Immer öfter tritt ein neurologischer Notfall auf, in den letzten Jahren hat die neurologische Notfallmedizin daher immer größere Bedeutung erlangt.
Neben Chirurgie und Innerer Medizin hat sich die neurologische Notfallmedizin in den vergangenen Jahren zum drittwichtigsten Gebiet in den Krankenhausnotaufnahmen entwickelt, wie eine aktuelle Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) nun zeigt. Demnach ist bei etwa 15 Prozent der Patienten ein Neurologischer Notfall für die Behandlung in der Notaufnahme die Ursache. Der Anteil von Patienten, die aus der Notaufnahme stationär in die Neurologie aufgenommen werden, hat sich in zehn Jahren sogar von 40 auf 80 Prozent verdoppelt. Dies verursacht massive Personal- und Finanzierungsprobleme für die neurologischen Abteilungen und Kliniken.
Mangelnde Koordination im Notfallmanagement
„Die Krankenhausneurologen nehmen die Herausforderung grundsätzlich gerne an“, sagt Prof. Dr. Frank Erbguth, Vorsitzender der DGN-Kommission Leitende Krankenhausärzte. „Doch jetzt sind auch die gesundheitspolitischen Akteure am Zug.“ Denn die Rahmenbedingungen der Notfallversorgung hinken der zunehmenden Inanspruchnahme der Notfallmedizin hinterher, wie die DGN-Studie feststellt:
- Bis zu ein Drittel der Notaufnahmevorstellungen erfolgen bei nicht dringlichen Konstellationen. Der hohe Anteil wird unter anderem auf monatelange Wartezeiten auf Termine bei niedergelassenen Neurologen zurückgeführt.
- Es mangelt an einer Koordination der unterschiedlichen Player im Notfallmanagement: Neurologie-Praxis, ärztlicher KV-Bereitschaftsdienst, Terminvergabestellen der KV, Rettungsleitstellen, Portalpraxen und Klinik-Notaufnahmen.
- Regelhaft ist das ärztliche und pflegerische Notaufnahmepersonal überlastet, und die neurologischen Kliniken stellen in erheblichem Umfang Ressourcen aus ihrem „stationären Kerngeschäft“ für die unterfinanzierte Notaufnahme zur Verfügung.
Der Ansturm auf die Notaufnahmen fordert die Krankenhausneurologen fast täglich fachlich und logistisch heraus. „In manche Kliniken kommen 14.000 Neuro-Notfall-Patienten im Jahr“, sagt Professor Erbguth, Direktor der Universitätsklinik für Neurologie am Klinikum Nürnberg.
Mit welchen Strategien neurologische Kliniken die Patientenströme steuern können, welche Ausbildungskonzepte der Entwicklung Rechnung tragen und warum die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Grundlagen der neurologischen Notfallmedizin wichtig ist, werden Experten aus verschiedenen Sektoren der neurologischen Notfallversorgung auf dem 90. DGN-Kongress vom 20. bis 23. September 2017 in Leipzig diskutieren.
Quellen:
Topka H et al. Onlineumfrage zur Struktur der Notfallneurologie in Deutschland 2016. Nervenarzt 2017 (Epub doi:10.1007/s00115-017-0343-x).
Lange R et al. Brennpunkt Notaufnahme. Nervenarzt 2016 · 87:592–602
Thesenpapiere der Bundesärztekammer zur Notfallversorgung in Deutschland 2017. Onlinewww.baek.de/notfallversorgung
Wallesch CW et al. Organisation der Notaufnahmen in Krankenhäusern mit neurologischer Fachabteilung. Aktuelle Neurol 2007. 34:416–421