Freitag, April 19, 2024

Radikale LDL-Cholesterinsenkung mit PCSK9-Inhibitoren

Eine radikale LDL-Cholesterinsenkung mittels PCSK9-Inhibitoren ist sicher und führt zu einer Verringerung von Todesfällen, nicht tödlichen Herzinfarkten und Schlaganfällen.

Die neuen PCSK9-Inhibitoren ermöglichen eine radikale LDL-Cholesterinsenkung. Mit Statinen und diätetischen Maßnahmen alleine kann das leitliniengerechte Behandlungsziel für Risikopatienten von zumindest 70mg/dl oft nicht erreicht werden. Dass die radikale LDL-Cholesterinsenkung mittels PCSK9-Inhibitoren für die Patienten sicher ist und zu einer Verringerung von Todesfällen, nicht tödlichen Herzinfarkten und Schlaganfällen führt, zeigen nun zwei weitere neue Studien. Dabei verhindern PCSK9-Inhibitoren nicht nur das Fortschreiten einer Arteriosklerose, sondern helfen auch, vorhandene Verengungen wieder abzubauen.

 

PCSK9-Inhibitoren

„Dass sich LDL-Cholesterin mit den seit kurzem verfügbaren PCSK9-Inhibitoren dauerhaft um mehr als 50 Prozent senken lässt, wussten wir. Unklar war, ob diese radikale Reduktion für Patientinnen und  Patienten sicher ist und ob der Abbau von LDL-Cholesterin auch tatsächlich zu einer Reduzierung von Herzinfarkten und anderen kardiovaskulären Ereignissen führt. Inzwischen liegen zwei große internationale Studien vor, mit denen sich beide Fragen mit einem klaren „Ja“ beantworten lassen.“ Das berichtet Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Siostrzonek (Ordensklinikum Linz) auf einer Pressekonferenz anlässlich der ÖKG-Jahrestagung 2017.

Für die globale FOURIER-Studie (Further Cardiovascular OUtcomes Research with PCSK9-Inhibition in Subjects with Elevated Risk) wurden mehr als 27.500 Risiko-Patienten mit einer Koronaren Herzererkrankung (KHK) untersucht. 81 Prozent hatten bereits einen Herzinfarkt und 19 Prozent einen Schlaganfall erlitten. Mit den verabreichten, meist sehr hoch dosierten Statinen war es lediglich gelungen, den durchschnittlichen LDL-Wert auf 92 Milligramm/Deziliter (mg/dl) zu senken. „Ein leitliniengerechtes Behandlungsziel ist in solchen Fällen eine Senkung auf zumindest 70mg/dl – ein Wert, den trotz Statinen und diätischen Maßnahmen nur wenige Patienten erreichen“, so Prof. Siostrzonek. „Während die LDL-Werte in der Placebogruppe konstant beim Ausgangswert blieben, sanken sie in der Gruppe der mit PCSK9-Inhibitoren Behandelten im Durchschnitt auf 30 mg/dl.“

 

Humane Antikörper senken Herzinfarkte und Schlaganfälle radikal

Im 26 Monate dauernden Studienzeitraum gingen auch die Todesfälle, nicht tödlichen Herzinfarkte und Schlaganfälle in der PCSK9-Gruppe deutlich zurück. Während eines dieser Ereignisse bei 5,9 Prozent der mit Antikörpern behandelten Patienten auftrat, waren in der Vergleichsgruppe 7,4 Prozent davon betroffen, also um 25 Prozent mehr. Zählt man zu diesen harten Endpunkten noch die Einweisungen mit instabiler Angina Pectoris und erneut notwendig gewordene Gefäßaufdehnungen dazu, zeigte sich in der PCSK9-Gruppe immer noch eine Risikoreduktion um 15 Prozent.

 

Positive Effekte nehmen mit Behandlungsdauer zu – Neues Motto: „The lower – the better“

Es zeigte sich, dass die Patienten umso mehr profitieren, je länger die Behandlung dauert. Während Herzinfarkte und Schlaganfälle im ersten Jahr um 19 Prozent gesenkt werden konnten, betrug der Rückgang im zweiten bereits 33 Prozent. Prof. Siostrzonek: „Es wird interessant sein zu sehen, ob sich dieser Trend in späteren Studien mit längerer Laufzeit weiter fortsetzt.“

Diese Studie bringe die eindeutige und konsistente Evidenz, dass LDL-Cholesterin nicht nur einen Biomarker darstellt, sondern ursächlich an der Entstehung der Arteriosklerose beteiligt ist. Prof. Siostrzonek: „Und sie zeigt, was es bringen kann, das LDL so radikal wie möglich zu senken. Das neue Motto muss also lauten: The lower – the better “.

