Donnerstag, März 28, 2024

Neue Internationale Richtlinie zur Tuberkulose-Behandlung

Diue neue Internationale Richtlinie zur Tuberkulose-Behandlung und ein neues Tuberkulosegesetz tragen zur verbesserten Bekämpfung von Tuberkulose bei.

Tuberkulose ist eine der häufigsten und auch gefährlichsten Infektionserkrankungen, an der laut Weltgesundheitsorganisation weltweit jährlich über 10 Mio. Menschen erkranken und rund 1,8 Mio. sterben. Um daran zu erinnern, welche Bedrohung diese Erkrankung darstellt, findet jährlich am 24. März der Welttuberkulosetag statt. Die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) nahm den bevorstehenden Welttuberkulosetag zum Anlass, die Situation der Tuberkulose in Österreich – der Tuberkulose-Behandlung und dem neuen Tuberkulosegesetz – näher zu beleuchten.

Neue internationale Leitlinie zur Tuberkulose-Behandlung

OA Dr. Rudolf Rumetshofer, Leiter der Tuberkulosestation Severin im Otto Wagner Spital der Stadt Wien, stellte die wichtigsten Punkte der neuen Therapie-Leitlinie vor, die von mehreren deutschen Fachgesellschaften unter Mitwirkung der ÖGP entstanden ist und alle Aspekte der Erkrankung berücksichtige, so Rumetshofer. „In der Standardtherapie ist weiterhin eine zumindest sechsmonatige Kombinationstherapie mit vier Medikamenten erforderlich. Bei Resistenzen gegenüber einem der vier Medikamente oder Unverträglichkeiten verlängert sich die Therapiedauer auf zumindest 9 bis 12 Monate. Besteht eine Medikamentenresistenz gegen die Standardmedikamente muss auf eine Kombination mit Reservemedikamenten zurückgegriffen werden und die Therapiedauer verlängert sich auf zumindest 18 Monate. Mit diesen Fällen sind unbedingt nur spezialisierte Zentren zu befassen.“ Rumetshofer betonte auch die Wichtigkeit des Versorgungsaspektes der Patienten, denn die medikamentöse Tuberkulose-Behandlung sei nicht ausschließlich für den Therapieerfolg entscheidend: „Empfehlungen zur stationären Behandlung und zur Therapieüberwachung im ambulanten Bereich sind ein wichtiges Hilfsmittel zur Therapieplanung.“ Man kann sich vorstellen, was es für einen Menschen bedeutet, wenn er im Falle einer offenen Tuberkulose wochen- oder gar monatelang in einem Isolationszimmer leben muss, und Kontakt zu Angehörigen ist nur mit Schutzmasken möglich ist. Rumetshofer: „Man kann schwer ermessen, welch psychische Belastung das für Betroffene darstellt. Ganz besonders, wenn es sich um Flüchtlinge handelt, die ohnedies traumatisiert sind und nun in einem ihnen unbekannten Land in einem Isolationszimmer verbleiben müssen. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass vor allem die gute Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen im stationären und ambulanten Bereich dazu beiträgt, dass Patientinnen und Patienten ihre Therapie erfolgreich beenden können.“

Das neue Tuberkulosegesetz

Mag.a Martina Brix, stellvertretende Abteilungsleiterin der Abteilung III/4 der Sektion III – Öffentliche Gesundheit und medizinische Angelegenheiten des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen, stellte die wichtigsten, für die Praxis relevanten Änderungen im Tuberkulosegesetz vor: „Das Tuberkulosegesetz wurde 1968 erlassen. Größere Änderungen erfolgten zuletzt 1992/93, daher bedurfte das Gesetz einer weiteren Anpassung an die geänderten epidemiologischen Voraussetzungen und Adaptierungen im Zusammenhang mit menschenrechtlichen Standards, wie zum Beispiel die Bewegungsfreiheit.“ Die Anhaltung von Personen mit offener Tuberkulose wird genau geregelt, damit einerseits eine Gesundheitsgefährdung der Allgemeinheit ausgeschlossen werden kann und andererseits die Grundrechte der Person gewahrt und die Bewegungseinschränkung (Anhaltung in spezialisierten Krankenanstalt) nur im unbedingt erforderlichen Maß vorgenommen wird. Brix: „Der ärztliche Leiter der Krankenanstalt und die Bezirksverwaltungsbehörde haben sicherzustellen, dass die Persönlichkeitsrechte der angehaltenen Person in einem möglichst geringen Ausmaß beschränkt werden und diese über das Stadium der Erkrankung sowie über ihre Rechte in einer ihr verständlichen Sprache aufgeklärt wird. In der Praxis kann dies unter anderem unter Einbeziehung von Dolmetschern und Gebärdensprachdolmetschern sowie modernen Medien, wie z.B. Online-Videodolmetsch, erfolgen.“

