Donnerstag, März 28, 2024

Neuigkeiten aus der Rheumatologie

In der Rheumatologie gibt es beeindruckende Fortschritte in der medikamentösen Therapie und der Versorgungsqualität im niedergelassenen Bereich.

Fortschritte in der Rheumatologie: In der medikamentösen Therapie rheumatischer Erkrankungen wurden in den letzten Jahren bahnbrechende Erfolge erzielt. Mittlerweile gibt es mehr als ein Dutzend Biologika und bereits die ersten Biosimilars. Als Nächstes werden sogenannte small molecules auf den Markt kommen, die erstmals eine orale Therapie ermöglichen. Auf der anderen Seite lassen sich maßgebliche Verbesserungen der Versorgungsqualität im niedergelassenen Bereich erzielen – dieser Bereich ist der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie (ÖGR) ein besonderes Anliegen. So haben Rheumatologen in Oberösterreich eine Akutsprechstunde für Patienten eingeführt und die Resultate evaluiert. Darüber hinaus wurde österreichweit die interdisziplinäre Kooperation von Allgemeinmedizinern und Rheumatologen untersucht. Beide Arbeiten besitzen Vorbildcharakter und wurden heuer in renommierten Journalen publiziert (1, 2).

 

Weitere Fortschritte durch neue Medikamente

Um die Jahrtausendwende wurde die Behandlung rheumatischer Erkrankungen dank der Einführung der Biologika revolutioniert. Diese monoklonalen Antikörper wirken extrazellulär, indem sie zirkulierende Botenstoffe (Zytokine) der Entzündungskaskade blockieren. Während früher die Therapieergebnisse oft äußerst limitiert waren, wirken die modernen Medikamente so effizient, dass viele Patienten beschwerdefrei sind, auf Urlaub fahren oder sogar Sport betreiben können. In etwa zwei bis drei Jahren wird nun die Einführung sogenannten kleiner Moleküle – small molecules – mit intrazellulärem Angriffspunkt erwartet. Besonderer Vorteil: Sie werden in Tablettenform zur Verfügung stehen. Zwar wird möglicherweise das Therapieergebnis nicht weiter verbessert, sehr wohl jedoch die Einnahmequalität. Die Patienten werden damit keine Spritzen, keine Infusionen und keine Einschulungen mehr benötigen.

 

Akutsprechstunde in Oberösterreich

Ein zentraler Tätigkeitsschwerpunkt der ÖGR liegt im Bereich der Versorgungsforschung – insbesondere in speziell österreichischen Projekten, die nicht auf die medikamentöse Behandlung fokussiert sind. Beispielsweise wurde in Oberösterreich von den sechs niedergelassenen Rheumatologen mit Kassenstelle eine Akutsprechstunde eingeführt. Dafür stellt jeder Kollege einen bestimmten Teil seiner Ordinationszeit bereit. Die Patienten können per telefonischer Anmeldung sehr unkompliziert kommen, entweder mit oder ohne Überweisung von einem Allgemeinmediziner oder Facharzt. Die Wartezeit beträgt maximal eine Woche, die Begutachtungszeit maximal 15 Minuten. Ziel dieser Initiative ist es, die – bisher in der Regel viel zu lange – Zeit bis zum Behandlungsbeginn entscheidend zu verkürzen. Denn insbesondere bei rheumatoider Arthritis (RA) sollte eine Therapie innerhalb von drei Monaten beginnen – nur dann ist gewährleistet, dass keine Schäden zurückbleiben. Die Ergebnisse wurden 2016 im renommierten Journal of Rheumatology publiziert (1). Demnach wurden 43 Prozent der an RA Neuerkrankten innerhalb von drei Monaten gefunden. Bei einer Vergleichsgruppe (vor Etablierung der Akutsprechstunde) waren dies nur etwa 16 Prozent. Nach sechs Monaten wurden alle insgesamt 335 Patienten reevaluiert. Dabei zeigte sich eine Diagnosetreffsicherheit von 90 Prozent. Damit konnte erstmals gezeigt werden, dass im niedergelassenen Setting ein vergleichbar gutes Ergebnis wie im Krankenhaus erzielt werden kann.

