Donnerstag, März 28, 2024

Analyse der Influenza-Saison 2020/21: Wo war die Grippe?

Wegen Maßnahmen in der Corona-Pandemie: Die Influenza-Saison 2020/21 war nicht nur in Österreich, sondern letztlich weltweit nicht relevant.

Alljährlich bringt das Department für Virologie der Medizinischen Universität Wien einen detaillierten Bericht über die abgelaufene Influenzasaison. Dieser Bericht zur Influenza-Saison 2020/21 blieb diesmal jedoch erstmals seit dem Beginn der Influenzaüberwachung in Österreich in der Saison 1999/2000 vollständig aus. Ein Vergleich über die letzten beiden Jahrzehnte zeigt, dass es immer wieder Wintersaisonen gab, in denen nur eine geringe Influenzavirusaktivität beobachtet werden konnte.

Ein Beispiel dafür ist die Saison 2013/14, in der aufgrund der geringen Influenzaviruszirkulation die Grippewelle nicht ausgerufen wurde, dennoch konnten damals über das Influenza-Überwachungsnetzwerk in insgesamt 415 Stichproben (Positivrate 15%) Influenzaviren nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu konnten während der starken Influenzasaison 2017/18 in über 2300 Sentinelproben (Positivrate 34%) Influenzaviren gefunden werden.

In der Influenza-Saison 2020/21 konnte man hingegen während der gesamten Wintersaison (beginnend mit KW 40/2020) nur eine einzige Sentinel-Probe positiv auf Influenzaviren testen (Positivrate 0,02%). Es handelte sich dabei um ein Influenza B Virus der Victoria Linie. Zudem konnte in einer Routineprobe (Non- Sentinel-Probe) eines Reiserückkehrers ebenfalls ein Influenza B/Victoria Virus detektiert werden.

 

Ausbleiben der Influenzavirus -Aktivität in der Influenza-Saison 2020/21

Das Ausbleiben der Influenzavirus Aktivität für eine Influenza-Saison 2020/21 wurde jedoch nicht nur in Österreich, sondern letztlich weltweit beobachtet. Auf europäischer Ebene beispielsweise wurden während der vorletzten Wintersaison 2019/20 im Rahmen der europäischen Influenzaüberwachung über 17.600 Proben positiv auf Influenzavirus getestet (Positivrate 34%). Dagegen konnten in der heurigen Saison in nur 41 von über 41.000 untersuchten Proben Influenzaviren nachgewiesen werden (Positivrate 0,1%).

 

Ursachen

Die Gründe für das Ausbleiben der Influenzavirus-Aktivität sind vielfältig. Aber unter dem Strich ist das Ausbleiben einer Influenza-Saison 2020/21 auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zurückzuführen. Durch die internationalen Reisebeschränkungen wurde die Einschleppung der Influenzaviren nach Europa und damit auch nach Österreich auf ein Minimum reduziert.

Zudem konnten die geltenden Hygienemaßnahmen (mit Masken, Abstand halten und Händehygiene) neben der Verbreitung der SARS CoV 2-Viren auch eine lokale Ausbreitung der Influenzaviren effektiv hemmen. Denn die Corona-Maßnahmen waren nicht nur bei der Reduktion der SARS CoV 2- und Influenzaviruszirkulation wirksam. Sondern sie hatten einen ebensolchen Effekt auch auf viele andere über Tröpfchen und Aerosole übertragbare respiratorische Virusinfektionen.

Die Forschung konnte anhand der Daten des virologischen Überwachungssystems die Effekte des im März 2020 stattgefundenen Lockdowns sehr genau beobachten (Abbildung 1, Redlberger-Fritz et al, J Clin Virol. 2021 Apr;137:104795).

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Mit Beginn des Lockdowns kam es zu einem massiven Rückgang der damals gerade auslaufenden Influenzavirusaktivität. Zudem kam es zu einem abrupten Ende der Zirkulation von humanen Metapneumoviren, Respiratorischen Synzytial Viren (RSV) und Rhinoviren. Die Rhinovirusaktivität stieg mit der Lockerung der Maskenpflicht im Sommer 2020 wieder leicht an. Und schließlich konnte man mit Schulbeginn im September 2020 einen weiteren sprunghaften Anstieg der Anzahl an Rhinovirusinfektionen beobachten.

Mit der zweiten und in weiterer Folge auch der dritten Pandemiewelle wurden alle Hygienemaßnahmen (Masken, Abstand, Händehygiene, Reisebeschränkungen) wiedereingeführt beziehungsweise strikter eingehalten. Dadurch blieb während der gesamten Wintersaison 2020/21 nicht nur die Zirkulation der Influenzaviren aus. Sondern man konnte auch keine einzige Infektion mit RSV, humanen Metapneumoviren und Parainfluenzaviren nachweisen.

 

Starken epidemische Welle nach Wegfall der Hygienemaßnahmen befürchtet

Einerseits sind das sehr gute Nachrichten sind. Denn sie zeigen, dass einfach einzuhaltende Maßnahmen wirksam eine Ausbreitung von respiratorischen Viren reduzieren können. Andererseits muss man bedenken, dass die ausgebliebenen Virusaktivitäten in der praktisch kaum vorhandenen Influenza-Saison 2020/21 auch bedingen, dass somit in der Bevölkerung keine natürliche Boosterung durch Viruskontakte stattgefunden hat. Es ist daher möglich, dass mit Wegfall der Hygienemaßnahmen eine wiedereinsetzende Virusaktivität mit einer starken epidemischen Welle einhergeht. Dies wird vermutlich für RSV zutreffen. Denn die Erstinfektion erfolgt meist innerhalb des ersten Lebensjahres.

Durch die ausgebliebene RSV-Aktivität haben alle nach März 2020 geborenen Kinder keine Immunität gegen Respiratorische  Synzytial-Viren. Zusammen mit den Neugeborenen der heurigen Geburtskohorte ergibt das eine große Anzahl an RSV-naiven, vulnerablen Kindern. Damit sind für die kommende Saison sehr viele RSV-Erstinfektionen zu erwarten. Ähnliches wird auch für die Influenza der Fall sein.

Die Erfahrungen zeigen, dass auf sehr schwache Grippewellen meist starke epidemische Aktivitäten folgen. Dadurch kommt auch in der kommenden Wintersaison der Influenzaschutzimpfung wieder eine große Bedeutung zu. Wie bereits letztes Jahr wird auch in der kommenden Saison die Influenzaschutzimpfung für Kinder von 6 Monaten bis 14 Jahren im Rahmen des Kinderimpfprogramm kostenlos sein.

 

Bedeutung des Sentinella-Netzwerkes

Gerade nach einer langen und anstrengenden Zeit muss man allen Beteiligten des Sentinella-Netzwerkes besonders danken. Seit vielen Jahren ist diese unermüdliche und wertvolle Arbeit die Grundlage für die Überwachung der respiratorischen Viren in Österreich. Nicht zuletzt leisten Ärztinnen und Ärzte dabei auch bei der SARS CoV 2 Überwachung einen sehr wichtigen epidemiologischen Beitrag.


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Quelle: VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR. 12/21.

Prof. Dr. Monika Redlberger-Fritz, Department für Virologie der Med. Universität Wien.

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