Donnerstag, März 28, 2024

Osteoporose in Deutschland

Im europäischen Vergleich präsentiert sich Deutschland in der Zahl der behandelten Betroffenen Osteoporose bedingten Frakturen als Schlusslicht.

Bei der Osteoporose handelt es sich um eine der häufigsten Erkrankungen der postmenopausalen Frau in Europa. Doch die Knochenerkrankung ist keine reine Frauenkrankheit. Altersassoziiert steigt in Deutschland die Prävalenz, gemessen anhand von Daten der Techniker Krankenkasse von 2009, von 12 Prozent im Alter von 50 Jahren bis auf 48 Prozent im Alter bei über 74 jährigen Frauen an, bei Männern von 3 auf 12 Prozent. Die Gesamtprävalenz beträgt 14 Prozent [1].

Nach einer Schenkelhalsfraktur erlangen nur etwa 24 Prozent der Betroffenen wieder ihre vollständige Mobilität, 22 Prozent müssen infolge der Fraktur in ein Pflegeheim [2] und 20 Prozent der Menschen mit einer proximalen Femurfraktur sterben direkt oder indirekt daran [3]. Damit präsentiert sich die Osteoporose auch als eine potentiell tödliche Krankheit.

Jeder zweite Betroffene wird auch nach fünf osteoporotisch bedingten Frakturen immer noch nicht behandelt. Ersetzen wir das Wort Fraktur durch das Wort Herzinfarkt, wird klar, wo wir uns heute bei der Osteoporose-Therapie noch befinden. Im europäischen Vergleich präsentiert sich Deutschland in der Zahl der behandelten Betroffenen damit als Schlusslicht [4]. Bei der Osteoporose kommt es zu einem Verlust von Knochenmasse und -qualität und damit zu einem erhöhten Bruchrisiko. Da die Erkrankung nicht jede und nicht jeder bekommt, braucht man eine Möglichkeit der Identifizierung von Risikopersonen. Dafür verwendet man heute Risikofaktoren, von denen man weiß, dass sie zu einem erhöhten Bruchrisiko führen. Mit diesen Faktoren und anhand von Alter und Geschlecht kann man dann Risikopersonen identifizieren.

 

Leitlinie Osteoporose

Einfach und allgemein zugänglich ist das mit der Leitlinie Osteoporose des Dachverbandes Osteologie möglich, die Mitte März 2018 publiziert worden ist, S3-LL Osteoporose 2017, offiziell zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V. Will man schon früh eine Osteoporose verhindern, dann steht an erster Stelle die Risikominimierung, Verzicht auf Nikotin und größere Mengen Alkohol und eine gesunde Ernährung stehen im Vordergrund. Ein Bodymaßindex > 20 kg/m2 sollte erreicht werden.

 

Calcium und Vitamin D

Die Aufnahme von maximal 1000–1400 mg Calcium pro Tag über die Ernährung werden empfohlen. Eine intensive körperliche Aktivität dient nicht nur dem Wohlbefinden und dem Muskeltraining, sondern vor allem der Minimierung eines Sturzrisikos, muss aber risikobewusst und dem funktionellen Zustand angepasst werden. Sehr häufig besteht bei Frauen ein relativer Vitamin D-Mangel [5]. In der Nationalen Verzehrstudie II erreichten insgesamt 82 Prozent der Männer und 91 Prozent der Frauen die empfohlene tägliche Zufuhr von Vitamin D nicht [6]. Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer verminderten Aufnahme, Synthese und Wirkung des Vitamins D3. Eine Vitamin D-Aufnahme über größere Mengen fetten Seefischs ist oft nicht praktikabel; entweder ist eine ausreichende Bestrahlung mit Sonnenlicht (eine ½ Stunde Gesicht und Arme/Tag, Mai bis Oktober) oder eine Supplementierung empfehlenswert (800 i.E. – 2000 i.E. genuines Vitamin D [7]). Zu beachten ist dabei allerdings, dass eine Vitamin D- und Calcium-Supplementation außer bei nachgewiesenem Mangel keine Kassenleistung darstellt.

 

Medikamentöse Osteoporose-Therapien

Zur Prophylaxe ist als Medikament auch der selektive Östrogen Rezeptor Modulator Raloxifen zugelassen. Bei deutlich erhöhtem Bruchrisiko kann eine spezifische Medikation eine deutliche Reduktion der Brüche um 50 bis 80 Prozent bewirken. Bei identifizierten Risikopersonen ist die number needed to treat niedrig bei gutem Nebenwirkungsprofil der Medikamente.

