Donnerstag, März 28, 2024

Placebo-Effekte gezielt nutzen

Placebo-Effekte kann man auch über die Arzt-Patienten-Kommunikation verbal erzeugen und nutzen, und damit die Wirkungen von Medikamenten verstärken.

Der Nutzen von Placebo-Effekten wird gemeinhin auch in der Erprobung neuer Medikamente im Rahmen von sogenannten Doppelblindstudien erhoben. Damit will man die reine Wirksamkeit eines Medikaments von den unspezifischen Placebo-Wirkungen trennen, die auf Erwartung und Erfahrung der Patienten beruhen. Dabei hat sich auch gezeigt, dass der Nutzen der Placebo-Effekte in solchen Studien sehr starke Wirkungen bringen kann.

 

Placebo-Effekt-Nutzen in der Behandlung eines Reizdarms, von Schmerzen, psychischen Problemen wie Depressionen sowie Funktionsstörungen

Das zeigte sich zum Beispiel in der Reizdarmbehandlung in mehr als 100 Studien mit mehreren Tausenden Patienten im Mittel bei etwa 4 von 10 Patienten. Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit anderen Behandlungen von Schmerzen, Stimmungen (Depression) und Funktionsstörungen.

Außerhalb eines Medikamentenversuches sind dem Einsatz von Placebos enge ethische Grenzen gesetzt, da Verabreichung von Placebos – nach gängiger Meinung – die Täuschung des Patienten notwendig macht, um die Wirksamkeit zu erhalten. Eine Täuschung von Patienten ist aber nach allen Regeln der Ethik und des Rechts unzulässig.

In dieser Situation haben sich etliche Wissenschaftsteams daran versucht, Placebos auch ohne Täuschung und offen an Patienten zu geben im Rahmen von sogenannten Open-Label-Placebo-Studien (OLPS), eine der ersten dieser Studien im Jahr 2009 erfolgte bei Patienten mit einem Reizdarmsyndrom. Inzwischen liegen solche OLPS bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, bei Patienten mit saisonaler Rhinosinusitis (Heuschnupfen), bei Depression, bei krebsbedingter Ermüdung (Fatigue), bei Patienten mit chronischem Juckreiz oder mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) vor, alle mit sehr positivem Ergebnis.

Was allerdings noch fehlt, sind Studien, in denen diese Wirksamkeit mit der eines Medikamentes direkt verglichen wird. Wichtig bei OLPS ist dabei die dem Patienten gegebene Information, dass es sich zwar um Placebos (Pillen/Tabletten ohne Wirkstoff) handelt, aber dass diese dennoch eine Wirkung entfalten können über Erwartung und Erfahrung – wichtig ist nicht so sehr, daran zu glauben, sondern sie regelmäßig zu nehmen.

 

Durch Placeboeffekte Medikamente reduzieren

Eine weitere Möglichkeit, Placeboeffekte im medizinischen Alltag zu nutzen, ist eine Art konditionierter Medikamentenreduktion. Beispielsweise kann unter Umständen, wenn ein Medikament regelmäßig (täglich) genommen werden muss, an dem einen oder anderen Tag das Medikament durch ein Placebo ersetzt werden, ohne dass der Patient dies erfährt, wenngleich er prinzipiell dieser Therapieoption zugestimmt hat), ohne das die medikamentöse Behandlung an Wirksamkeit verliert. Man bezeichnet das als partielle Verstärkung – partial reinforcement. Die Wirksamkeit einer derartigen Medikamentenreduktion durch Placeboeffekte konnte in klinischen Studien nachgewiesen werden – zum Beispiel bei Psoriasis und bei ADHS, derzeit laufen gerade Studien zur Schmerzmedikation mit Opioiden.

 

Placebo- und Nocebo-Effekte durch Arzt-Patienten-Kommunikation

Nicht zu vergessen: Placeboeffekte können auch verbal erzeugt werden (über die Arzt- Patienten-Kommunikation) und dadurch Medikamentenwirkungen verstärken, so wie das falsche Wort zur falschen Zeit Noceboeffekte erzeugen kann, die die nützliche Wirkung eines Medikamentes wieder aufheben oder sogar in ihr Gegenteil verkehren.


Quelle:

Statement » Aktuelle Erkenntnisse zur Behandlung des Reizdarmsyndroms: Welche Rolle spielt das Mikrobiom? Wie kann man Placebo-Effekte gezielt nutzen? «. Professor Dr. Dipl.-Psych. Paul Enck, Forschungsleiter der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Tübingen anlässlich des Deutschen Kongresses für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, März 2018, Berlin

 

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