Freitag, April 19, 2024

Dissektion mit Gerinnungshemmer behandeln, um Schlaganfall zu verhindern

Um einen ersten oder erneuten Schlaganfall verhindern zu können, hilft bei manchen Dissektion-Patienten eine vorbeugende Behandlung mit Gerinnungshemmer.

Im Grunde genommen können auch jüngere Menschen einen Schlaganfall erleiden. Hierbei verursacht bei jedem vierten unter 50-jährigen Patienten eine sogenannte Dissektion. Damit bezeichnet man in der Medizin eine Einblutung in die Wand hirnversorgender Arterien. Eine rezente Studie zeigte hierzu, dass bei vielen Patienten mit Dissektion nach dem ersten Schlaganfall die Vorbeugung vor einem erneuten Schlaganfall mit Gerinnungshemmer ausreichend oder sogar vorteilhaft ist; bei manchen war das allerdings nicht der Fall. Allgemein sollte bei Diagnose zervikale arterielle Dissektion eine Vorbeugung vor dem ersten Schlaganfall mit Gerinnungshemmer aber jedefalls erfolgen



Wie Dissektion eine Schlaganfall verursachen kann

Unter dem Strich entsteht eine Dissektion durch Einreißen der inneren Schicht der Gefäßwand (Tunica intima). In Folge dringt dann Blut in die Gefäßwand ein. Zudem kann sich ein Riss bis an die Gefäßoberfläche fortsetzt, dann spricht man von transmuralen Dissektion.

Bei der Dissektion entsteht übrigens ein Hämatom in der Gefäßwand, welches direkt zur akuten Einengung des Blutgefäßes führen kann. Auch besteht die Gefahr, dass an der Stelle des sich vorwölbenden Hämatoms ein kleiner Einriss der Gefäßinnenhaut entsteht und sich dort durch körpereigene Reparaturmechanismen ein Gerinnsel (Thrombus) bildet. Von dem können sich dann Teile ablösen, welche mit dem Blutstrom ins Gehirn gelangen und dort einen akuten Gefäßverschluss verursachen.

Im Grunde genommen sind Dissektionen der zervikalen hirnversorgenden Gefäße zwar selten. Allerdings sind sie eben in etwa 20 % der Fälle die Ursache für Schlaganfälle bei jüngeren und mittelalten Patienten.

 

4 von 5 Patienten mit Dissektion erleiden einen Schlaganfall

Bei der Dissektion einer Arterie kommt es zu einer Einblutung in die Gefäßwand bzw. zwischen die Schichten der Gefäßwand. Ein Auftreten im Bereich der hirnversorgender Arterien – der zervikalen arteriellen Dissektion (CAD) – kann dabei einen Schlaganfall auslösen. Wenngleich diese zervikale arterielle Dissektion zwar insgesamt eine seltene Schlaganfall-Ursache (2%) bei jüngeren Menschen (<50 Jahren) darstellt, kommt es dennoch in zu 25% der Fälle zu einem Schlaganfall [1].

Eine zervikale arterielle Dissektion kann spontan ohne erkennbare Ursache oder durch ein Mikrotrauma durch Zug, Druck oder Verdrehung der Halsarterien auftreten. Die jährliche Inzidenz für eine zervikale arterielle Dissektion liegt zwischen 3,5 und 4,5/100.000. Wenn eine zervikale arterielle Dissektion eingetreten ist, kommt es meistens auch zu einem Insult (in bis zu 80%), der Inzidenzgipfel liegt zwischen dem 40. und 45. Lebensjahr.

 

Diagnose zervikale arterielle Dissektion von großer Bedeutung, Gerinnungshemmer nach Schlaganfall einsetzen

Zwar tritt eine Dissektion eher selten auf. Allerdings kommt es dabei bei bis zu 80% der Patienten zu einem Schlaganfall. Ärzte verschreiben Betroffenen im Normalfall Gerinnungshemmer, um einen ersten oder erneuten Schlaganfall zu verhindern. Eine aktuelle Studie untersuchte nun, welche Wirkstoffe bei Dissektion für die Schlaganfall-Prophylaxe am effektivsten sind.

Um die Patienten optimal behandeln zu können, ist eine rasche Diagnose entscheidend, um einen Schlaganfall zu verhindern. Am besten, solange nur die Lokalsymptome der Dissektion bestehen. Hierzu zählen Kopfschmerzen und ein Horner-Syndrom oder Nackenschmerzen bei der Vertebralisdissektion. Aber auch das Schlaganfall-Rezidiv-Risiko ist in den ersten Wochen nach der zervikalen arteriellen Dissektion deutlich erhöht.



Diagnostisch gilt die Kernspintomographie als Goldstandard. Akut therapeutisch kann die sogenannte Lyse-Therapie eingesetzt werden. Neben einer systemischen Thrombolyse (medikamentöse Auflösung des Gerinnsels über den Blutkreislauf) kann das Gerinnsel auch über einen Kathetereingriff entfernt werden (mechanische Thrombektomie).

Innerhalb des ersten Jahres, besonders jedoch im ersten Monat nach dem initialen Ereignis, besteht (in ca. 25%) sowohl ein hohes Risiko für weitere embolische Insulte als auch für das Auftreten einer weiteren zervikale arterielle Dissektion – typischerweise an bislang gesunden Gefäßen.

