Mittwoch, April 24, 2024

Hohes Thrombose-Risiko durch Rheuma, aber auch durch Covid-19

Menschen mit Rheuma haben ein hohes Thrombose-Risiko, wobei auch bei COVID-19 Thrombosen und Lungenembolien eine große Rolle spielen.

Rheuma-Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) und hoher Krankheitsaktivität leiden besonders häufig unter Thrombosen. Eine aktuelle schwedische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass unter Patienten mit hoher Krankheitsaktivität einer von hundert innerhalb eines Jahres eine venöse Thromboembolie entwickelt. Das entspricht einem Anstieg um mehr als das Zweifache im Vergleich zu Patienten in Remission. Eine Therapie mit so genannten biological disease-modifying antirheumatic drugs (bDMARD) kann dieses erhöhte Thrombose-Risiko reduzieren. Dies zeigen Daten des deutschen RABBIT1-Registers. Diese Information ist besonders angesichts der aktuellen Pandemie für Ärzte und Rheuma-Patienten von Bedeutung, denn auch bei COVID-19 spielen Thrombosen und Lungenembolien eine große Rolle im Erkrankungsgeschehen.

 

Rheuma, Thrombosen und Covid-19 als Risiko

Weltweit untersuchen Wissenschaftler, wie sich eine SARS-CoV-2-Infektion auf Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen auswirkt, um daraus Handlungsempfehlungen für die Therapie abzuleiten. EULAR rät, bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mir Rheuma immer an das Thrombose-Risiko zu denken und die Krankheitsaktivität regelmäßig zu kontrollieren. Eine Thrombose ist ein ernstzunehmendes medizinisches Problem.

Bei einer venösen Thromboembolie (VTE) tritt ein Blutgerinnsel in einem Gefäß auf, das den Blutfluss behindern kann. Eine rasche Diagnose und Behandlung sind wichtig. Denn vor allem bei unbehandelten tiefen Beinvenenthrombosen (TVT) besteht die Gefahr, dass es zu einer potenziell lebensbedrohlichen Lungenembolie kommt. Und zwar wenn Teile des Thrombus abreißen und mit dem Blutstrom in ein Lungengefäß gespült werden.

In bis zu 30 Prozent aller Fälle sterben die Patienten mit tiefen Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien binnen 30 Tagen nach der Diagnose (3).

Aufgrund chronischer Entzündungen, unter denen Patientinnen und Patienten mit Rheuma leiden, erhöht sich für sie das Risiko gefährlicher Beinvenen- und Lungen-Thrombosen um das Zwei- bis Dreifache (3).

„Bei Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper und löst an verschiedenen Stellen Entzündungen aus. Diese Entzündungen können die Gerinnung negativ beeinflussen“, erklärt EULAR-Präsident Professor Dr. med. Iain B. McInnes, The University of Glasgow, Schottland, Großbritannien.

 

Bei Patientinnen und Patienten mit Rheuma müsse daher immer auch an das Thrombose-Risiko gedacht werden!

Welche Faktoren das Entstehen einer Thrombose bei Patientinnen und Patienten mit RA begünstigen und welche Medikamente das Risiko reduzieren könnten, wurde jetzt in zwei aktuellen Studien untersucht. Einer von hundert RA-Patienten mit hoher Krankheitsaktivität erleidet eine Thrombose Eine schwedische Kohorten-Studie ging der Frage nach, ob der Grad der Krankheitsaktivität das Thrombose-Risiko beeinflusst (1).

Das Team um Viktor Molander, Doktorand am Karolinska Institutet in Stockholm, hat die Daten von 46.311 Patientinnen und Patienten mit RA aus dem schwedischen Qualitätsregister für Rheumatologie (SRQ) über einen Zeitraum von zwölf Jahren analysiert. Für die Messung der Krankheitsaktivität haben die Forscher den „Disease Activity Score“ (DAS) verwendet. Mit dem DAS28 erfasst man die Krankheitsaktivität der rheumatoiden Arthritis auf der Basis von 28 definierten Gelenken.

Die Studie belegt einen starken Zusammenhang zwischen der mit dem DAS28 gemessenen Krankheitsaktivität der RA und dem Risiko einer VTE: „Unter den Patienten mit hohen Entzündungswerten wird einer von hundert innerhalb des kommenden Jahres eine VTE entwickeln – das entspricht einer mehr zweifachen Zunahme im Vergleich zu Patienten in Remission“, fasst Molander die Ergebnisse zusammen.

