Freitag, April 19, 2024

Nürnberger Bündnis gegen Depression

Im Modellprojekt Nürnberger Bündnis gegen Depression wurde der 4-Ebenen-Ansatz zur Suizid-Prävention erstmalig erprobt.

Weltweit nehmen sich jährlich ca. 800.000 Menschen das Leben. In Deutschland sind es rund 10.000. Als Präventionsmaßnahme wurde deshalb Ende der 90er Jahre vom „Kompetenznetz Depression, Suizidalität‘ – der Vorgängerorganisation der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – ein 4-Ebenen-Interventionskonzept entwickelt, das erstmals im Nürnberger Bündnis gegen Depression getestet wurde.

 

4-Ebenen-Interventionskonzept in Europa etabliert

Dieses in Deutschland und Europa etablierte Modell soll nun in Australien eingeführt werden. Ziel ist, die Versorgung depressiv Erkrankter zu verbessern und suizidale Handlungen vorzubeugen.
„Nur eine Minderheit der depressiv Erkrankten erhält eine leitlinienkonforme Behandlung. Versorgungsengpässe, Fehldiagnosen aber auch depressionsbedingte Hoffnungslosigkeit, Störung des Antriebs und Schuldgefühle hindern Betroffene daran, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen“ erklärt Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Unter seiner Leitung entwickelte das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung von 1999 bis 2009 geförderte „Kompetenznetz Depression, Suizidalität (KNDS)“ den 4-Ebenen-Ansatz, um suizidale Handlungen vorzubeugen.

Zu den Maßnahmen des Mehr-Ebenen-Programms gehören die Kooperation mit Hausärzten durch Trainings und Bereitstellung von Materialien wie Screeningbögen oder Patienteninformationen; die Aufklärung der Öffentlichkeit durch PR-Informationskampagnen; die Schulung von Multiplikatoren wie Lehrer, Pflegepersonal, Polizisten und Journalisten sowie Angebote für Betroffene und Angehörige durch Unterstützung von Selbsthilfeaktivitäten oder Informationsmaterialien.

 

Konzept Nürnberger Bündnis gegen Depression vielfach übernommen

In dem Modellprojekt Nürnberger Bündnis gegen Depression wurde der 4-Ebenen-Ansatz von 2001 bis 2003 erstmalig erprobt. Während der zweijährigen Intervention konnte ein deutlicher Rückgang der suizidalen Handlungen um 24 Prozent verzeichnet werden. Hierauf basierend und unterstützt durch die Stiftung Deutsche Depressionshilfe haben inzwischen bereits mehr als 80 Regionen und Städte in Deutschland regionale „Bündnisse gegen Depression“ gegründet und das Konzept übernommen.

Auch international fand der Ansatz großen Anklang: Seit 2004 wurde es im Rahmen des EU-geförderten Projekts „European Alliance Against Depression (EAAD)“ weiter optimiert und bis heute in über 25 Ländern eingeführt. Seit Anfang des Jahres sind nun auch drei australische Staaten (Western Australia, New South Wales und Queensland) Mitglied des EAAD, um den 4-Ebenen-Ansatz zu implementieren.

Die Suizidrate in West-Australien liegt derzeit bei 12,6 Prozent pro 100.000 Einwohner. Für die Aborigines beispielsweise ist dabei die Selbstmordrate doppelt so hoch wie der nationale Durchschnitt. Um ihre Aufklärungsarbeit zum Thema Depression und Suizidalität auszubauen, hat sich die Western Australian Primary Health Alliance (WAPHA) im Rahmen eines umfassenden Suizidpräventions-Programms der Commonwealth-Regierung, entschlossen, das 4-Ebenen-Konzept zu übernehmen sowie drei regionale Bündnisse gegen Depression in West-Australien zu gründen.

„Die Mitgliedschaft im EAAD gibt uns Zugang zu einem bewährten Programm, das Regionen und Gemeinden befähigt, Maßnahmen gegen Depressionen zu ergreifen und sich aktiv für die psychische Gesundheit für ihre Familien und Nachbarschaften einzusetzen“, sagt Dr. Daniel Rock, Generaldirektor der WAPHA.

Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe begrüßt daher gemeinsam mit dem EAAD den aktuellen Besuch von WAPHA-Projektmanager Craig McAllister, der Einblicke in das Interventionskonzept sowie weitere Stiftungs- und Bündnisprojekte wie das iFightDepression Tool oder das Online-Diskussionsforum erhalten wird: “Ich bin Prof. Hegerl und seinem engagierten Team sehr dankbar dafür, dass sie ihre wertvollen Erfahrungen bezüglich der Arbeit des EAAD und dessen Erfolg in Hinblick auf die Reduzierung suizidalen Verhaltens mit mir teilen. Ich freue mich darauf, dieses Modell für unseren australischen Kontext anzupassen.“

Am 5. Oktober 2007 wurde das EAAD Projekt als Gewinner des European Health Forum Award auf dem European Health Forum Gastein, Österreich (EHFG) gekürt und ist auch als Mehrebenen-Intervention im aktuellsten Suizidpräventionsreport der Weltgesundheitsorganisation empfohlen. Zudem wurde das Konzept im Grünbuch der Europäischen Kommission zur psychischen Gesundheit (2005) genannt.

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...