 

Wirkungen der Gerinnungshemmer vergleichbar

Daher ist bei Diagnose einer zervikale arterielle Dissektion eine Schlaganfallprophylaxe notwendig. Diese Prophylaxe erfolgt mit antithrombotischen bzw. gerinnungshemmenden Medikamenten. Infrage kommen entweder Thrombozytenfunktionshemmer (bzw. Plättchenaggregationshemmer, z. B. Acetylsalicylsäure/ASS), die verhindern, dass die Blutplättchen/Thrombozyten verklumpen und Thromben bilden oder orale Antikoagulanzien (z. B. Heparin, Marcumar, Warfarin), die Gerinnungsfaktoren im Blut blockieren.

Bisher konnten Studien für die Schlaganfallprophylaxe nach stattgehabter zervikaler arterieller Dissektion weder für die eine noch für die andere Substanzgruppe eine klare Überlegenheit zeigen. Es wird diskutiert, dass Antikoagulanzien effektiver sind, um Embolisierungen frischer Thromben zu verhindern, aber Plättchenaggregationshemmer ein geringeres Risiko dafür bergen, dass sich die zervikale arterielle Dissektion in der Gefäßwand ausdehnt oder noch an weiteren Stellen entsteht.

 

Aktuelle JAMA-Studie

Unlängst wurden im „Journal of the American Medical Association“ (JAMA) die abschließenden Ergebnisse der prospektiven, randomisierten CADISS-Studie [2] veröffentlicht, die der Frage nachging, ob die Thrombozytenfunktionshemmung oder Gerinnungshemmer für Patienten mit zervikaler arterieller Dissektion bessere Ergebnisse der Schlaganfall-Prophylaxe bringt.

Die prospektive Multicenterstudie wurde an 39 Schlaganfallzentren in Großbritannien und Australien durchgeführt, sie war open-label, randomisiert und die Endpunktauswertung erfolgte verblindet.

Es wurden 250 CAD-Patienten eingeschlossen, 224 davon hatten initial einen Schlaganfall oder ähnliche Symptome, die anderen vor allem Kopf- und Nackenschmerzen bzw. lokale Symptome. Das mittlere Patientenalter lag bei 49±12 Jahren. Sie erhielten randomisiert entweder Thrombozytenaggregationshemmer (n=126) oder Antikoagulanzien (n=124).

Primärer Endpunkt waren Mortalität und Schlaganfallhäufigkeit nach drei Monaten. Danach durften die behandelnden Ärzte entscheiden, welche Therapie fortgeführt wurde. Alle Patienten wurden über ein Jahr lang nachbeobachtet.



Nach drei Monaten gab es beim primären Endpunkt zwischen den Behandlungsgruppen keine statistisch signifikanten Unterschiede; kein Patient war verstorben, vier Schlaganfälle traten auf (1,6%), davon vier in der Thrombozytenfunktionshemmer-Gruppe.

Auch das sekundäre Outcome, die Befunde der bildgebenden Diagnostik (Durchgängigkeit und Blutfluss in der Angiografie/Gefäßdarstellung), waren vergleichbar. Nach drei Monaten wurden häufiger Thrombozytenaggregationshemmer als Antikoagulanzien verordnet (letztere nach sechs Monaten noch bei 18,4%, nach 12 Monaten nur noch bei 6%).

Auch nach zwölf Monaten errechnete sich statistisch kein signifikanter Gruppenunterschied. Es kam in jeder Gruppe ein weiterer Schlaganfall hinzu, die Schlaganfallrate betrug nun insgesamt 2,5%. Und zwar in der Thrombozytenfunktionshemmer-Gruppe waren es vier Patienten gegenüber zwei Patienten in der Antikoagulanzien-Gruppe. In letzterer gab es jedoch ein unerwünschtes Ereignis (Hirnblutung). Ein Patient der Thrombozytenfunktionshemmer-Gruppe war nach einem erneuten Schlaganfall verstorben.

 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Gesamtrate an erneuten Schlaganfällen in beiden Behandlungsgruppen statistisch nicht unterschied. Insgesamt waren Schlaganfälle in den 12 Monaten der Nachbeobachtung viel seltener als in früheren Studien, die aber meist retrospektiv und nicht-randomisiert waren mit unvollständigem Follow-up.

Vor allem fällt jedoch auf, dass nur Patienten, die im Rahmen einer CAD initial eine Schlaganfall-Symptomatik entwickelt hatten, auch im Verlauf einen weiteren Schlaganfall erlitten. Besonders bei diesen Patienten müssen mögliche Vor- und Nachteile der verschiedenen Medikamente gegeneinander abgewogen werden. Bei vielen Patienten ist die Prophylaxe mit Plättchenaggregationshemmern ausreichend oder sogar vorteilhaft; bei anderen dagegen nicht.

Die aktuellen Leitlinien [1] geben hierzu bereits je nach den klinischen und bildgebenden Befunden, Verlauf und Risikofaktoren recht detaillierte Empfehlungen. Leider erlaubt die vorliegende Studie keine Aussage dazu, ob die neuen direkten oralen Antikoagulanzien (NOAC) womöglich eine sinnvolle Alternative sein könnten.




Literatur:

[1] https://www.dgn.org/leitlinien/3264-030-005-spontane-dissektionen-der-extrakraniellen-und-intrakraniellen-hirnversorgenden-arterien-2016

[2] Markus HS, Levi C, King A et al.; Cervical Artery Dissection in Stroke Study (CADISS) Investigators. Antiplatelet Therapy vs Anticoagulation Therapy in Cervical Artery Dissection. The Cervical Artery Dissection in Stroke Study (CADISS) Randomized Clinical Trial Final Results. JAMA Neurol 2019 Feb 25. doi: 10.1001/jamaneurol.2019.0072. [Epub ahead of print]


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) http://www.dgn.org

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...