Freitag, April 19, 2024

Im Trend: Digitalisierung von Fachartikeln zu Medizin, Pharmazie und Wissenschaft

Die Digitalisierung von Fachartikeln zu Medizin, Pharmazie und Wissenschaft liegt sowohl für Experten als auch für medizinische Laien im Trend.

Digitalisierung ist ein mächtiger Trend, aber weitere säkulare Entwicklungen treten hinzu. Sie bestehen in Globalisierung, was im Falle der Medizinpublizistik auf Anglifizierung hinausläuft, und außerdem aus den zusammenhängenden Trends von Demokratisierung, Ökonomisierung und Verrechtlichung. Nach der Hypothese des Vortrags sind es die Wechselwirkungen dieser Entwicklungen mit der Digitalisierung, aus denen die zukünftige Medizinpublizistik entsteht. Gleichzeitig bestehen Beharrungskräfte, die scheinbar linearen Verläufen Widerstände entgegensetzen. So könnten Digitalisierung und Ökonomisierung von Fachartikeln, Fachliteratur, zu einem Untergang von papiergetragenen Zeitschriften führen.

Gleichwohl schätzen weiterhin viele Leserinnen und Leser ihre Zeitschriften, seien es solche der Laienpresse oder der Fachmedien. Dieser Effekt trifft besonders auf allgemeine wissenschaftliche Journale zu und solche mit starkem Praxisbezug, wie dieser in der Medizin herrscht. Schon jetzt existiert bei den rein spezialwissenschaftlichen Zeitschriften ein Trend zur ausschließlich digitalen Erscheinungsweise. Hier können externe Faktoren, wie etwa Papier- und Anzeigenpreise zusätzliche Kräfte entfalten.

 

Auch die Anglifizierung von Fachartikeln und Fachliteratur ist neben der Digiatlisierung eine unbezweifelbare Entwicklung, und doch hat sie sich nicht auf ungebremste Weise vollzogen

Nach wie vor bevorzugen etwa Hausärzte deutschsprachige Fachliteratur. Hierzu zeigt sich eine Spaltung der Interessen von Leserschaft und von Autorinnen sowie Autoren, die Anerkennung in der globalen wissenschaftlichen Gemeinde anstreben. Um diese Interessen zu vereinen, sind zweisprachige Ausgaben ein probates Mittel, wie sie etwa das Deutsche Ärzteblatt publiziert – möglich nur durch eine digitale englische Ausgabe. Auch der hohe Bedarf an Fortbildung, wie er sich aus der seit Anfang des Jahrhunderts gesetzlich fixierten Pflicht zu ständigem Lernen ergibt, ließe sich ohne digitale Plattformen nicht befriedigen. Gleichzeitig zwingt auch die Verrechtlichung die Ärztinnen und Ärzte zu leitlinienorientiertem Handeln mit der Folge eines Booms von Leitlinien, deren aktueller Entwicklungsschritt in digitalen Aktualisierungen besteht. Hier betritt auch das Buch, oder vielleicht besser: die Monografie, gleichsam durch die Hintertür wieder die Hauptbühne der Medizin, nachdem die Zeitschriften es zwischenzeitlich verdrängt hatten. Deren bisheriger Aktualitätsvorteil relativiert sich, sofern Leitlinien und Lehrbücher zu lebenden Dokumenten werden. Hier werden Zeitschriften eine digitale Antwort finden müssen.

 

Zunahme von Manuskripten auf Preprint-Servern

Das Bedürfnis von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen nach frühestmöglicher Veröffentlichung wird, erneut akzentuiert in den Spezialfächern, zu einer Zunahme von Manuskripten auf Preprint-Servern führen und das Transparenz-Interesse der Gesellschaft, die ja auf die eine oder andere Weise immer die Medizin budgetiert, wird die frei zugängliche Publikation von Forschungsergebnissen im Open-Access-Modell zur Folge haben, aber auch die Offenlegung aller Daten begünstigen. Data Sharing, sei es auf Verlangen der Forscherinnen und Forscher oder auf Betreiben regulatorischer Behörden.

Nicht zuletzt hat das aus Demokratisierung und Ökonomisierung gespeiste Interesse an einer nachvollziehbaren Qualitätsmetrik – jenseits von Leumund oder individueller Wertschätzung – zitatbasierte Metriken, wie den Impact-Faktor, ermöglicht. Seine heutige Berechnung und noch mehr seine Verfeinerungen beruhen auf Digitalisierung und werden durch diese vorangetrieben.

In diesem Umfeld wird sich die Konkurrenzsituation für Fachzeitschriften verschärfen: Sie müssen sich gegen neue Textformen – aktualisierte Leitlinien, Lehrbücher – behaupten. Einige normative Entscheidungen werden ohne Zeitschriften getroffen, Zulassung und Wirtschaftlichkeitsanalysen etwa, auch wenn sie vor dem Hintergrund des gesamten Wissenszuwachses nur einen geringen Umfang haben. Punktuell wird auch Qualitätsjournalismus Ärztinnen und Ärzten gute Informationsangebote machen. Gleichzeitig wird jedoch der Bedarf an wissenschaftlicher Orientierung in der überwältigenden Menge an Information steigen.

Es ist kaum eine Institution vorstellbar, die diese Aufgaben so gut erfüllen könnte wie die medizinischen Fachzeitschriften mit ihrer Verankerung in der wissenschaftlichen Szene und ihrem weiten Netz von Leserinnen und Lesern. Hierin liegt das Kapital der Zeitschriften: Sie sind Knotenpunkte, an denen sich Expertinnen und Experten treffen, Autorinnen und Autoren und Leserinnen und Leser. Es wird für die Journale darauf ankommen, diese gesammelten Erfahrungen nutzbar zu machen, um die gestiegenen Ansprüche an primär wissenschaftliche Information und an Fortbildung sowie an deren Diskussion zu erfüllen.


Quelle:

REFERENTENSTATEMENT Wandel der Rolle und Funktion von Fachzeitschriften Professor Dr. med. Christopher Baethge, Leiter der Medizinisch-Wissenschaftlichen Redaktion des Deutschen Ärzteblatts, Köln

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