Bei Mäusen Taubheit konnten Forscher das fehlende Gen für die Herstellung des Proteins Otoferlin mittels Gentherapie in das Innenohr schleusen.
Bislang sind nur Prothesen, wie Hörgeräte sowie Cochlea-Implantaten, bei Hörverlust wirksam. Eine neuartige Gentherapie könnte dies in bestimmten Fällen in der Zukunft überflüssig machen. Göttinger Forschern gelang es, bei Mäusen mit Otoferlin-bedingter Taubheit ein fehlendes Gen mittels Viren in das Innenohr zu schleusen und damit das Hören wiederherzustellen.
Taubheit bei jedem tausendsten Säugling
Taubheit betrifft etwa eines von 1.000 neugeborenen Kindern und ist damit die häufigste angeborene Sinnesbeeinträchtigung. Schließlich sind derzeit 140 verschiedene Gene bekannt, deren Defekte zu Hörminderung führen. In 75 Prozent der Fälle liegt eine rezessiv vererbte Taubheit vor. Das bedeutet, es ist keine intakte Genkopie mehr vorhanden, die die Zellen als Bauplan für ein bestimmtes Protein benötigen.
Bei der Otoferlin-bedingten Taubheit fehlt das Protein Otoferlin. Deswegen können die Sinneszellen des Innenohrs keine Signale mehr an den Hörnerv weiterleiten. Weltweit versuchen Forscher bereits seit Längerem, für diese Form der Taubheit eine Gentherapie zu entwickeln.
Mit Gentherapie hergestelltes Otoferlin brachte Mäusen das Hören wieder
Göttinger Forschern ist es jetzt gelungen, bei tauben Mäusen das fehlende Gen für die Herstellung des Proteins Otoferlin mittels Viren in das Innenohr zu schleusen. Mit Hilfe von fluoreszierenden Antikörpern gelang es, neu gebildetes Otoferlin in den Sinneszellen nachzuweisen. Der Otoferlin-Bauplan zeigte sich korrekt und frei von Virussequenzen. Die Wissenschaftler konnten unter anderem nachweisen, dass das so hergestellte Otoferlin funktioniert. Schließlich konnten die ursprünglich tauben Mäuse tatsächlich wieder hören.
Die Forscher konnten zudem zeigen, dass die synaptische Übertragung beinahe so gut funktionierte wie in gesunden Mäusen. Auch einen Hörtest absolvierten die einst tauben Mäuse erfolgreich. Hierzu wurden den Mäusen Klick-Geräusche vorgespielt, die bei hörenden Mäusen, nicht aber bei tauben Mäusen, elektrische Hirnstammpotentiale auslösen. Solche Potentiale zeigten sich nun auch bei den Virus-behandelten vormals tauben Mäusen. Für die Göttinger Forscher gilt dies als Beweis dafür, dass mit der Gentherapie bei den Mäusen das Gehör prinzipiell wiederherstellt werden kann.
DNA-Signalsequenzen
Der Durchbruch gelang den Göttinger Forschern mit einem Trick. Sie teilten die kodierende Sequenz von Otoferlin in zwei Teile, diese sollten dann von zwei separaten AAV transportiert werden. Damit sich die beiden Teile in den Zellen wieder zusammenfügen, kam den Forschern eine bestimmte Eigenschaft der DNA dieser Viren zunutze. Sie bilden im Kern einer Zelle ein langes, ringförmiges Multimer, das aus der DNA von bis zu 80 Einzelviren besteht. Liegen die Teilstücke in diesem Multimer zufällig in der richtigen Orientierung hintereinander, kann die Zelle die vollständige Otoferlin-mRNA (also die Arbeits-Kopie des Bauplans) ablesen. An der Schnittstelle jedoch bleiben noch kleine Teile des Virus-Genoms enthalten. Hier bauten die Forscher DNA-Signalsequenzen ein, die die Zelle veranlassen, diese Teile aus der mRNA herauszuschneiden.
Literatur:
Hanan Al-Moyed, Andreia P. Cepeda, Sangyong Jung, Tobias Moser, Sebastian Kügler, Ellen Reisinger. A dual-AAV approach restores fast exocytosis and partially rescues audi-tory function in deaf otoferlin knock-out mice. EMBO Molecular Medicine, 2019, 11(1). pii: e9396. doi: 10.15252/emmm.201809396
Quelle:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität – www.med.uni-goettingen.de