Transparency International – Austrian Chapter fordert gesetzliche Regelungen zur Offenlegung von Zahlungen der Pharmaindustrie.
Trotz der jüngsten Initiativen der Pharmaindustrie ist die Transparenz im Gesundheitswesen noch immer unzureichend. Im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung sollten Pharmaunternehmen spätestens am 1. Juli 2016 auf ihren Websites die Namen jener Ärzte und Angehörigen anderer Gesundheitsberufe offenlegen, an die sie im Jahr 2015 finanzielle oder sonstige Zuwendungen geleistet haben. Laut einer soeben veröffentlichten Studie des Ludwig Boltzmann Instituts für Health Technology Assessment (LBI HTA) wurden jedoch nur 17 % der finanziellen Zuwendungen, die im Jahr 2015 direkt an Ärzte flossen, unter namentlicher Nennung der Empfänger publiziert. „Wir begrüßen die jüngsten Initiativen der Pharmabranche, denn Transparenz ist ein wichtiger Schritt bei den Bemühungen, Korruption einzudämmen“, betont Eva Geiblinger, Vorstandsvorsitzende von Transparency International – Austrian Chapter (TI-AC). „Wie befürchtet, sorgen diese jedoch nicht für ausreichend Transparenz im Gesundheitswesen. Daher ist eine verpflichtende gesetzliche Regelung analog zum Sunshine Act in den USA dringend notwendig.“
Das Gesundheitswesen gilt allgemein als besonders anfällig für Korruption. Nicht zuletzt aus Imagegründen haben die Pharmafirmen des europäischen Branchenverbandes EFPIA daher im Jahr 2013 eine freiwillige Initiative zur Offenlegung von Zuwendungen an medizinische Einrichtungen und Ärzte, den sogenannten Disclosure Code, beschlossen. In Österreich wurde im Jahr 2014 eine entsprechende Regelung von den Mitgliedsunternehmen des österreichischen Branchenverbands PHARMIG in den Verhaltenscodex aufgenommen und auch mit der Ärztekammer abgestimmt.
Demnach müssen die Firmen bis zum Ende des 1. Halbjahres alle geldwerten Leistungen, die im Vorjahr an Angehörige der Fachkreise, wie etwa an Ärzte und andere Gesundheitsberufe sowie an Institutionen (Health Care Organisations) geflossen sind, auf ihren Websites offenlegen – grundsätzlich unter namentlicher Nennung der Empfänger. Nur sofern dies aus rechtlichen Gründen nicht möglich sein sollte, darf die Meldung in aggregierter Form – also zusammengefasst und ohne Namensnennung – erfolgen.
Statement der Pharmig: Offenlegung geldwerter Leistungen: Prozess ist initiiert
Vorbehaltlose öffentliche Diskussion über Geldleistungen braucht kulturellen Wandel. Datenschutz ist verfassungsmäßiges Grundrecht: Seit Juli dieses Jahres legen pharmazeutische Unternehmen die Leistungen an Fachkreise, darunter Ärzte und Forschungseinrichtungen, offen. Damit ist die pharmazeutische Branche ein Vorreiter in Österreich. Die Kritik, die diesem neuen Prozess bereits in seinem Anfangsstadium zum Teil massiv entgegenschlägt, weist Dr. Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig, zurück: „Wir haben mit unserer freiwilligen Transparenzinitiative einen Kulturwandel eingeläutet. Es ist nach wie vor nicht üblich, in unserem Land offen darüber zu sprechen, in welcher Höhe man eine erbrachte Leistung vergütet bekommt. Das trifft auch dort zu, wo Ärzte für ihre Tätigkeit etwa als Prüfarzt oder Vortragender entschädigt werden. Den Ärzten, die hier einer namentlichen Nennung im Zuge der Offenlegung zugestimmt haben, gebührt höchster Respekt. Dies zu schmälern und sofort nach einer gesetzlichen Verpflichtung zur Offenlegung zu rufen, weil nicht alle Ärzte ihre Zustimmung gegeben haben, sehe ich als kontraproduktiv“, so Huber.
