Freitag, März 29, 2024

Schon die Neandertaler waren mit dem HPV 16 infiziert

Die Neandertaler hatten bereits virale Urahnen von HPV 16, während zur gleichen Zeit HPV-Vorläufer der Varianten B und C noch in Afrika zirkulierten.

Im Rahmen von Infektionen mit Humanen Papillomaviren (HPV) kann es zur Entstehung von primär benignen Tumoren kommen, die sich als Warzen, spitze Kondylome und palmoplantare Zysten manifestieren. Bei bestimmten HPV Subtypen gehen die virusinduzierten Dysplasien allerdings mit der Möglichkeit zur malignen Progression einher. Unter dem Einfluss viraler Onkogene können dabei schrittweise intraepitheliale Neoplasien z.B. an der Cervix uteri, der Vagina oder Vulva, am Penis oder in der Analregion entstehen. Da die verschiedenen HPV Subtypen im Hinblick auf ihr onkogenes Potential variieren, wurden sie in die Gruppen „low risk“ und „high risk“ eingeteilt. Der HPV-Subtyp 16 führt am häufigsten zur Karzinomentstehung. Wobei mathematische Berechnungsmodelle ergaben, dass die Neandertaler die HPV 16-A-Variante auf den Homo sapiens übertragen hat.

 

HPV-Subtyp 16 führt am häufigsten zur Karzinomentstehung

Wenn man die Prävalenz der verschiedenen „high risk“ Viren bei Karzinomen allerdings genauer betrachtet, zeigt sich, dass der HPV-Subtyp 16 zwar am häufigsten zur Karzinomentstehung führt. Allerdings gibt es innerhalb dieses Subtyps mehrere genetische Varianten. Und zwar unterscheiden sich die im Hinblick auf ihre Pathogenität (krankmachende Fähigkeit) und ihr onkogenes Potential. Die Frage, woher diese Variabilität innerhalb des HPV 16 Subtyps kommt, ist nicht gänzlich geklärt.

 

Pathogenität genetisch festgelegt

Grundsätzlich wird die Pathogenität eines Erregers im Rahmen der Evolution genetisch festgelegt. HPV sind DNA-Viren, die die Fähigkeit besitzen, in Basalzellen der Haut persistierende Infektionen zu verursachen, wobei ihr Replikationszyklus eng an Differenzierungsprozesse dieser Zellen gekoppelt ist. Dadurch und da sie im Rahmen ihrer Entwicklung Evasionsmechanismen gegen die Immunantwort des Wirts entwickeln mussten, ist ihre Evolution eng an den Menschen angepasst. Die heutigen genetischen Unterschiede zwischen HPVStämmen, sowie ihre unterschiedliche Pathogenität sind also nicht einseitig, sondern im Rahmen der Koevolution von Mensch und Virus entstanden.

 

Mathematische Berechnungsmodelle helfen bei der Untersuchung der viralen Sequenzunterschiede sowie der derzeitige regionale HPV-Verbreitung

Eine vor wenigen Jahren publizierte Studie (Pimenoff VN et al., Mol Biol Evol 2017, 34:4-19) lieferte diesbezüglich hochinteressante Ergebnisse. Im Rahmen der Studie haben die Forscher über 1700 HPV 16 Isolate, die aus unterschiedlichen Regionen der Welt stammten, genetisch untersucht.

Dabei hat man mathematische Berechnungsmodelle angewendet. Diese sollten klären, wie die heute bestehenden viralen Sequenzunterschiede und die derzeitige regionale Verbreitung zustande gekommen sind. Und zwar entweder durch eine schrittweise Veränderung von HPV 16 während der Migration von Homo sapiens aus Afrika über die Kontinente. Oder durch eine Durchmischung von HPV 16 Stämmen von anderen archaischen Menschenarten, die diese Regionen bereits bewohnten.

