Freitag, April 19, 2024

Corona-Krise: Versorgung von Kindern mit Covid-19 in München und Bayern

Coronavirus-Pandemie: Interview zur Corona-Krise mit Infektiologen Prof. Dr. Johannes Hübner zur Versorgungslage von Kindern mit Covid-19.

Bei Kindern, die an COVID-19 erkranken, sind Fieber und Husten die häufigsten klinischen Corona-Symptome. Wobei manche der jungen Patienten auch an Müdigkeit, Myalgie, verstopfter oder laufender Nase, Niesen, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen sowie Bauchschmerzen leiden.



Einige Kinder haben kein Fieber, sondern nur Husten oder Durchfall, manche können asymptomatisch sein. Einige Kinder und Neugeborene weisen atypische Symptome auf, die sich in Erbrechen, Durchfall und anderen gastrointestinalen Symptomen oder nur in Asthma und Atemnot äußern.

Der erste in Wuhan, China, gemeldete schwere Fall einer Infektion im Kindesalter begann mit gastrointestinalen Symptomen. Das Kind zeigte keine offensichtlichen frühen Manifestationen der Atemwege. Allerdings entwickelte sich jedoch rasch ein akutes Atemnotsyndrom.

Der deutsche Infektiologe Prof. Dr. Johannes Hübner vom Dr. von Haunerschem Kinderspital am LMU Klinikum München berichtet im Interview über die Versorgungslage von Kindern mit Covid-19 in München und Bayern.

 

Herr Prof. Hübner, wie sieht in der Corona-Krise die aktuelle Versorgung in Bayern und München bei Kindern mit Covid-19 aus, welche Kinder sind besonders gefährdet?

Prof. Hübner: Die Situation ist bezüglich der Kinder sehr ruhig. Das war auch so zu erwarten nach den Erfahrungen in China und Italien. Kinder sind von Covid-19 sehr viel weniger betroffen, als Erwachsenen. Infektionen sind seltener und sie verlaufen auch sehr viel milder.

Schwere Verläufe und Todesfälle sind im Kindesalter absolute Ausnahmen. In Deutschland wissen wir durch eine große Umfrage von derzeit 65 stationären Aufnahmen von Kindern.

Interessant ist, dass es bisher auch keinerlei Hinweise darauf gibt, dass bestimmte Risikogruppen – wie zum Beispiel Kinder mit onkologischen Erkrankungen oder mit angeborenen Immundefekten – besonders gefährdet sind.



 

Gibt es Unterschiede in der Behandlung von infizierten Kindern im Vergleich zu erwachsenen Covid-19 Patienten?

Prof. Hübner: Bisher gibt es ja keine zugelassenen oder breiter getesteten Therapien – alles beruht eher auf Fallberichten und nicht zugelassenen Medikamenten oder auf Substanzen, die eigentlich für andere Krankheiten verwendet werden und bisher auch nur für diese zugelassen sind.

Wir sind da im Kindesalter sehr zurückhaltend und können das bisher auch sein, weil die allermeisten Verläufe so milde sind, dass man keine spezifischen Therapien braucht. In den seltenen schweren Fällen wird man dann aber auch auf die Medikamente zurückgreifen, die bei Erwachsenen am vielversprechendsten sind.

 

Wie viele Kinder mit dem Coronavirus haben Sie bis jetzt in der Haunerschen Kinderklinik behandelt. Und wie viele sind aktuell in der Behandlung? Gibt es auch Kinder, die auf der Intensivstation beatmet werden müssen?

Prof. Hübner: Wir haben hier bisher nur drei Kinder mit Covid-19 betreut. Über Kollegen war ich auch in die Behandlung von drei weiteren Kindern im Münchner Umkreis involviert. Eines dieser Kinder war komplett asymptomatisch, da war die Diagnose ein Zufallsbefund. Die anderen Kinder hatten nur milde Corona-Symptome und konnten rasch wieder nach Hause entlassen werden. Ein Kind war allerdings auch so krank, dass es auf die Intensivstation aufgenommen und beatmet werden musste.

