Donnerstag, April 25, 2024

Lungenembolie – Klinik, Ursachen, Symptome und Therapie

Trotz zahlreicher ­Errungenschaften sind die Möglichkeiten der Diagnose beziehungsweise des Ausschlusses ­einer Lungenembolie ­nicht befriedigend.

Trotz der bereits 1846 von Rudolf Virchow beschriebenen und bis heute gül­tigen Pathomechanismen der venösen Thromboembolie, gilt die Lungenembolie mit einer Mortalitätsrate von 30% bis 50% als die nach wie vor häufigste prämortale Fehldiagnose im Sinne des Nichterkennens.

Durch Einschwemmung eines Thrombus (Embolus) kommt es zum Verschluss der arteriellen Lungenstrombahn und in der Folge sowohl zu Perfusions- als auch zu Ventilationsstörungen der Lunge. Diese Komplikation tritt besonders in der Frühphase einer Thrombose auf. Im weiteren Krankheitsverlauf sinkt das Risiko. Zumeist geht der Lungenembolie eine Thrombose voraus – zu 95% eine Phlebo­thrombose.

Durch Luft, Fett oder Gewebeteile verursachte Embolien sind weitaus seltener. Betrifft die entstandene Lungengefäßobstruktion mehr als 50% des zu versorgenden Areals, ist mit Komplikationen zu rechnen.

Eine Lungenembolie ist in der aktuelle Corona-Pandemie häufige Todesursache bei Patienten mit der Coronavirus-Erkrankung Covid-19. Bei sehr vielen Erkrankten kommt es zu Thrombosen und letztlich zu tödlichen Lungenembolien.

 

Erworbene und angeborene Risikofaktoren

An kongenitale prothrombotische Koagulopathien muss bei jungen Patienten oder bei gehäuftem familiären Auftreten gedacht werden. Zu den erworbenen Risikofaktoren zählen chirurgische Eingriffe, Adipositas, länger andauernde Immobilität, orale Kontrazeptiva (besonders in Kombination mit Nikotinabusus), Neoplasmen, die Postpartalperiode, rezent durchgemachte Schlaganfälle, eine Schwangerschaft im dritten Trimenon, Traumata (speziell Bein- und Beckenfrakturen), Venenstase (Economy Class Syndrom), Vollnarkosen über 30 Minuten, das zunehmende Lebensalter sowie das weibliche Geschlecht.


Oft gestellte Fragen aus dem Praxisalltag

Kann bei für eine Lungenembolie typischen Beschwerden und Risikosituationen auf eine weitere Abklärung verzichtet werden?

Eine Reihe von Erkrankungen kann sich ähnlich manifestieren. Eine für Lungenembolien typische Konstellation von Symptomen und Zeichen, die genügend spezifisch wären um ohne weitere Zusatzuntersuchungen die Behandlung mit Antikoagulation zu erlauben, gibt es nicht. Das Gleiche gilt für Patienten mit anamnestischen Risikofaktoren. Körperstatus, EKG und Thoraxbild geben wichtige Hinweise auf die Differentialdiagnosen, die die Symptomatik erklären könnten. Auf eine eingehende körperliche Untersuchung kann allerdings verzichtet werden, sofern direkt zu einer Methode mit hoher Sensitivität und Spezifität geschritten wird.

 

Schließen normale arterielle Blutgasanalysewerte eine Lungenembolie aus?

Bei einem Drittel der Patienten mit Lungenembolien, aber ohne kardiopulmonale Vorerkrankungen finden sich normale arterielle Blutgase. Normale Blutgaswerte schließen somit eine Lungenembolie nicht aus, wohingegen Hypoxämie und Hypokapnie den Verdacht auf eine Lungenembolie lenken.

 

Kann bei einer ohnedies gegebenen Indikation zur oralen Antikoagulation auf die Lungenembolie-Diagnostik verzichtet werden?

