Gender Difference: Studien belegen, dass Schmerz sowohl geschlechtsspezifisch, als auch individuell verschieden verarbeitet und integriert wird.
Die moderne Schmerzmedizin hat beeindruckende Erfolge zu verzeichnen. Bei vielen Schmerzformen gilt heute, dass den betroffenen Patienten wirksam geholfen werden kann. Trotzdem erhalten noch immer bei weitem nicht alle SchmerzpatientInnen auch tatsächlich eine angemessene, an ihre individuelle Bedürfnisse angepasste Schmerztherapie. Dazu gehört die sogenannte Gender Difference bei Schmerzen.
Der Schmerz – per se ein sinnvolles Phänomen der Informationsverarbeitung auf verschiedene irritiativ wirkende Veränderungen – ergreift den gesamten Menschen psychisch und physisch. Alleine das menschliche Gehirn verfügt über etwa 100 Milliarden Nervenzellen, die jeweils mittels tausender Synapsen untereinander vernetzt sind. Verschiedene Überträgersubstanzen und Rezeptoren ermöglichen die chemische Reizübertragung und bewirken unterschiedliche Reizantworten in den nachgeschalteten Zellen.
Geschlechtsspezifischer Schmerz
Internationale Studien belegen, dass Schmerz sowohl geschlechtsspezifisch ist, als auch individuell verschieden verarbeitet und integriert wird. Frauen haben eine niedrigere Schmerzschwelle und können Schmerzarten besser unterscheiden als Männer. So konnte in PET-Aufnahmen gezeigt werden, dass im weiblichen Gehirn ein Großteil der Schmerzverarbeitung im Limbischen System stattfindet – dem Sitz der Gefühle. Bei Männern hingegen sind die analytischen Zentren der Hirnrinde aktiver.
Auch das Hormonsystem ist in die Schmerzverarbeitung eingebunden: Östrogene steigern die Aktivität des Nervensystems und verstärken die Weiterleitung schmerzhafter Impulse. Die männlichen Sexualhormone dürften dämpfend wirken. Letzteres gilt auch für das Gelbkörperhormon Progesteron. Das erklärt auch das Phänomen, dass in einer ganz bestimmten Situation (vor und während einer Geburt) die Schmerzschwelle von Frauen massiv ansteigt.
Allgemein anerkannt ist die Tatsache, dass Frauen öfter an chronischen Schmerzen leiden. Um zu Schmerzfreiheit zu gelangen, benötigen sie höhere Schmerzmitteldosen.
Behandlungskaskade
Grundsätzlich machen Schmerzen des Bewegungsapparates bis zu 60% aller Behandlungs- und Beratungsfälle in den Allgemeinmedizinischen Praxen aus. Oftmals sind Ärzte für Allgemeinmedizin die erste Anlaufstelle für Schmerzpatienten. Differentialdiagnostische Fähigkeiten, sowie ein multimodales Schmerzmanagement sind die Voraussetzung für eine adäquate Therapie – auch unter Einbeziehung verschiedener fachärztlicher Disziplinen bis hin zu spezialisierten Kompetenzzentren. Die Ärzte an der Basisversorgung sollten im Idealfall manualmedizinisch und komplementärmedizinisch ausgebildet sein und über Kenntnisse in der psychosozialen und psychosomatischen Medizin verfügen.
Weitere Informationen:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2823483/
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11203754