Sonntag, April 2, 2023

Sphingosin-1-phosphat kann im Gehirn Demenz-Risiko erhöhen

Sphingosin-1-phosphat stellen ein tödliches Risiko für Nervenzellen dar: das Überangebot des Fettmoleküls stört Übertragung von Informationen im Gehirn und fördert eine Demenz.

Das bioaktive Lipid und Signalmolekül Sphingosin-1-phosphat (S1P) ist ein Abbauprodukt von Sphingolipiden, die in Neuronen besonders häufig vorkommen. Forschung eines internationalen Forscherteams unter Federführung der Universität Bonn konnten unlängst im Mausmodell zeigen, dass das körpereigene Fettmolekül Sphingosin-1-phosphat fatale Auswirkungen im Gehirn entfalten kann. Und zwar wenn seine Menge übermäßig ansteigt. Dadurch kann es zu gravierenden Funktionsstörungen bei der Signalübertragung im Gehirn kommen und möglicherweise zur Entwicklung einer Demenz.



 

Signalmolekül Sphingosin-1-phosphat mit vielen Funktionen

Unter dem Strich erfüllt Sphingosin-1-phosphat als Signalmolekül zahlreiche Funktionen im Körper. Im Grunde genommen fördert es in vielen Körperzellen die Zellteilung und das Wachstum. Wenn es jedoch in großen Mengen vorkommt, dann scheint es vor allem in Nervenzellen ein Programm in Gang zu setzen, das zum Zelltod führt.

Da das Gehirn besonders reich an Sphingosin-1-phosphat-Vorläufern ist, kann es beim Versagen des Enzyms S1P-Lyase, welches Sphingosin-1-phosphat abbaut, besonders schnell in Nervenzellen zur verhängnisvollen Anhäufung des Moleküls kommen.

In der tierexperimentellen Studie verfügten die Mäuse in bestimmten Nervenzellen des Gehirns nicht über das Abbauenzym S1P-Lyase. Deshalb reicherte sich dort das Sphingosin-1-phosphat krankhaft an. Die Forscher konnten dazu zeigen, dass es bei Anhäufung von Sphingosin-1-phosphat im Gehirn zu mehreren drastischen Veränderungen im Zellstoffwechsel kommt, die vor allem die Kommunikation zwischen den Nervenzellen, die für Lernen und Gedächtnisbildung wichtig ist, erheblich beeinträchtigt und möglicherweise die Entwicklung einer Demenz begünstigen könnte.

Im Grunde genommen bilden chemische Synapsen die Schaltstellen. Dort wird die elektrisch kodierte Information, die von einer Nervenzellen auf eine andere übertragen werden soll, in ein chemisches Signal übersetzt. Und nach der Übertragung wird es wieder in ein elektrisches umgewandelt. Dieser Vorgang erlaubt es, dass Synapsen eine Art chemisches Gedächtnis entwickeln können, indem sie eine erregende oder hemmende Wirkung erzielen. Diese auf molekularer Ebene ablaufenden Prozesse sind die Grundlage für Lernen und Gedächtnis.



 

Gestörte Informationsübertragung im Gehirn

Die Wissenschaftler wiesen modellhaft an den Mäusen nach, dass bei einer Anhäufung von Sphingosin-1-phosphat vor allem in Nervenzellen des Hippocampus und des Kleinhirns für die Informationsübertragung wichtige Strukturen verändert sind. Dies führt dazu, dass speziell eine Form der Kurzzeit-Gedächtnisbildung – die sogenannte synaptische Fazilitierung – deutlich vermindert ist.

Eine Analyse der molekularen Mechanismen ergab, dass die Anhäufung von Sphingosin-1-phosphat das wichtige zelluläre Regelsystem, das Ubiquitin-Proteasom-System, beeinträchtigt. Es gewährleistet, dass die Gesamtheit der Zellproteine (Proteom) in gleichbleibender Qualität gebildet wird.

Die Forscher konnten zeigen, dass die durch Sphingosin-1-phosphat bedingte Verminderung des Enzyms Ubiquitin-specific Protease 14 (USP14) als ein Teil dieses Systems im Wesentlichen ursächlich für die beobachteten Veränderungen der synaptischen Morphologie und Funktion in diesem Mausmodell ist.

Nun vermutet man, dass die durch ein Überangebot von Sphingosin-1-phosphat hervorgerufenen Funktionsstörungen in der Signalübertragung des Gehirns möglicherweise auch zu neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenzen beitragen. Andererseits beobachteten Forscher auch eine Verminderung von Sphingosin-1-phosphat in frühen Phasen der Alzheimer-Erkrankung.


Literatur:

Mitroi DN, Deutschmann AU, Raucamp M, et al. Sphingosine 1-phosphate lyase ablation disrupts presynaptic architecture and function via an ubiquitin- proteasome mediated mechanism. Sci Rep. 2016;6:37064. Published 2016 Nov 24. doi:10.1038/srep37064. PMCID: PMC5121647


Quelle: Life & Medical Sciences Institute (LIMES) der Universität Bonn.

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