Besteht bei einem Patienten bereits eine orale Dauerantikoagulation, könnte theoretisch bei klinischem Verdacht auf eine Lungenembolie auf weitere diagnostische Schritte verzichtet werden. Sollte aber die Situation eintreten, dass sich die orale Antikoagulation als schwer einstellbar erweist, oder eine Blutungskomplikation auftritt, die eine orale Antikoagulation bei z.B. Vorhofflimmern nicht mehr rechtfertigt, so wäre die Antikoagulation trotz Komplikation im Falle einer Lungenembolie beizubehalten. In der Regel sollte deshalb die Lungenembolie zuverlässig nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.

 

Bei weniger als der Hälfte der Patienten verläuft die meist zugrunde liegende Phlebothrombose klinisch manifest

Symptome wie Angstgefühl, akute Dyspnoe, Husten, Hyperventilation, Oppressionsgefühl, beschleunigter Puls, Rasselgeräusche, Rippenfellschmerzen, Schweißausbrüche, Tachykardie, Temperaturanstieg und Zyanose können in nahezu beliebiger Kombination und Ausprägung des Schweregrades auftreten. Die Erscheinungsbilder reichen vom klinisch stummen Verlauf über leichte Dyspnoe und Synkope bis zum plötzlichen Herztod. Trotz aller technischen Errungenschaften sind die Möglichkeiten der Diagnose, bzw. des Ausschlusses einer Lungenembolie bis heute unbefriedigend. Da mehr als 95% der zu einer Lungenembolie führenden Thromben aus den Popliteal- und mehr proximal gelegenen Venen der unteren Extremitäten stammen, ist die Diagnose einer tiefen Beinvenenthrombose mit den klinischen Zeichen einer Lungenembolie ausreichend, um sofort eine definitive Therapie einzuleiten! Vorsicht: Die typischen Symptome der tiefen Beinvenenthrombose (Schwellung, Verfärbung und Schmerzen) können vollends fehlen!

 

Diagnostik

Die vorhandenen diagnostischen Mittel müssen zur Untermauerung des klinischen Bildes in Kombination eingesetzt werden.

Ein Plasma-D-Dimer < 500µg macht ­eine Lungenembolie unwahrscheinlich; ein Plasma-D-Dimer > 500µg kann hingegen andere Gründe haben.

EKG und Thoraxröntgen eignen sich mehr zum Ausschluss anderer Ursachen, als zur Diagnostik der Lungenembolie.

Die gebräuchlichste Technik der letzten Jahre, die Ventilations-Perfusions-Szintigraphie, wird aktuell durch das Spiral-CT/virtuelle Angiographie ersetzt.

Die Magnetresonanz­tomographie bietet die Möglichkeit zur Diagnostik, ist jedoch stark von der Qualität des zur Verfügung stehenden Gerätes abhängig. Über den zukünftigen Stellenwert der funktionellen Radiologie kann derzeit nur spekuliert werden.

Die Doppler/Duplexuntersuchung der Beinvenen ist das wichtigste Instrument zur Abklärung der möglichen Ursache einer Lungenembolie.

Als hoch ist die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer akuten Lungenembolie einzustufen, wenn es bei bestehenden Risikofaktoren zum Auftreten von Dyspnoe, Tachypnoe, Pleuraschmerz und ungeklärten Veränderung im Lungenröntgen und der Blutgasanalyse kommt.

Sehr wesentlich bei der Diagnostik der Lungenembolie ist die Einbeziehung von differentialdiagnostischen Überlegungen. Die für die Lungenembolie typischen Symptome, wie Dyspnoe, unklarer Schock, Synkopen, Tachykardie und akuter Thoraxschmerz, können auch Teil anderer Pathophysiologien sein.