Orale oder auch intravenöse Bisphosphonate stellen aktuell die Therapie der Wahl da. Für besonders schwere Fälle, Unverträglichkeiten von Bisphosphonaten oder bei einer besonderen Risikokonstellation wie beispielsweise einer Glukokortikoidtherapie, haben wir auch andere Therapiekonzepte wie das anabol wirkende Teriparatid oder den humanen RANKL-AK Denosumab zur Verfügung. Aktuell liegen von zwei weiteren innovativen anabolen, d.h. knochenstimulierenden Therapiekonzepten, die Phase 3-Studien bereits publiziert vor. Hier ist die Zulassung in Europa sicher für dieses oder nächstes Jahr in Planung. Dabei handelt es sich auf der einen Seite um das PTH-ähnliche Peptid Abaloparatid, das an den gleichen Rezeptor wie Teriparatid andockt, aber über eine andere Konformation wirkt. Interessanterweise sind die Daten dazu deutlich besser bezüglich Anstieg der Knochendichte [8] und auch der Fraktursenkung [9].

Das zweite Therapieprinzip ist ebenfalls ganz neu. Dabei handelt es sich um einen vollhumanen Antikörper gegen Sklerostin [10]. Sklerostin ist ein Protein, welches natürlicherweise im Organismus vorkommt und den Knochenaufbau inhibiert. Der Antikörper hemmt somit sozusagen den natürlich Hemmstoff und damit kann der Knochenanbau denn ungehemmt stattfinden. Die Effekte sind so stark, dass das Medikament, welches einmal im Monat gespritzt wird, nur für ein Jahr gegeben werden wird [11]. Der Zusatznutzen dieser Medikamente wurde in direktem Vergleich mit dem Standardmedikament nachgewiesen, somit hoffen Experten, diese Medikamente bald zur Verfügung zu haben.

Quelle:

Statement » Volkskrankheit Osteoporose: Therapie im Spannungsfeld von Lebensstiländerungen und innovativen Medikamenten « von Professor Dr. med. Heide Siggelkow, Mitglied im Vorstand der DGE, Ärztliche Leiterin MVZ Endokrinologikum Göttingen.


Literatur:

1. Hadji, P. et al., The epidemiology of osteoporosis–Bone Evaluation Study (BEST): an analysis of routine health insurance data. Dtsch Arztebl Int, 2013. 110(4): p. 52-7.

2. WHO, Assessment of fracture risk and its application to screening for postmenopausal osteoporosis. Report of a WHO Study Group. World Health Organ Tech Rep Ser, 1994. 843.

3. Cooper, C. et al., Population-based study of survival after osteoporotic fractures. Am J Epidemiol, 1993. 137(9): p. 1001-5.

4. Strom, O. et al., Osteoporosis: burden, health care provision and opportunities in the EU: a report prepared in collaboration with the International Osteoporosis Foundation (IOF) and the European Federation of Pharmaceutical Industry Associations (EFPIA). Arch Osteoporos, 2011. 6: p. 59-155.

5. Tsai, K.S. et al., Impaired vitamin D metabolism with aging in women. Possible role in pathogenesis of senile osteoporosis. J Clin Invest, 1984. 73(6): p. 1668-72.

6. Institut, M.R., Vitamin D, in Nationale Verzehrsstudie II, B.f.E.u.L. Max Rubner-Institut, Editor. 2008: Karlsruhe. p. 109-110.

7. Siggelkow, H., [Vitamin D and old age]. MMW Fortschr Med, 2007. 149(9): p. 36-7.

8. Leder, B.Z. et al., Effects of abaloparatide, a human parathyroid hormone-related peptide analog, on bone mineral density in postmenopausal women with osteoporosis. J Clin Endocrinol Metab, 2015. 100(2): p. 697-706.

9. Miller, P.D. et al., Effect of Abaloparatide vs Placebo on New Vertebral Fractures in Postmenopausal Women With Osteoporosis: A Randomized Clinical Trial. JAMA, 2016. 316(7): p. 722-33.

10. Liu, Y. et al., Romosozumab treatment in postmenopausal women with osteoporosis: a metaanalysis of randomized controlled trials. Climacteric, 2018: p. 1-7.

11. Langdahl, B.L. et al., Romosozumab (sclerostin monoclonal antibody) versus teriparatide in postmenopausal women with osteoporosis transitioning from oral bisphosphonate therapy: a randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet, 2017. 390(10102): p. 1585-1594.

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