Die Österreichische Gesellschaft für Kardiologie sieht in ihrem Kommentar zur Tabakgesetznovelle die positive Wirkung von Rauchverboten vielfach belegt.
Österreichs Kardiologen begrüßen die Verschärfung des Tabakgesetzes und treten generell für einen möglichst konsequenten Schutz von Nichtrauchern ein. Denn Studiendaten zeigen klar, dass Passivrauchen tötet und eine strenge Gesetzgebung das Herzinfarktrisiko in der Gesamtbevölkerung reduziert.
In Sachen Nichtraucherschutz mahlen die Mühlen in Österreich langsam. Zwar soll noch vor der Sommerpause die von der Bundesregierung geplante Tabakgesetznovelle im Nationalrat beschlossen werden, die nun ein generelles Rauchverbot unter anderem in der Gastronomie vorsieht. „Aus der Sicht der Kardiologie ist dieses Gesetz zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings kommt es sehr spät, die Übergangsfrist bis 2018 ist viel zu lang, und es enthält nach wie vor Schlupflöcher“, betont Univ.-Prof. Dr. Franz Weidinger, Leiter der 2. Medizinischen Abteilung mit Kardiologie und internistischer Intensivmedizin an der Krankenanstalt Rudolfstiftung in Wien und Präsident der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG). „Wissenschaftlich kann die Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit strenger Tabakgesetze jedenfalls ganz klar belegt werden“, so Prof. Weidinger, der anlässlich der ÖKG-Jahrestagung zentrale Gründe für einen strengen gesetzlichen Nichtraucherschutz zusammenfasst.
Passivrauchen erhöht das Herzrisiko
Die besten Argumente kommen aus großen Studien, in denen die Auswirkungen des Passivrauchens untersucht wurden. So verweist Prof. Weidinger auf eine Untersuchung aus Deutschland[1], die zeigte, dass Passivrauchen das Risiko, eine koronare Herzerkrankung zu entwickeln, um rund 25 Prozent erhöht: „Damit gelangen die Autoren zu dem Schluss, dass es in der Bundesrepublik täglich zu sechs Todesfällen und zehn Fällen von neu aufgetretener koronarer Herzerkrankung allein durch das Passivrauchen kommt,“ so der ÖKG-Präsident.
Große Meta-Analyse: Rauchverbote senken Herzsterblichkeit und wirken rasch
Allerdings bringen die Studien auch erfreulich Nachrichten. Sie zeigen nämlich, dass eine strenge Tabakgesetzgebung wirkt. Und dass die Wirkung umso deutlicher ist, je strenger die Gesetze sind. „Die Rauchfrei-Gesetzgebung in vielen Ländern führte zu einer signifikanten Reduktion an Spitalsaufnahmen und Tod durch kardiovaskuläre Erkrankungen“, sagt Prof. Weidinger und verweist auf eine Metaanalyse – also eine gemeinsame Auswertung – von 45 Studien zu 33 Tabakgesetzen[2]. „Die Studie zeigte nicht nur, dass das Ausmaß der Reduktion mit der Strenge der Gesetze korreliert, sondern dass auch andere Herzerkrankungen und Schlaganfälle seltener werden, wenn die Menschen weniger Tabakrauch ausgesetzt sind.“ Die Autoren geben auch zu bedenken, dass neben der besseren Luft in Lokalen oder am Arbeitsplatz auch das generelle soziale Klima zu diesen Ergebnissen beitrage. Mit anderen Worten: Je unpopulärer Rauchen wird, desto größer sind auch die Chancen, dass Raucher damit aufhören.
Noch bessere Nachrichten bringt eine kürzlich von einer Schweizer Gruppe publizierte Studie[3]. Sie zeigt nämlich, dass ein strenges Tabakgesetz rasch Wirkung zeigt. „Bereits in den ersten drei Jahren nach Einführung eines öffentlichen Rauchverbots im Kanton Tessin ging die Rate an Herzinfarkten deutlich zurück“, berichtet Prof. Weidinger. „Besonders deutlich war die Wirkung in einer Personengruppe, in der wenig geraucht wird, nämlich bei den Frauen über 65. Dies wird als deutlicher Indikator für die massiv gesundheitsschädlichen Wirkungen des Passivrauchens interpretiert.“
Hohes Risiko für Kinder rauchender Eltern vernachlässigt
Ein ganz besonderes Problemfeld, das durch die aktuelle österreichische Gesetzgebung nicht berührt wird, stellt die erhebliche Schadstoffbelastung dar, der Kinder rauchender Eltern ausgesetzt sind. Prof. Weidinger: „Die finnische Studie Cardiovascular Risk in Young Finns[4] zeigte, dass die Intima-Media-Dicke der Halsschlagader von Erwachsenen, die als Kinder dem Rauchen der Eltern ausgesetzt waren, signifikant größer war als jene, deren Eltern Nichtraucher waren.“ Die Intima-Media-Dicke ist ein Maß für die Schädigung des Gefäß-Endothels, also der inneren „Auskleidung“ des Gefäßes. Sie gilt als zuverlässiger Hinweis auf Atherosklerose und ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko. Die finnischen Daten zeigen also, dass Kinder, die Tabakrauch ausgesetzt sind, ein Leben lang unter den Folgen leiden.
Weitere Studien dieser Forschergruppe[5] belegten anhand von Blutproben der Kinder, die höhere Spiegel des Nikotin-Abbauprodukts Cotinin enthielten, die Nikotinbelastung von Kindern rauchender Eltern. Das Risiko für Carotis-Plaques – beginnenden „Verkalkungen der Halsschlagader – von Kindern mit erhöhten Cotininspiegeln war vierfachfach höher als jenes von Kindern mit nicht-messbar niedrigen Cotininspiegeln.
Prof. Weidinger: „Mit diesen Studien ist einmal mehr eindeutig belegt, dass Rauchen nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die anderer Personen, die dem Passivrauch ausgesetzt sind, gefährdet. Dies sollte jene Argumente entkräften, die auf Freiheitsbeschränkung des Individuums abzielen. Wenn man die große Belastung durch kardiovaskuläre Erkrankungen, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und Krebs in Betracht zieht, kann das kommende Tabakgesetz von allen beteiligten Fachgesellschaften, die in letzter Zeit dahingehend kooperiert haben, nur befürwortet werden, weitere Nichtraucherschutzmaßnahmen scheinen uns aber angesichts der Datenlage unumgänglich.“