Das in Österreich geltende Datenschutzrecht macht für eine individuelle Offenlegung eine Zustimmung des Betroffenen notwendig. Das ist ein verfassungsmäßiges Grundrecht. Von diesem haben viele Angehörige der Fachkreise im ersten Jahr der Offenlegung Gebrauch gemacht. Daher konnten die pharmazeutischen Unternehmen die Leistungen, die sie im Zuge der Zusammenarbeit mit diesen Fachkreisen erbracht haben, nur aggregiert, also zusammengefasst veröffentlichen. Dazu Huber: „Wenn wir von Geld reden, befinden wir uns in Österreich schnell in einer Neiddebatte. Das ist sicher mit ein Grund, weshalb sich Ärzte hier bedeckt halten, wenngleich es ein Zeichen von hoher fachlicher Kompetenz ist, wenn sie im Zuge von Studien oder Vorträgen mit pharmazeutischen Unternehmen zusammenarbeiten.“ Natürlich bleibt eine 100 prozentige Offenlegung das Ziel, aber dieses sei realistisch betrachtet nicht gleich von Beginn an zu erreichen, betont Huber.
Die Zusammenarbeit der Fachkreise mit den pharmazeutischen Unternehmen dient letztlich dem Patienten. Denn durch den Wissenstransfer können Therapien stetig verbessert werden. Dazu Huber: „Daran ist nichts Verwerfliches und hier braucht auch niemand etwas zu verstecken. Ich bin zuversichtlich, dass wir im Sinne der vollständigen Transparenz in Zukunft weiter Schritte in die richtige Richtung machen. Der Prozess ist angestoßen – geben wir ihm Zeit, sich zu etablieren“, fordert Huber.
Studie des LBI HTA
Laut der Studie des LBI HTA haben aber nur 69 von 115 PHARMIG-Mitgliedsunternehmen ihre Zuwendungen an Angehörige der Fachkreise und Institutionen für das Jahr 2015 auf ihren Websites offengelegt. 20 Unternehmen meldeten, dass sie keine geldwerten Leistungen verteilt haben, die restlichen 26 gaben keine Stellungnahme ab.
Insgesamt wurden 104,1 Mio. € an Zuwendungen deklariert, von denen 22,4 Mio. direkt an Fachkreise, das heißt an Ärztinnen und Ärzte, in Form von Honoraren, Reise-, Übernachtungs- und Tagungsgebühren sowie Spesenersatz geflossen sind. Der Rest wurde in Forschung und Entwicklung – dazu zählen unter anderem auch Anwendungsbeobachtungen und andere Studien nach der Zulassung – investiert (54,0 Mio. €) oder ging an Organisationen, wie beispielsweise Fachgesellschaften, Universitäten und Krankenanstalten (27,7 Mio. €).
Von den 22,4 Mio. €, die direkt an Ärzte flossen, wurden wiederum nur 3,8 Mio. €, das heißt nur rund 17 %, mit dem Namen des Empfängers publiziert, die Offenlegung der übrigen 18,6 Mio. € erfolgte aggregiert ohne Namensnennung. Wie sich gezeigt hat, verfolgen also nur sehr wenige Pharmafirmen in Österreich eine strenge „no consent – no contract“ – Politik, gemäß der sie nur mehr mit jenen Ärzten Verträge abschließen, die auch einer namentlichen Veröffentlichung zustimmen.
„Die bisherige Offenlegungspraxis ist reine Augenauswischerei und weit entfernt von Transparenz“, resümiert Franz Piribauer, Leiter der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen bei Transparency International – Austrian Chapter. „Wir fordern eine gesetzliche Verpflichtung zur namentlichen Veröffentlichung und ein zentrales Veröffentlichungsregister.“
Die Studie des LBI HTA ist unter http://eprints.hta.lbg.ac.at/1107/ abrufbar.
Quelle: Transparency International – Austrian Chapter – https://www.ti-austria.at/