Freitag, März 29, 2024

Fluor statt Wasserstoff in wichtigen Pharmazeutika

Fluor bringt eine Vielzahl von vorteilhaften Effekten auf Pharmazeutika. Allerdings ist die Platzierung auf organische Moleküle oft nicht einfach.

Die Entwicklung und Verbesserung von Pharmazeutika spielt eine zentrale Rolle im fortlaufenden Kampf gegen Krankheiten. Nun entdeckten Forscher eine Möglichkeit, um den Wasserstoff in wichtigen Pharmazeutika durch Fluor zu ersetzen. Dabei handelt es sich um dasselbe Fluor, das man auch in Zahnpasta findet. Diese neue Entdeckung erlaubt die Feinabstimmung von bereits bekannten (sowie auch potentiell neuen) Medikamenten.

 

Pharmazeutika mehrheitlich organisch

Die große Mehrheit der Pharmazeutika zur Behandlung menschlicher Erkrankungen ist organischer Natur. Ihre aktive Komponente ist ein Molekül (oder eine Kombination aus mehreren Molekülen), welches aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen aufgebaut ist. „Unsere Körper sind nichts anderes als eine Ansammlung von Milliarden Kohlenstoffverbindungen, oder in anderen Worten, organischen Molekülen“, erklärt Nuno Maulide, Österreichs Wissenschafter des Jahres 2018 und Chemiker an der Universität Wien. Durch diese Ähnlichkeit sind organische Pharmazeutika ideal, um mit dem menschlichen Körper zu interagieren.

Der Entwurf eines pharmakologischen Moleküls passend zu einer spezifischen Interaktion mit einem Rezeptor wird oft mit dem Schlüssel-Schloss Prinzip erklärt. „Der Rezeptor (oft ein Enzym) hat eine einzigartige Struktur (Schloss) und benötigt daher auch eine einzigartige Struktur (Schlüssel), mit der er interagieren kann. Der Schlüssel – Wortspiel beabsichtigt – zu einer vorteilhaften Bioaktivität ist die strukturelle Unversehrtheit der pharmazeutischen Verbindung um die exakte Passform zu gewährleisten“, erklärt Harald Sitte von der Medizinischen Universität Wien und Koautor der Studie.

Allerdings bauen dieselben Enzyme in den Körper gelangende Pharmazeutika ab, die auch Essensbestandteile verarbeiten. „Diese Art von Aufräummaschinerie ist für unseren Körper zwar essentiell um ihn zu schützen, unglücklicherweise ist sie oft nicht spezifisch und Pharmazeutika werden metabolisiert, sobald sie in den Körper gelangen“, stellt Christopher Teskey, Ko-Erstautor der Studie, fest. Dadurch können Medikamente ihre vorteilhaften Eigenschaften verlieren. „Ein Großteil dieses Abbaus erfolgt an der Bindungsstelle zwischen Kohlenstoff- (C) und Wasserstoffatomen (H). C–H Bindungen sind von Natur aus ziemlich schwach, was bedeutet, dass sie leicht oxidiert werden können“, erklärt Co-Erstautorin Pauline Adler.

 

Fluor statt Wasserstoff

Einen vielversprechenden Ansatz, um dieses Problem zu lösen, haben ChemikerInnen vor einigen Jahren entdeckt. Den Tausch von besonders schwachen C–H Bindungen mit viel stärkeren C–F Bindungen. Obwohl sich Wasserstoff und Fluor in manchen Aspekten stark unterscheiden, sind deren Größen vergleichbar. Dementsprechend man kann davon ausgehen, dass der Austausch nur einen minimalen Effekt auf die Struktur des Medikaments hat. Dementsprechend erklärt Maulide: „Durch dessen unterschiedliche elektronische Eigenschaften kann ein strategisch platziertes Fluoratom zusätzliche Interaktionen mit dem Ziel erzeugen und dadurch den erwünschten Effekt verstärken.“ Zudem könne das Einführen von Fluor in ein Medikament dessen Eigenschaften so verändern, dass es der Körper leichter aufnehmen kann, ergänzt Daniel Kaiser, Koautor der Studie (siehe Abbildung 1).

Die Einführung von Fluor kann eine Vielzahl von vorteilhaften Effekten auf Pharmazeutika haben, jedoch ist die Platzierung auf organische Moleküle oft nicht einfach. „Die meisten Chemiker versuchten Fluor einzuführen, indem sie negativ polarisierte organische Moleküle mit einem F+-Reagenz reagieren ließen. Wir haben das Gegenteil gemacht. Wir wechselten die Polarität des organischen Moleküls, sodass wir dasselbe Fluorid verwenden konnten, das auch in Zahnpasta verwendet wird“. Der neu entwickelte Ansatz verwendet günstiges Ausgangsmaterial und ist einfach zu handhaben“, freut sich Maulide. „Eine Methode um Wasserstoff unter einfachen Bedingungen mit Fluor zu ersetzen, ist nur der Anfang. Wir können uns vorstellen, dies mit einer Reihe anderer Pharmazeutika zu machen und die Eigenschaften der neu erzeugten Analoga zu erforschen.“

Literatur:

Pauline Adler, Christopher J. Teskey, Daniel Kaiser, Marion Holy, Harald H. Sitte, Nuno Maulide. α-Fluorination of carbonyls with nucleophilic fluorine. Nature Chemistry 2019. DOI:10.1002/anie.201809934

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