Donnerstag, März 28, 2024

Kein Zusammenhang: Gehirnerschütterungen und Alzheimer-Demenz als Folge

Neue Studien finden keine Hinweise darauf, dass eine Alzheimer-Demenz Folge einer früheren Gehirnerschütterung sein könnte.

Schwere Gehirnverletzungen können anscheinend auch eine Alzheimer Erkrankung verursachen, wurde lange Zeit vermutet. Ein Vorläufer des Eiweißstoffes Betaamyloid, der bei der Alzheimer-Demenz auffällig wird, das Amyloid-Vorläuferprotein, wird als Anzeichen für Verletzungen im Nervengewebe bei Gehirnverletzungen genutzt. Aber kann deswegen eine Alzheimer-Demenz Folge einer Gehirnerschütterung sein, selbst wenn sie massiv war?

Traumatische Gehirnverletzungen schränken Denkleistung ein

Sogenannte traumatische Gehirnverletzungen sind häufiger, als man allgemein denkt. Im dramatischsten Fall betrifft es das Opfer eines Autounfalls oder den Soldaten durch eine Explosion in nächster Nähe. Aber auch der Sturz mit dem Fahrrad oder der Ballsportunfall können zu leichten oder stärkeren Erschütterungen des Gehirns führen. Das Zentrum für Kontrolle und Prävention von Erkrankungen in den USA berichtete, dass dort im Jahr 2013 2,5 Millionen Notfallaufnahmen und 282000 Krankenhausaufenthalte aufgrund von Verletzungen des Gehirns zusammenkamen.

Eine 2016 im medizinischen Fachjournal Journal of Head Trauma Rehabilitation erschienene Studie (Whiteneck und Kollegen) fand, dass über 40 % der Studienteilnehmer im Laufe des Lebens mindestens eine Gehirnerschütterung oder schwerere Form der Gehirnverletzung erlitten hatten. Solche Verletzungen bleiben nicht ohne Folgen. Zusätzlich zu kurzfristigen Einschränkungen der Denkleistung ist diese bei 65 % der Patienten mit moderat bis schweren Gehirnverletzungen auch langfristig geschädigt.

 

Risiko für Alzheimer-Demenz neu beleuchtet

Bisherige Studien dazu basierten häufig auf Patientenberichten zu früheren Gehirnverletzungen – aber wie verlässlich ist ein solcher Bericht, wenn der Patient bereits unter einer Alzheimerdemenz leidet? Zudem wurden Zusammenhänge zwischen Gehirnschädigungen und Alzheimer-Demenz häufig nicht auf der Basis einer eindeutigen Alzheimerdiagnose ermittelt. Eine solche braucht nämlich bisher verschiedene bildgebende Verfahren oder spezielle Verfahren zur Analyse des Gehirns nach dem Tod des Patienten.

In zwei Studien wurde inzwischen jedoch das Risiko für eine Alzheimer-Demenz neu beleuchtet. Crane und Kollegen berichteten von Patienten, die auf der Basis einer unfallbedingten Gehirnschädigung mit mindestens einer 1-stündigen Bewusstlosigkeit ermittelt wurden. Der Bericht über das Gehirntrauma erfolgte bevor Anzeichen einer Demenz diagnostiziert worden waren.

Metaanalyse zu Gehirnerschütterung mit Bewusstseinsverlust und Alzheimer-Demenz als schwere späte Folge

Die Metaanalyse fasste die Daten von drei Studien zusammen, die die Gehirne verstorbener Teilnehmer untersucht hatten. Von 7130 Teilnehmern wurden 1589 Gehirne zwischen 1994 und 2014 untersucht. Die Forscher fanden kein Hinweis, dass eine frühere Gehirnerschütterung mit Bewusstseinsverlust mit einer Alzheimer-Demenz oder Anzeichen dafür einherging. Allerdings zeigten Gehirne, die früher Verletzungen erlitten hatten, häufiger Anzeichen für die spezielle Lewybody-Demenz oder die Parkinson-Erkrankung.