Möglich werden solche Berechnungen durch die Tatsache, dass bleibende Mutationen in der HPV DNA mit einer relativ konstanten Geschwindigkeit auftreten. Diese Geschwindigkeit kann mit zeitlichen Veränderungen im Genom von menschlichen Subpopulationen verglichen werden kann, wobei ein weiterer Bezugspunkt des Berechnungsmodelles die regionale und zeitliche Ausbreitung des Homo sapiens darstellt. Erste Ergebnisse dieser Analysen zeigten, dass die heutige Verbreitung von bestimmte HPV Varianten sehr stark variiert und dabei streng unterteilt ist.

 

HPV 16 Varianten in Europa, Afrika und Nordamerika

Die HPV 16 Varianten A 1-3 kommen heute fast ausschließlich in Europa, aber nicht in den Sub-Sahararegionen Afrikas vor. Dort dominieren hingegen die Varianten B und C. Die Variante A4 findet sich vorwiegend in Nordamerika.

Bei der Analyse wie es zu dieser regionalen Diversität kam, konnten die Studienautoren errechnen, dass maximal 30% des Unterschieds durch die gemeinsame Migration und Verbreitung von Homo sapiens und HPV in Europa zustande gekommen sein konnte.

Außerdem zeigten die Analysen, dass die heutige Variante A genetisch so stark von den Varianten B und C abweicht, dass der Zeitraum von 90.000 Jahren, der seit der Auswanderung des Homo sapiens aus Afrika vergangen ist, für die genetische Diversifizierung nicht ausgereicht hätte.

 

Neandertaler haben ihre HPV 16-A-Variante auf den Homo sapiens übertragen

Aufgrund der Größe des genetischen Unterschiedes muss der letzte gemeinsame virale Urahn dieser Varianten viel älter (ca. 500.000 Jahre) gewesen sein. Letztlich lassen diese Berechnungen nur eine Erklärung zu. Und zwar dass HPV bereits frühe archaische Menschenarten (Homo erectus) infizierten. Und infolge spalteten sie sich mit den daraus entstandenen Arten ab. Virale Urahnen von HPV 16A entwickelten sich mit den Neandertalern (und wären wohl mit diesen ausgestorben), während Vorläufer der Varianten B und C noch in Afrika zirkulierten.

Durch die Einwanderung von Homo sapiens nach Europa kam es allerdings zum Kontakt mit Neandertalern und deren HPV 16A Variante. Diese wurden dann durch Geschlechtsverkehr zwischen Nachfahren der beiden Menschenarten nun erstmals auf Homo sapiens übertragen.

Nach dem Aussterben der Neandertaler verbreiteten (und entwickelten) sich die ehemaligen Neandertaler HPV-Varianten dann mit Homo sapiens weiter. Diese Hypothese passt ausgezeichnet zu den Ergebnissen der Humangenomstudien der letzten Jahre. Wobei diese zeigen, dass 2 bis 4% des Genoms von eurasischen Menschen ihren Ursprung im Erbgut von Neandertalern bzw. Denisova-Menschen haben.

 

Aus Neandertaler-Funden konnte man kein HPV-Genom isolieren

Bei den archaischen Genabschnitten der Neandertaler handelt es sich nämlich zu einem beträchtlichen Teil um Gene des natürlichen Immunsystems. Sowie des Differenzierungsprogrammes von Hautzellen. Also um Funktionen, die für die Replikation von HPV essentiell sind und die Virus- Wirtinteraktion stark beeinflussen. Die Spekulation ist somit erlaubt, dass dies einen weiteren Hinweis für die Koevolution des Menschen mit HPV darstellen könnte.

Allerdings handelt es sich bei den genannten Studienergebnissen lediglich um Berechnungen auf Basis von Sequenzanalysen heute zirkulierender Virusstämme. Denn aus archäologischen Knochenfunden konnte man kein HPV-Genom isolieren. Fraglich ist, ob der späte Wirtswechsel von HPV 16 Neandertaler-Varianten das onkogene Potential beim Homo sapiens beeinflusste. Diesbezüglich müssen zukünftige Studienergebnisse abgewartet werden.


logo-virusepidemiologische-informationenQuelle:

VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR. 16/19-8. Prof. Dr. Lukas Weseslindtner. Department für Virologie der Med. Universität Wien.

http://www.virologie.meduniwien.ac.at/home/upload/vei/2016/1516.pdf

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