Freitag, März 29, 2024

Tierversuche in der Augenheilkunde vermeiden

Auf viele Tierversuche könnten man in der Augenheilkunde durchaus verzichten. Stattdessen könnten Organkulturen als Ersatz dienen.

 

Experten halten viele Tierversuche in der Augenheilkunde für überflüssig. Stattdessen könnten viele neue Medikamente an Netzhäuten geschlachteter Rinder und Schweine erprobt werden.

In der Medizinforschung greifen Wissenschaftler zunächst auf Zellkulturen zurück, um ein neues Medikament zu erproben. Ist die Testung erfolgreich, folgen Versuche an Tieren. Zu diesem Zweck werden in der Augenheilkunde weltweit jährlich 250.000 Labortiere benötigt. „In vielen Fällen könnten unserer Auffassung nach alternative Methoden zum Einsatz kommen“, sagt Professor Dr. med. Karl Ulrich Bartz-Schmidt, Kongress-Präsident und Ärztlicher Direktor der Universitäts-Augenklinik Tübingen. An seiner Klinik läuft derzeit ein Forschungprojekt, das solche Alternativen weiterentwickelt.

 

Tübinger Modell statt Tierversuche

Besonders vielversprechend ist ein Modell, das mit den Netzhäuten geschlachteter Rinder und Schweine arbeitet. „Normalerweise würden die Augen von Schlachttieren entsorgt“, erklärt Privatdozent Dr. med. Kai Januschowski, der an dem Projekt federführend forscht. „Innerhalb von zwanzig Minuten nach dem Schlachten können wir die Netzhäute unter abgedunkelten Bedingungen so entnehmen, dass sie funktionstüchtig bleiben.“ Anschließend lagert das empfindliche Gewebe in einer speziellen Dunkelkammer in einer Nährlösung. Derart erhalten, können die Forscher die Retina nun mit Lichtblitzen reizen, um Wirkung und Verträglichkeit neuer Substanzen zu testen. „Dabei nutzen wir die elektronischen Antworten auf den Lichtimpuls, sie zeigen uns die Reizverarbeitung und damit die Reaktion“, so Januschowski.

Die Tübinger Wissenschaftler sind von den Vorteilen dieses Tierersatzmodells überzeugt. „Ein Rinder- oder Schweineauge ist dem menschlichen Auge in Größe und Aufbau deutlich ähnlicher als das von Kaninchen oder Maus“, betont Januschowski. Hinzu kommt, dass es sich beim Auge um ein abgeschlossenes Organ handelt: Durch die Blut-Netzhautschranke haben viele Medikamente, die im und am Auge wirken, kaum Nebenwirkungen auf den restlichen Körper – somit ist häufig nicht nötig, die Wirkung der Arznei etwa noch auf Leber, Nieren oder Blutkreislauf zu überprüfen. Insgesamt erhalte man mit der retinalen Organkultur sogar wissenschaftlich bessere und genauere Antworten als das bei Tierversuche der Fall sei. Das Labortier werde damit vollständig ersetzt.

Inwieweit man auf Tierversuche mit Mäusen, Ratten und Kaninchen verzichten kann und welche Alternativen infrage kommen, diskutieren Experten auf dem 113. Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Die Tagung findet vom 1. bis 4. Oktober 2015 in Berlin statt.

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