 

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Im Jahr 2014 wurde eine österreichweite Umfrage bei allen Allgemeinmedizinern und Rheumatologen über ihre interdisziplinäre Zusammenarbeit durchgeführt. Ein speziell für diese Zwecke entwickelter Fragebogen wurde an 4.016 Praktiker und 180 Rheumatologen ausgeschickt. Resultate: Bei Verdacht auf RA wurden von den meisten Allgemeinmedizinern und Rheumatologen spezifische Labortests sowie ein Röntgen der betroffenen Gelenke vor Überweisung empfohlen. RA, Spondyloarthritis, Psoriasiarthritis und Bindegewebserkrankung wurden von beiden Disziplinen als Indikation zur Überweisung an einen Rheumatologen erachtet. Die meisten Allgemeinmediziner und Rheumatologen waren der Ansicht, dass die Therapie mit krankheitsmodifizierenden Substanzen (DMARDs) von einem Spezialisten initiiert werden sollte und dass für die weitere Betreuung der Hausarzt zuständig ist. Begleitende Follow-up-Visiten beim Rheumatologen in Drei- bis Sechs-Monatsintervallen wurden befürwortet.

Auf Basis dieser Ergebnisse wurde ein gemeinsamer Algorithmus für eine optimale Versorgung von Rheumapatienten – betreffend nicht nur RA, sondern alle entzündlichen Gelenkserkrankungen – entwickelt. Die Resultate dieser Arbeit wurden 2016 in PLOS One publiziert (2).

 

Biomarker für Therapieansprechen gesucht

Darüber hinaus betreiben österreichische Rheumatolgen eine Reihe weiterer Projekte. So läuft derzeit eine interessante Studie unter der Schirmherrschaft der Klinischen Abteilung für Rheumatologie, Univ.-Klinik für Innere Medizin III unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Josef Smolen. Ziel ist es, Biomarker zu identifizieren, die eine Vorhersage über das individuelle Therapieansprechen auf Biologika ermöglichen. Dieses Thema ist deshalb von großer Relevanz, weil Biologika bei vielen, aber nicht allen Patienten wirken und sich in manchen Fällen erst die dritte oder vierte Substanz als individuell geeignet und nützlich erweist. Wenn es gelingt, das Therapieansprechen im Vorhinein besser abschätzen zu können, kann wertvolle Zeit bis zum Beginn einer wirksamen Behandlung eingespart werden. Die Studie befindet sich derzeit in der Rekrutierungsphase, erste Ergebnisse werden in etwa zwei Jahren erwartet.

Dr. Rudolf Puchner
Dr. Rudolf Puchner

Quelle:

Statement » Neuigkeiten aus der Rheumatologie am Beispiel der rheumatoiden Arthritis « con Dr. Rudolf Puchner, Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie in Wels, Präsident elect der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie (ÖGR).

Literatur:

Puchner R, Janetschko R, Kaiser W, Linkesch M, Steininger M, Tremetsberger R, Alkin A, Machold K. Efficacy and Outcome of Rapid Access Rheumatology Consultation: An Office-based Pilot Cohort Study. J Rheumatol. 2016 Jun;43(6):1130-5. doi: 10.3899/jrheum.151210. Epub 2016 Apr 1.

Puchner R, Edlinger M, Mur E, Eberl G, Herold M, Kufner P, Puchner A, Puchner SE, Redlich K, Alkin A, Machold K. Interface Management between General Practitioners and Rheumatologists – Results of a Survey Defining a Concept for Future Joint Recommendations. PLoS One. 2016 Jan 7;11(1):e0146149. doi: 10.1371/journal.pone.0146149. eCollection 2016.

Related Articles

Aktuell

Steviosid: Eine revolutionäre Alternative zu Zucker

Mit seiner Süßkraft, die deutlich stärker ist als die von Zucker, hat Steviosid (ohne jegliche Kalorien) die Welt der Süßstoffe revolutioniert. Mit einer Süßkraft, die...
- Advertisement -

Latest Articles

Digital Detox: Der Weg zu einer besseren Männergesundheit

Die Entscheidung für einen Digital Detox ist ein Schritt hin zu bewussterem Leben und Arbeiten. In unserer heutigen, digital dominierten Welt ist es kaum noch...

Gartenmelde und seine Heilwirkung

Die Gartenmelde kommt in der Volksmedizin mit seiner diuretischen (harntreibenden) Heilwirkung als Brechmittel und als Abführmittel zum Einsatz. Gartenmelde ist ein vielseitiges Kraut in Küche...

Biosimilars in der Therapie der Psoriasis

Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars mit Original-Biologika für die Behandlung von Psoriasis lässt Fragen offen. Bei der Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Psoriasis...