 

Die massive Lungenembolie weist eine hohe Letalität auf

Ursächlich sind die pulmonale Hypertonie und das akute Cor pulmonale für den fatalen Verlauf verantwortlich. Der durch die verminderte Auswurfleistung des rechten Herzens reduzierte Blutstrom zum linken Ventrikel bedingt eine Hypotonie im systemischen Kreislauf bis hin zum kardiogenen Schock. Verschließt der Embolus den zentralen Abschnitt der Lungenstrombahn, kommt es zum Zusammenbruch des Lungenkreislaufes. Bei 25% aller Lungenembolien entwickelt sich in den darauffolgenden 12 bis 24 Stunden ein Lungeninfarkt. Durch die Gefäßpermeabilitätserhöhung entsteht ein lokales, eiweißreiches Ödem und bei der dabei ent­stehenden kritischen Unterver­sorgung kann es folglich zur Nekrosebildung und somit zum Lungeninfarkt kommen. Prognose In der kritischen Zeit der Akutphase beträgt die Letalität 20 bis 40%. Die weitere Prognose ist abhängig vom Ausmaß der Obstruktion, bzw. von den eingetretenen Komplikationen und der Anzahl der Rezidive. Lungenembolien, die ohne pulmonale Hypertension verlaufen, haben eine wesentlich bessere Langzeitprognose, wobei hier, bedingt durch die Rezidivneigung von 30 bis 50%, der Rezidivprophylaxe eine große Wichtigkeit zukommt.

 

Therapieziel ist die Behandlung der akuten Lungenembolie und die Verhinderung eines weiteren Blutgerinnsels

Je rascher die Behandlung einsetzt, umso besser ist die Prognose. Ziel ist es, durch entsprechende Diagnostik und Therapie die hohe Letalität in Richtung 10% zu senken. Auch sogenannte Signalembolien bedürfen einer Überwachung, da es in 60% der Fälle zu schweren Folgeembolien kommen kann. Bereits bei Verdacht auf eine Lungenembolie sind eine stationäre Überwachung und Bett­ruhe angezeigt.

Als allgemeine Richtlinie gilt die Ruhigstellung der Patienten, eine Schmerzbehandlung (nicht-steroidale Antiphlogistika, gegebenenfalls Morphinpräparate) und die Sauerstoffgabe. Bei Schocksymptomatik kommen zusätzlich kreislaufwirksame Medikamente zum Einsatz. Der klinische Schweregrad entscheidet über das weitere Vorgehen.


Literatur:

Essien EO, Rali P, Mathai SC. Pulmonary Embolism. Med Clin North Am. 2019;103(3):549-564. doi:10.1016/j.mcna.2018.12.013

Damilola Ashorobi; Roberto Fernandez. Thrombosis. StatPearls [Internet]. Last Update: May 6, 2019.

Di Nisio M, van Es N, Büller HR. Deep vein thrombosis and pulmonary embolism. Lancet. 2016;388(10063):3060-3073. doi:10.1016/S0140-6736(16)30514-1

Parsi K, van Rij AM, Meissner MH, et al. Triage of patients with venous and lymphatic diseases during the COVID-19 pandemic – The Venous and Lymphatic Triage and Acuity Scale (VELTAS). A consensus document of the International Union of Phlebology (UIP), Australasian College of Phlebology (ACP), American Vein and Lymphatic Society (AVLS), American Venous Forum (AVF), European College of Phlebology (ECoP), European Venous Forum (EVF), Interventional Radiology Society of Australasia (IRSA), Latin American Venous Forum, Pan-American Society of Phlebology and Lymphology and the Venous Association of India (VAI) This consensus document has been co-published in Phlebology [DOI: 10.1177/0268355520930884 ] and Journal of Vascular Surgery: Venous and Lymphatic Disorders [DOI: 10.1016/j.jvsv.2020.05.002 ]. The publications are identical except for minor stylistic and spelling differences in keeping with each journal’s style. The contribution has been published under a Attribution-Non Commercial-No Derivatives 4.0 International (CC BY-NC-ND 4.0), ( https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ ) [published online ahead of print, 2020 Jul 8]. Phlebology. 2020;268355520930884. doi:10.1177/0268355520930884


Quelle: Lungenembolie – Klinik und Therapie  Dr. Peter Traxler und Prof. Helene Breitschopf. MEDMIX 6/2006

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