„Die regelmäßige Untersuchung und Prüfung der Krankheitsaktivität beim Rheumatologen kann lästig sein. Sie ist jedoch sehr wichtig, um zu überprüfen, wie sich die Krankheit entwickelt und ob die Behandlung entsprechend angepasst werden muss“, so Professor Dr. med. John Isaacs, The University of Newcastle, Großbritannien, Vorsitzender des wissenschaftlichen Programm- Komitees beim EULAR.

 

Biologika können Thromboserisiko reduzieren

Auch die Medikation bei Rheuma-Erkrankungen hat im Grunde genommen Einfluss auf das Thrombose-Risiko. So genannte conventional synthetic disease-modifying antirheumatic drugs (csDMARD) wie Methotrexat, Sulfasalazin und Leflunomid gehören zur Basistherapie bei RA. Eine Alternative bilden die Biologika (bDMARD), dazu gehören unter anderem Tumor-Nekrose-Faktor- (TNF-)Inhibitoren wie Adalimumab, Certolizumab Pegol, Etanercept, Golimumab und Infliximab.

Ob der Einsatz von bDMARDs wie TNF-Inhibitoren im Vergleich zu csDMARDs das Thrombose-Risiko reduziert, haben Wissenschaftler um den Erstautor Dr. rer. nat. Martin Schäfer vom Programmbereich Epidemiologie des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums in Berlin untersucht. Hierfür hat das Team die Daten von mehr als 11.000 RA-Patientinnen und -Patienten aus dem deutschen RABBIT1-Register analysiert, die nach mindestens einem csDMARDVersagen entweder mit einem weiteren csDMARD behandelt oder auf die Therapie mit einem bDMARD umgestellt wurden.

Das Ergebnis: Die Behandlung mit TNF-Hemmern reduzierte das Risiko schwerer VTEEreignisse im Vergleich zu csDMARDs um fast die Hälfte. Eine erhöhte Entzündungsaktivität war auch anhand der RABBIT-Daten mit einem signifikant erhöhten Risiko für VTEs assoziiert. Denn ein CRP-Wert von mindestens 5 mg/l verdoppelte das Risiko annähernd.

„Bei Patienten mit erhöhtem Thrombose-Risiko sollte daher eine alternative Therapie mit TNF-Hemmern statt der Standardbehandlung mit csDMARD in Erwägung gezogen werden“, resümiert PD Dr. med. Anja Strangfeld, Studienleiterin des RABBIT Registers in Berlin und Mitautorin der Studie. „Darüber hinaus ist die Senkung der Entzündungsaktivität ein wichtiger Faktor, um das Risiko für VTEs zu vermindern“.

 

Therapie bei Rheuma unverändert fortführen, solange keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung auftreten

„Aus den Ergebnissen können wir jedoch nicht ableiten, dass Patienten mit entzündlichen rheumatologischen Erkrankungen durch ihre Therapie mit TNF-Hemmern vor einem schweren Verlauf einer COVID-19 Infektion geschützt sind“, so Isaacs.

„Vielmehr warnen wir ausdrücklich davor, Biologika ohne medizinische Indikation zum Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion oder einem schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung einzunehmen.“

EULAR rät Patienten, die Therapie ihrer rheumatischen Erkrankung unverändert fortzuführen. Und zwar solange keine Infektion mit dem Virus nachgewiesen ist und die Patienten keine Symptome einer COVID-19-Erkrankung aufweisen.

Zur besonderen Gefährdung dieser Gruppe und den erforderlichen Schutzmaßnahmen hat die EULAR eine aktuelle Stellungnahme veröffentlicht.


Literatur:

Molander V, Bower H, Askling J. Does the risk of venous thromboembolism vary with disease activity in rheumatoid arthritis? DOI: 10.1136/annrheumdis-2020-eular.353 Schäfer M, Schneider M, Graessler A et al. TNF inhibitors are associated with a reduced risk of venous thromboembolism compared to csDMARDs in RA patients. DOI: 10.1136/annrheumdis- 2020-eular.1505

Chung WS, Peng CL, Lin CL, et al. Rheumatoid arthritis increases the risk of deep vein thrombosis and pulmonary thromboembolism: a nationwide cohort study. Ann Rheum Dis. 2014;73(10):1774‐1780. doi:10.1136/annrheumdis-2013-203380

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