Immer häufiger stellt sich die Frage, welche Maßnahmen es braucht und welche Therapieziele man formulieren muss, um dem wohlverstandenen Patientenwohl zu dienen.
In den Augen von vielen funktioniert Medizin nach diesem Schema: Patient oder Patientin wird krank, Patient/Patientin geht zum Arzt/zur Ärztin, Arzt oder Ärztin stellt Diagnose und macht Therapie, Patient oder Patientin wird gesund. Paradoxerweise bildet dieses Paradigma gerade in der Inneren Medizin immer weniger die tatsächlichen Verhältnisse ab, je mehr sie kann in Diagnose und Therapie. Allgemein empfehlen Experten, dass man klare Therapieziele im Sinne des Patienten formulieren sollte.
Welche Maßnahmen dienen tatsächlich noch dem wohlverstandenen Patientenwohl?
Innere Medizin beschäftigt sich heute überwiegend mit langjährigen Verläufen chronischer Erkrankungen, die früher nicht behandelbar zum Tod geführt haben oder in deutlich kürzerer Spanne zum Tod geführt haben. Immer mehr Krankenhausaufnahmen werden von der Frage begleitet, ob es sich dieses Mal um lediglich eine weitere in einer noch langen Folge von Hospitalisierungen handelt oder um die letzte, weil alle körperlichen Reserven erschöpft sind. Viele Krankenhausentlassungen wiederum erfolgen in ein Umfeld, das auf deutlich reduzierte Lebensumstände vorbereitet sein muss. Immer häufiger stellt sich die Frage, welche Maßnahmen tatsächlich noch dem wohlverstandenen Patientenwohl dienen.
Thema Therapiezieldefinition: Klare Therapieziele im Sinne des Patienten formulieren
Viele Patienten und Patientinnen haben in Vorwegnahme dieser Überlegung heute Patientenverfügungen, die ihr individuelles Verständnis von Patientenwohl ausdrücken sollen. Manche werden auch bei akuter Verschlechterung nicht mehr ins Krankenhaus gebracht, da bereits im Vorfeld eine Therapiebegrenzung festgelegt wurde. Oder sie werden aus demselben Grund nicht mehr auf eine Intensivstation verlegt.
In der Intensivmedizin selbst gehören definierte Therapiebegrenzungen inzwischen zum Standard: „do not resuscitate“, „do not intubate“, „do not dialyse“, „allow natural death“. Die Technik der Therapiezieldefinition etabliert sich damit zu einem zentralen Handlungsfeld, insbesondere in der Inneren Medizin. Es berührt grundsätzliche ethische Fragen, individuelle Abwägungen und Entscheidungen, aber auch das Selbstverständnis ärztlichen Handelns, das eigentlich auf Gesundung ausgerichtet ist. Das Thema Therapiezieldefinition beinhaltet schließlich, dass man klare Therapieziele im Sinne des Patienten formulieren sollte.
Quelle: Statement von Professor Dr. med. Sebastian Schellong, Vorsitzender der DGIM 2020/2021 und Präsident des 127. Kongresses, Chefarzt II. Medizinische Klinik, Städtisches Klinikum Dresden