Derzeit gibt es in Deutschland nach der oben erwähnten Umfrage acht Kinder, die auf einer Intensivstation liegen und eines dieser Kinder muss auch beatmet werden.

 

Viele Eltern haben Angst in die Klinik zu kommen, weil sie befürchten, ihr Kind könnte sich dort mit dem Coronavirus anstecken. Welche Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen hat die Haunersche Kinderklinik getroffen, um die kleinen Patientinnen und Patienten und auch das eigene Personal zu schützen?

Prof. Hübner: Wir sehen in der Tat einen massiven Rückgang der Patientenzahlen um ca. 50% in unserer Notfallambulanz. Und das ist nicht nur bei uns so, sondern in ganz Deutschland und auch in Italien. Wahrscheinlich haben Eltern Sorge, dass sie oder die Kinder sich infizieren. Und dann bleibt man bei einem banalen Infekt lieber erstmal zu Hause.

Aber wir dürfen natürlich Kinder mit schweren chronischen Krankheiten deshalb nicht vernachlässigen. Wir haben deshalb innerhalb der Klinik diese Bereiche ganz strikt getrennt.

 



Wer mit einem Verdacht auf einen Atemwegsinfekt oder nach einem Kontakt mit einer Covid-19-positiven Person in unsere Ambulanz kommt, der wird in einem speziell dafür ausgewiesenen Bereich behandelt. Direkt am Eingang wird dies abgefragt und die Patienten und Eltern werden dann direkt in diesen Bereich verwiesen.

Kinder mit nicht-infektiösen Problemen und Komplikationen von chronischen Erkrankungen werden separat in eigene Warteräume und Untersuchungszimmer geleitet. Um zu verhindern, dass sie sich mit SARS-COV-2 infizieren. Auch bezüglich der Klinikaufnahmen haben wir eine separate Station eingerichtet, auf der Patienten bis zum Vorliegen der Diagnostik isoliert werden können.

Bei geplanten Aufnahmen werden die Kinder am Tag vor der stationären Aufnahme abgestrichen, so dass das Ergebnis am eigentlichen Aufnahmetag schon vorliegt und die Kinder dann auch direkt auf die normalen Corona-freien Stationen aufgenommen werden können.

 

Prognosen zu Infektionsraten sind derzeit hinsichtlich der beschlossenen Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen schwierig. Aber können Sie uns aus Ihrer Erfahrung heraus erklären, wie die üblichen Infektionswege bei Kindern aussehen?

Prof. Hübner: Wahrscheinlich sind die Infektionswege bei Kindern die gleichen, wie bei Erwachsenen. Das heißt hauptsächlich über Tröpfcheninfektionen und über respiratorische Sekrete. Bei Kindern hat man auch häufig und über längere Zeiträume Virus-RNA im Stuhl nachweisen können, aber bisher in keinem Fall vermehrungsfähige Viren.

Wir vermuten deshalb, dass das Corona-Virus vor allem bei Kindern auch den Darm befallen und damit Magen-Darm-Symptome wie Übelkeit und Erbrechen verursachen kann. Das scheint aber nach derzeitigem Wissen nicht mit einer Übertragbarkeit der Erkrankung über Stuhl einherzugehen.

Ich vermute, dass Kinder bei dieser Erkrankung weniger ein Reservoir für neue Infektionen darstellen, als bei anderen Atemwegserkrankungen, wie zum Beispiel bei der Influenza.




Literatur:

She J, Liu L, Liu W. COVID-19 epidemic: Disease characteristics in children [published online ahead of print, 2020 Mar 31]. J Med Virol. 2020;10.1002/jmv.25807. doi:10.1002/jmv.25807


Quelle: Abteilung für pädiatrische Infektiologie, Klinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital, LMU Klinikum München

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