 

PCSK9-Inhibitoren bauen Plaque ab

In einer weiteren Arbeit konnten die Autoren nachweisen, dass die neuen Medikamente nicht nur die Progression einer Arteriosklerose verhindern, sondern auch öfter vorhandene Verengungen wieder abzubauen helfen. Für die GLAGOV-Studie wurden rund 1.000 Patienten untersucht, von denen die eine Hälfte eine herkömmliche Statin-Therapie, die andere zusätzlich PCSK9-Inhibitoren bekam. Zu Beginn wurde mittels Ultraschall gemessen, wieviel Plaque sich an den Herzgefäßen bereits angesammelt hatte. Nach 18 Monaten wurde diese Untersuchung wiederholt. Während es in der Placebo-Gruppe bei 47,3 Prozent zu einer Plaque-Regression gekommen war, konnte das in der Verum-Gruppe bei 64,3 Prozent gemessen werden.

 

Gute Sicherheit

Die Behandlung mit humanen Antikörpern ist vollkommen sicher, berichtet Prof. Siostrzonek. Abgesehen von vereinzelten Hautreaktionen an der Injektionsstelle traten keine nennenswerten Nebenwirkungen auf. Da Cholesterin unter anderem auch beim Signalaustausch zwischen Nervenzellen eine Rolle spielt, war eine der Befürchtungen, dass eine zu radikale Lipidsenkung zu Lasten der kognitiven Leistungsfähigkeiten gehen könnte. In der mit einem Teil der FOURIER-Patienten durchgeführten EBBIBINGHAUS-Studie hat sich allerdings gezeigt, dass weder das Arbeitsgedächtnis noch die Gedächtnisfunktion oder die psychomotorische Geschwindigkeit durch die LDL-Senkung beeinträchtigt wurden.

Sparzwang verhindert, dass Innovationen bei Patienten ankommen

„Derzeit ist es leider so, dass diese wichtige Innovation aufgrund der restriktiven Verschreibungsrichtlinien nur wenigen Patienten zugute kommt“, kritisiert kritisiert Prof. Siostrzonek. Bislang decken sich die Erstattungsbedingungen des Hauptverbandes nicht mit den Zulassungsbedingungen und den aktuell gültigen und international völlig unstrittigen Behandlungsleitlinien. Denen zufolge sollten KHK-Risikopatienten einen LDL-Spiegel von unter 70 mg/dl erreichen. Trotzdem dürfen die neuen Medikamente bei uns erst verschrieben werden, wenn der Wert über 100 liegt. „Der Grund dafür liegt auf der Hand: Noch sind diese neuartigen Präparate vergleichsweise teuer. Das ist auch uns Ärztinnen und Ärzten bewusst und im Interesse unserer Patienten sind wir die ersten, die für eine gewissenhafte Abwägung der Kosten-Effektivität eintreten“, so kritisiert Prof. Siostrzonek. „Dennoch ist es derzeit so, dass ausgerechnet Kardiologen diese neuen Medikamente nicht selbst verschreiben dürfen, sondern ihre Patienten zur Genehmigung an ein – je nach regionalen Gegebenheiten oft weit entferntes – Stoffwechselzentrum überweisen müssen. Das ist eine auf der ganzen Welt einzigartige Vorgangsweise, die die Behandlung erschwert oder verunmöglicht und für die wir Kardiologen kein Verständnis haben.“


Quellen: Evolocumab and Clinical Outcomes in Patients with Cardiovascular Disease, N Engl J Med 2017; 376:1713-1722May 4, 2017DOI: 10.1056/NEJMoa1615664

Effect of Evolocumab on Progression of Coronary Disease in Statin-Treated PatientsThe GLAGOV Randomized Clinical Trial; JAMA. 2016;316(22):2373-2384. doi:10.1001/jama.2016.16951Evaluating PCSK9 Binding antiBody Influence oN coGnitive HeAlth in High cardiovascUlar Risk Subjects (EBBINGHAUS), Medscape 21.3.2017

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