); analoge Ergebnisse gibt es für die Gangverbesserung mit Robotern.
Ziele für die Rehabilitation nach Schlaganfall
Wichtige Bereiche für die Rehabilitation nach Schlaganfall sind:
- erstens die Wiedererlangung der selbständigen Steh- und Gehfähigkeit (die in ca. 75 Prozent initial gestört ist),
- zweitens die Wiedererlangung einer guten Handfunktion (die bei bis zu 80 Prozent der Patienten nach Schlaganfall nicht in Ordnung ist),
- drittens die Verbesserung einer bestehenden Schluckstörung (ein wesentlicher Faktor für die Lebensqualität, dessen Beeinträchtigung die Nahrungsaufnahme erschwert und Komplikationen in Form von Lungenentzündungen begünstigt),
- viertens die Verbesserung von Defiziten der Sprache, des Gedächtnisses und anderer kognitiver Funktionen.
Comprehensive Stroke Units mit Integration der Rehabilitation nach Schlaganfall
Um diese Ziele erreichen zu können, ist für Deutschland insbesondere die schnelle spezialisierte Weiterbehandlung nach der Stroke Unit wichtig. Ein Schritt dorthin sind die Etablierung von „comprehensive Stroke Units“ mit integrierter Rehabilitation durch die Zertifizierungsverfahren der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft. Außerdem die Integration der Rehabilitation in die neurovaskulären Zentren zur optimalen Schlaganfalltherapie.
Eine spannende Aufgabe für die Zukunft ist jedenfalls die Definition optimaler Zeitbereiche für das Training. Damit man die Fähigkeit des Gehirns zum Umbau nach einer Schädigung (neuronale Plastizität) bestmöglich ausnutzen kann. Dabei spricht der gegenwärtige Kenntnisstand auch hier für eine frühe Therapie. Schließlich unterstützen schon jetzt Stimulationstechniken und Medikamente die Plastizität. Unter dem Strich kann das Üben in der virtuellen Realität die Motivation und die Therapiedauer verbessern (Cochrane Database Syst Rev 2015; CD008349).
Zukunftsvisionen
Die Entwicklung von Verfahren zur Modulation physiologischer Funktionen durch elektrische oder pharmakologische Stimulation (Neuromodulation) befindet sich in einer dynamischen Phase. Sie wird auch in Zukunft ebenso an Bedeutung gewinnen wie die Anwendung telemedizinischer Verfahren. Und zwar zur Fortsetzung der Rehabilitation mit therapeutischer Unterstützung in der häuslichen Umgebung.
In Zukunft könnte möglicherweise sogar die Neubildung von Nervenzellen in der Rehabilitationsphase durch eine Infusion von so genannten mesenchymalen Stammzellen verbessert werden (J Phys Ther Sci 2016; 28: 1943-1948). All diese Möglichkeiten ergeben sich aus der engen Verzahnung von Akutbehandlung auf der Stroke Unit und Rehabilitation.
Literatur:
The AVERT Trial Collaboration group. Efficacy and safety of very early mobilisation within 24 h of stroke onset (AVERT). A randomised controlled trial. Open AccessPublished:April 16, 2015DOI:https://doi.org/10.1016/S0140-6736(15)60690-0
Quelle:
Statement »Rehabilitation nach Schlaganfall: Wie früh, wie intensiv, mit wie viel Technik?« Professor Dr. med. Klaus Jahn, Chefarzt der Neurologischen Abteilung an der Schön Klinik Bad Aibling anlässlich der Pressekonferenz der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) zum Weltschlaganfalltag am 29. Oktober 2016.