Freitag, März 24, 2023

Schlaganfallrisiko: Frühes Ultraschall-Screening auf Carotisstenosen

Ein frühes Ultraschall-Screening im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen ist sinnvoll, um asymptomatische Carotisstenosen aufzuspüren.

Rund 265.000 Menschen erleiden jährlich in Deutschland einen Schlaganfall. Bei etwa 30.000 Patienten ist die Ursache eine Verengung oder ein Verschluss der inneren Halsschlagader – die sogenannte Carotisstenose. Kalkablagerungen in der Carotis können aufbrechen, als Gerinnsel ins Gehirn verschleppt werden und so einen Schlaganfall auslösen. Ultraschall-Experten können schon frühzeitig leichte Gefäßveränderungen bis hin zu Carotisstenosen heute sehr gut durch eine Sonografie der Halsgefäße diagnostizieren. In Diskussion steht, ob ein Carotis-Ultraschallscreening im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll ist und ob asymptomatische Carotisstenosen bei Menschen höheren Alters zwingend eine Operation zur Folge haben müssen.

 

Bewährt zur Risikoabschätzung: Mit Ultraschall-Untersuchung Carotis

Der Schlaganfall gehört nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Je älter die Patienten sind, desto höher das Risiko. „Die Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader ist eine breit verfügbare Technik, um das individuelle Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, insbesondere für Schlaganfälle, abzuschätzen“, erklärt Professor Dr. med. Felix Schlachetzki, Chefarzt Zentrum für Vaskuläre Neurologie und Intensivmedizin, Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Regensburg, medbo Bezirksklinikum Regensburg.

Im Ultraschall kann ein Arzt feststellen, ob die Carotis eine erhöhte Intima-Media-Dicke (Verdickung der inneren und mittleren Schicht der Gefäßwand) oder Plaques (Lipid- und Kalkablagerungen) aufweist. „Ist dies der Fall, sollten Patienten dazu ermutigt werden, sich mehr zu bewegen, Übergewicht zu reduzieren sowie gegebenenfalls ihre Ernährung umzustellen und das Rauchen aufzugeben“, so der stellvertretende DEGUM-Arbeitskreisleiter „Vaskulärer Ultraschall“.

 

Vorbeugung

Außerdem müssen bestehende Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Cholesterin konsequent behandelt werden, um das Risiko für einen Gefäßverschluss einzudämmen. Diese präventiven Therapien – auch als „best medical treatment“ bezeichnet – seien bei Risikopatienten mit erblicher Vorbelastung auch schon im berufsfähigen Alter unbedingt empfehlenswert. Im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung sei das Carotis-Ultraschallscreening daher durchaus sinnvoll, gibt der Ultraschall-Experte zu bedenken.

Entstehen durch Kalkablagerungen aus Plaques erst einmal manifeste Stenosen – also Engstellen an der Halsschlagader – können diese aufbrechen, als Gerinnsel ins Gehirn verschleppt werden und so einen Schlaganfall auslösen. Welche Therapie nach einer entsprechenden Diagnose erfolgen soll, muss interdisziplinär bewertet werden. Das Carotis-Screening darf hier nicht alleinige Entscheidungsgrundlage sein.

„Bei allen Patienten mit Stenosen der Halsschlagadern ist eine detaillierte Nutzen-Risiko-Abwägung zwischen den Möglichkeiten der modernen Pharmakotherapie und den operativen Möglichkeiten inklusive Stenting nötig, und da ist auch das reelle Patientenalter ein wichtiges Kriterium“, mahnt der Neurologe.

 

Carotisstenosen mit Ultraschall erkennen

So sind Carotisstenosen, die keine Symptome verursachen, zwar ein Maßstab für Erkrankungen des gesamten arteriellen Systems. „Sie sind aber gleichzeitig nur ein Teil des komplexen arteriellen Hirnversorgungssystems, welches durchaus in der Lage ist, sich anzupassen“, erklärt Schlachetzki.

Das führe dazu, dass der Anteil der Arteriosklerose-bedingten Schlaganfälle ab der siebten Lebensdekade wieder sinke. Eine Carotisstenose müsse in diesem Alter deshalb immer in der Zusammenschau des gesamten Gefäßsystemzustandes betrachtet werden. Zudem seien die möglichen Komplikationsraten einer Carotis-Operation beziehungsweise eines Carotis-Stents gegenüber den Möglichkeiten des „best medical treatment“, von dem auch die Herzinfarkte und arterielle Verschlusskrankheit der Beine profitieren, abzuwägen.

Insgesamt ist aus neurologischer Sicht ein Ultraschall- Screening der Halsschlagadern wichtig, um frühe Carotisstenosen, Gefäßwandveränderungen, zwischen dem 30. und 70. Lebensjahr an den Carotiden zu erkennen. „Damit können wir das sogenannte Gefäßalter eines Menschen definieren und gegebenenfalls notwendige Lebensveränderungen initiieren“, fasst Schlachetzki zusammen. Hier hilft ein breites Screening bei versierten Ultraschallern. Werden hämodynamisch relevante Stenosen erkannt, sollte jedoch Aktionismus vermieden und die Patienten zu neurovaskulären Experten überwiesen werden. Dazu gehören insbesondere Neurologen oder Angiologen, die auch intrakranielle Gefäße beurteilen können. Eine Operation oder Stent-Therapie ohne vorherige Begutachtung durch diese Spezialisten sei strikt abzulehnen und für den Patienten gefährlich.


Literatur:

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Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM)

 

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