Auch die Belehrungspflicht ist ein wichtiges Thema. Brix: „Die Bezirksverwaltungsbehörde muss jetzt frühestmöglich an Tuberkulose erkrankte Personen und Krankheitsverdächtige auch über die Rechtsfolgen aufklären, die bei einer Verletzung der Pflichten auf sie zukommen und zwar in einer für sie verständlichen Sprache. Dadurch soll der Umgang mit uneinsichtigen und behandlungsunwilligen Personen verbessert werden. So kann nun bereits ein Krankheitsverdächtiger, der sich der endgültigen Abklärung entzieht, in einer zur Behandlung von Tuberkulose eingerichteten Krankenanstalt angehalten werden. Auch muss bei Nichterfüllung der Pflichten von an Tuberkulose Erkrankten und Krankheitsverdächtigen mit einer höheren Geldstrafe, nämlich bis zu 5.000 Euro bzw. 10.000 Euro im Wiederholungsfall, gerechnet werden.“

Brix betonte abschließend, dass diese Modernisierungen und Anpassungen des Tuberkulosegesetzes primär auf den Schutz der Bevölkerung abzielen, aber auch zur weltweiten Elimination von Tuberkulose beitragen.

Geringe Zunahme der erfassten Tuberkulose-Fälle

Über die Situation in Österreich berichtete PD. Dr. Mag. Alexander Indra, Institutsleiter des AGES-Instituts für medizinische Mikrobiologie und Hygiene: „In Österreich ist die Anzahl an jährlichen Neuerkrankungen von 1.007 Fällen im Jahr 2005 auf 583 im Jahr 2015 gesunken, den niedrigsten jemals für Österreich erfassten Wert. Die Meldedaten 2016 zeigten einen  Anstieg auf insgesamt 644 Fälle für das vergangene Jahr. Diese Tatsache wird unter anderem durch die erhöhte Migrationsbewegung, teilweise aus TB-Hochinzidenzländern, der vergangenen 2 Jahre beeinflusst. Die Häufigkeit der Tuberkulose in Österreich bleibt mit 7,3/100.000 Einwohnern niedrig (2015: 6,7/100.000 Einwohnern). In Österreich haben wir ein sehr engmaschiges Überwachungsnetz, mit dem Tuberkulosefälle schnell entdeckt werden. In Österreich beinhaltet die verpflichtende medizinische Erstuntersuchung für Asylwerber auch die aktive Abklärung hinsichtlich einer möglichen Tuberkuloseerkrankung.“

Im Jahr 2016 wurden 14 Fälle von multiresistenter Tuberkulose diagnostiziert (2015: 11 Fälle) und zwei Fälle von extrem-resistenter Tuberkulose (2015: 1 Fall).

Tuberkulose – ein weltweites Problem

Prim. Univ.-Prof. Dr. Meinhard Kneussl, Vorstand der 2. Medizinischen Abteilung mit Pneumologie, Wilhelminenspital Wien, Medizinische Universität Wien und Präsident der ÖGP, betonte, wie wichtig ein gezieltes Vorgehen gegen Tuberkulose ist – weltweit. „Dank moderner Diagnoseverfahren und Therapien konnten geschätzte 49 Millionen Menschenleben in den Jahren zwischen 2000 und 2015 gerettet werden.“ Tuberkulose sei zwar eine heilbare Infektionskrankheit, die Gefahr bestehe jedoch darin, dass Therapiefehler die Entwicklung resistenter Tuberkulosebakterien begünstigen. Schlecht oder unzureichend behandelte Tuberkulosepatienten stellten eine Gefahr für alle Menschen dar, mit denen sie in Kontakt kommen.

Kneussl betonte auch die Rolle der Lungenfachärzte, da die Tuberkulose-Behandlung in Österreich überwiegend von Lungenfachärzten durchgeführt wird. Dennoch seien fächerübergreifender Austausch und Zusammenarbeit gerade bei der Tuberkulose-Behandlung von größter Wichtigkeit: Kneussl: „Da Tuberkulose nicht nur in der Lunge, sondern in allen Organen vorkommen kann, arbeiten wir mit den verschiedensten Fachgruppen intensiv zusammen und pflegen diesbezüglich auch bei Fortbildungsveranstaltungen einen regen Austausch. Aus Sicht der ÖGP ist dies besonders wichtig, da durch das über die letzten Jahre hinweg immer seltenere Auftreten der Erkrankung die Expertise bei immer weniger Spezialisten konzentriert ist.“

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