In einer zweiten Studie berichteten Dr. Weiner und Kollegen 2017 über ihre Analyse medizinischer Daten von US-Kriegsveteranen. Dazu untersuchten sie ehemalige, im Vietnam aktive Veteranen mit oder ohne leichten Beeinträchtigungen der Denkleistung. Die Teilnehmer hatten mindestens eine traumatische Gehirnverletzung erlitten und zum Teil zusätzlich eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).

Die Teilnehmer wurden klinisch und mittels bildgebender Verfahren untersucht, um die Gehirnstruktur und eventuelle Ablagerungen von Betaamyloid festzustellen. Die Forscher fanden, dass die Denkleistung bei den Patienten mit PTBS oder einer Kombination von PTBS und Gehirnverletzung stärker beeinträchtigt war als bei Veteranen, die nichts Derartiges erlitten hatten. Vermutete Zusammenhänge zwischen Gehirnverletzungen (oder PTBS) und Alzheimer typischen Ablagerungen von Betaamyloid bestätigten sich aber nicht. Die Teilnehmer werden nun auch weiterhin beobachtet und langfristig auf Anzeichen für eine Alzheimerdemenz untersucht, um zusätzliche Information zu möglichen Risiken zu erhalten.

Kein höheres Risiko für Alzheimer-Demenz, möglicherweise aber für Parkinson

Diese Studien zeigten damit, dass Gehirnverletzungen oder Gehirnerschütterungen vermutlich nicht das Risiko für eine spätere Alzheimerdemenz erhöhen. Allerdings ist klar, dass eine Gehirnerschütterung oder massivere Verletzung langfristig Folgen für die geistige Gesundheit eines Patienten hat und möglichst vermieden werden muss.

Eine solche Schädigung des Gehirns –  möglicherweise je nach Schwere der Verletzung – erhöht auch das Risiko für Parkinson. Dies deckt sich mit weiteren bisherigen Untersuchungen bei Kontaktsportarten wie dem amerikanischen Football oder Boxen. Beim Thema Alzheimer-Demenz kann man allerdings den vermuteten Risikofaktor Gehirnerschütterung vermutlich streichen.


Literatur:

Raza Z, Hussain SF, Ftouni S, Spitz G, Caplin N, Foster RG, Gomes RSM. Dementia in military and veteran populations. A review of risk factors-traumatic brain injury, post-traumatic stress disorder, deployment, and sleep. Mil Med Res. 2021 Oct 13;8(1):55. doi: 10.1186/s40779-021-00346-z. PMID: 34645526; PMCID: PMC8515715.

Weiner MW, Crane PK, Montine TJ, Bennett DA, Veitch DP. Traumatic brain injury may not increase the risk of Alzheimer disease. Neurology. 2017;89(18):1923-1925. doi:10.1212/WNL.0000000000004608.

Weiner MW, Harvey D, Hayes J, et al. Effects of traumatic brain injury and posttraumatic stress disorder on development of Alzheimer’s disease in Vietnam Veterans using the Alzheimer’s Disease Neuroimaging Initiative: Preliminary report. Alzheimer’s Dement Transl Res Clin Interv. 2017;3(2):177-188. doi:10.1016/j.trci.2017.02.005.

Related Articles

Aktuell

Steviosid: Eine revolutionäre Alternative zu Zucker

Mit seiner Süßkraft, die deutlich stärker ist als die von Zucker, hat Steviosid (ohne jegliche Kalorien) die Welt der Süßstoffe revolutioniert. Mit einer Süßkraft, die...
- Advertisement -

Latest Articles

Digital Detox: Der Weg zu einer besseren Männergesundheit

Die Entscheidung für einen Digital Detox ist ein Schritt hin zu bewussterem Leben und Arbeiten. In unserer heutigen, digital dominierten Welt ist es kaum noch...

Gartenmelde und seine Heilwirkung

Die Gartenmelde kommt in der Volksmedizin mit seiner diuretischen (harntreibenden) Heilwirkung als Brechmittel und als Abführmittel zum Einsatz. Gartenmelde ist ein vielseitiges Kraut in Küche...

Biosimilars in der Therapie der Psoriasis

Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars mit Original-Biologika für die Behandlung von Psoriasis lässt Fragen offen. Bei der Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Psoriasis...