Freitag, April 19, 2024

Akustikusneurinom: Frühe OP rettet meist das Hörvermögen

Das Akustikusneurinom, Vestibularisschwannom, ist ein primär gutartiger Tumor, bei dem Medikamente kaum helfen, im Gegensatz zur OP.

Das Akustikusneurinom (Vestibularisschwannom) ist ein seltener, gutartiger Tumor des Gleichgewichtsnervens, der durch Hörminderung, Schwindel und Tinnitus diagnostiziert wird. Kleinere dieser Tumoren werden grundsätzlich bestrahlt, größere Tumoren operativ entfernt. Wodurch das Vestibularis-Schwannom – ein gutartiger Tumor aus Bindegewebe und Nervengewebe – entsteht, ist nicht geklärt. Jedenfalls sind 1 bis 2 Menschen pro 100.000 betroffen. Medikamente helfen Patienten mit Akustikusneurinom kaum, hingegen gibt es interessante neue Entwicklungen im Zusammenhang mit einer OP.

 

Empfehlungen zum Akustikusneurinom, Vestibularis-Schwannom

Die Evidenz für Behandlungsempfehlungen beim Vestibularisschwannom ist im Vergleich zu anderen intrakraniellen Neoplasien gering. Daher hat die European Association of Neuro-Oncology – nach Auswertung der in der Literatur verfügbaren Daten – eine Reihe von Empfehlungen für medizinisches Fachpersonal erstellt.

Die radiologische Diagnose des Vestibularisschwannoms wird durch Magnetresonanztomographie gestellt. Eine histologische Überprüfung der Diagnose ist nicht immer erforderlich. Aktuelle Behandlungsoptionen umfassen Beobachtung, chirurgische Resektion, fraktionierte Strahlentherapie und Radiochirurgie. Die Wahl der Behandlung hängt von der klinischen Präsentation, der Tumorgröße und der Expertise des behandelnden Zentrums ab. Bei kleinen Tumoren muss die Beobachtung gegen die Radiochirurgie abgewogen werden.

Bei großen Tumoren ist eine chirurgische Dekompression obligatorisch, möglicherweise gefolgt von fraktionierter Strahlentherapie oder Radiochirurgie. Mit Ausnahme von Bevacizumab bei Neurofibromatose Typ 2 spielt die Pharmakotherapie keine Rolle.

Akustikusneurinom OP mit neuen Techniken

Ein Vestibularis-Schwannom drückt meist auf den Gleichgewichtsnerv und beschädigt zugleich den Hörnerv. Wiener Experten konnten unlängst diesen weltweit sehr seltenen Eingriff erfolgreich durchführen und das Vestibularis-Schwannom entfernen. Dadurch konnte die Taubheit geheilt werden beziehungsweise konnte gleichzeitig die Hör-Funktion der betroffenen Patientin wiederhergestellt werden.

Eine klinische Studie unter Federführung der MedUni Wien konnte nun zeigen, dass eine frühe OP des Akustikusneurinoms das Hörvermögen mit einer Erfolgsquote von bis zu 83 Prozent erhalten kann. Die Ergebnisse wurden aktuell im Journal „Otolaryngology– Head and Neck Surgery“ veröffentlicht.

Ein Team der MedUni Wien unter der Studienleitung von Karl Rössler, Leiter der Universitätsklinik für Neurochirurgie der MedUni Wien und des AKH Wien, untersuchte gemeinsam mit KollegInnen der Universität Erlangen retrospektiv 138 PatientInnenfälle aus dem Zeitraum von 2014 bis 2017, denen Akustikusneurinome operativ entfernt worden waren. Es zeigte sich, dass die neuen Techniken und das Monitoring während der OP bei der Entfernung kleiner Tumoren zu einer Hörerhaltungsrate nach der Operation von bis zu 83% führt.

Die Angst postoperativ das Gehör zu verlieren, gehört zumindest für kleine Neurinome der Vergangenheit an“, erklärt Studienleiter Karl Rössler, „unsere Arbeit bestätigt aber auch, dass die frühe Abklärung von Hörstörungen notwendig ist und Neurinome bereits in einem frühen Stadium operiert werden müssen.“


Literatur:

Bozhkov Y, Shawarba J, Feulner J, et al. Prediction of Hearing Preservation in Vestibular Schwannoma Surgery According to Tumor Size and Anatomic Extension. Otolaryngology–Head and Neck Surgery. May 2021. doi:10.1177/01945998211012674.

Goldbrunner R, Weller M, Regis J, Lund-Johansen M, Stavrinou P, Reuss D, Evans DG, Lefranc F, Sallabanda K, Falini A, Axon P, Sterkers O, Fariselli L, Wick W, Tonn JC. EANO guideline on the diagnosis and treatment of vestibular schwannoma. Neuro Oncol. 2020 Jan 11;22(1):31-45. doi: 10.1093/neuonc/noz153. PMID: 31504802; PMCID: PMC6954440.


Quelle:

Medizinische Universität Wien: www.meduniwien.ac.at

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