Mittwoch, April 24, 2024

Neuropathische Schmerzen früh erkennen und effektiv behandeln

Neuropathische Schmerzen sind meist komplex und daher in vielen Fällen eine Herausforderung für das Erkennen und wirksame Behandeln.

Dadurch das neuropathische Schmerzen sehr komplex sind, kann man sie durch das häufig späte Erkennen oft nicht effektiv behandeln. Denn je früher man neuropathische Schmerzen mit einer adäquaten Therapie behandeln kann, desto größer ist die Aussicht auf Erfolg. Um das diagnostische und therapeutische Management neuropathischer Schmerzen insbesondere in der niedergelassenen Praxis zu unterstützen, stehen verschiedene Empfehlungen zur Verfügung. Beispielsweise gibt es in Österreich dazu ein praxisorientiertes Screening-Tool, welches eine rasche Diagnose erleichtert und einen kompakten Überblick über den Einsatz der verfügbaren Behandlungsoptionen gibt.



 

Sehr viele Menschen betroffen

Sieben bis zehn Prozent der europäischen Bevölkerung leiden an neuropathischen Schmerzen. Wobei diese meist als direkte Folge einer Verletzung oder Schädigung des peripheren und/oder des zentralen Nervensystems auftreten. Infolgedessen beschreiben sie die Patienten in der Regel als plötzlich einschießend, brennend, elektrisierend, stechend, kribbelnd oder bohrend.

Begleitend können Sensibilitätsstörungen wie eine Hypästhesie oder ein gesteigertes Schmerzempfinden wie eine Allodynie, eine Hyperalgesie etc. auftreten. In jedem Fall sind Neuropathien äußerst belastend und neigen dazu, chronisch zu werden. Vor allem dann, wenn man die neuropathischen Schmerzen nicht rasch und adäquat behandeln kann.

 

Wenn (auch) eine neuropathische Komponente vorliegt, ist die Diagnose der Schmerzen erheblich schwieriger.

Aufgrund seiner Komplexität stellen neuropathische Schmerzen Ärzte immer wieder vor eine Herausforderung und dementsprechend können sie viele Patienten oft lange nicht ausreichend behandeln. Und je länger neuropathische Schmerzen nicht adäquat behandelt werden, desto schlechter gestaltet sich die Lebensqualität der Patienten. In diesem Sinne schwindet auch die Aussicht auf eine erfolgreiche Therapie. Ein frühzeitiger Therapiebeginn ist also der Schlüssel für das erfolgreiche Behandeln von neuropathischen Schmerzen.

Um das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei peripheren neuropathischen Schmerzen zu unterstützen, gibt es für die tägliche Praxis einen einfach anwendbaren Algorithmus sowie konkrete Tipps zu hilfreichen Anamnese-Fragebögen. Von Bedeutung ist das Wissen um die lokalen und systemischen Behandlungsoptionen sowie um den Stellenwert der guten Kommunikation zwischen Arzt und Patient.



 

Neues Screening-Tool erleichtert Diagnostik

Wesentliches Ziel in der Diagnostik ist die Abgrenzung zu anderen chronischen Schmerzen, bei denen die neuronalen Strukturen intakt sind. Denn die Behandlung unterscheidet sich maßgeblich voneinander. Ein praktisches Screening-Tool kann diese Differenzierung wesentlich erleichtern. Kern ist ein Diagnose-Algorithmus, der auf Basis der Leitsymptome das zielgerichtete Vorgehen Schritt für Schritt optisch und gut nachvollziehbar beschreibt. Den Beginn stellt eine ausführliche Befragung des Patienten dar, die mithilfe einfacher validierter Tests (z.B. der DN4-Fragebogen) die Arbeitshypothese neuropathischer Schmerz möglich macht.

Bei Neuropathien ist eine gute anamnestische Abklärung gleichbedeutend mit den nachfolgenden klinischen Untersuchungen. Der Nachweis einer Nervenläsion gelingt durch sensorische und körperliche Untersuchungen. Wen positive und negative sensorische Symptome und/oder weitere Anhaltspunkte für das Vorliegen einer neuropathischen Schmerzkomponente durch Bestätigung der Läsionen oder Erkrankung vorliegen, dann ist der neuropathische Schmerz wahrscheinlich oder gesichert. Damit kann eine adäquate Therapie eingeleitet werden.

 

Topisch behandeln erste Wahl bei lokalisierten neuropathischen Schmerzen

Ziel beim Behandeln von neuropathischen Schmerzen ist es, eine Schmerzreduktion von zumindest 30 Prozent zu erreichen. Dazu gilt es die Schlaf- und Lebensqualität sowie die Funktionalität der Patienten zu verbessern und die sozialen Aktivitäten sowie die Arbeitsfähigkeit zu erhalten. All dies muss der Arzt mit dem Patienten vorab besprechen und als individuelles Therapieziel definieren. Nur dann kann man zu hohe Erwartungen an die Behandlung verhindern und eine langfristige Adhärenz gewährleisten.

In der medikamentösen Versorgung stehen zahlreiche Arzneimittel zur Verfügung. Sowohl topische als auch systemische Therapien kommen zum Einsatz, wobei auch Substanzen aus beiden Anwendungsbereichen kombiniert werden können. Beispielsweise kann man das kutane Pflaster mit dem Wirkstoff Capsaicin 179 mg (8%) bei lokalisierten neuropathischen Schmerzen auch primär einsetzen. Aufgrund des geringen Risikos für systemische Nebenwirkungen und Medikamentenwechselwirkungen ist diese Behandlung vor allem bei älteren Patienten, multimorbiden Personen und Menschen unter Polymedikation oder mit eingeschränkter Organfunktion interessant.




Literatur:

OÄ Dr. Gabriele Graggober, Prim. Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff, Prim. o.Univ.-Prof. DDr. Hans-Georg Kress, Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, MSc, Ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Löscher, Assoc.-Prof. PD Dr. Eva Katharina Masel, MSc, Prim. Priv.-Doz. Dr. Nenad Mitrovic, OÄ Dr. Sylvia Reichl, Ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Sator-Katzenschlager, OÄ Dr. Waltraud Stromer, Prim. Univ.-Doz. Dr. Raffi Topakian: Chronische periphere neuropathische Schmerzen: Diagnose und Therapie in der Praxis. Schmerznachrichten 1d/2020

van Hecke O, Austin SK, Khan RA, Smith BH, Torrance N. Neuropathic pain in the general population: a systematic review of epidemiological studies. Pain. 2014 Apr;155(4):654-62. doi: 10.1016/j.pain.2013.11.013. Epub 2013 Nov 26. Erratum in: Pain. 2014 Sep;155(9):1907. PMID: 24291734.

Schlereth T. et al. Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen, S2k-Leitlinie für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 2019, S.91, Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.)


Quelle: Österreichische Schmerzgesellschaft

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