Sonntag, März 26, 2023

Telemedizinische Bewegungstherapie zur Reha

Im Projekt ReMove-It hat Fraunhofer mit Partnern eine telemedizinisch gestützte Bewegungstherapie entwickelt, die Patienten erlaubt, die Reha flexibler zu organisieren.

Wer ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk bekommt, muss danach länger in die Reha. Doch die Angebote sind knapp, die Termine für Berufstätige oft aus Zeitnot nicht einzuhalten. Die Folge: Die Therapie verzögert sich, es entstehen zusätzliche Kosten, mögliche gesundheitliche Einschränkungen drohen. Im Projekt ReMove-It hat Fraunhofer zusammen mit Partnern eine telemedizinisch gestützte Bewegungstherapie entwickelt, die Patienten erlaubt, die Reha flexibler zu organisieren. Ihre Wirksamkeit wurde bereits in einer repräsentativen Studie nachgewiesen, bis 2019 soll sie als Medizinprodukt zugelassen werden.

Künstliche Hüft- und Kniegelenke sind in Deutschland der häufigste Grund für Rehamaßnahmen. Um sich schnell wieder normal bewegen zu können, müssen die Patienten an einer ausgedehnten stationären Rehabilitation teilnehmen. Das Problem: In strukturschwachen Regionen stehen oft nicht ausreichend Angebote zur Verfügung. Gleichzeitig werden gebuchte Gesundheitsprogramme nicht wahrgenommen, weil die Termine mit den Arbeitszeiten kollidieren oder die Anfahrtswege zu lang sind. »Eine Herausforderung insbesondere für Berufstätige in ländlichen Regionen. Internetbasierte telemedizinische Angebote können hier eine sinnvolle Ergänzung sein«, sagt Dr. Michael John vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS.

Medizinprodukt bis 2019

Im Projekt »ReMove-It« haben die Berliner Forscher zusammen mit Reha-Kliniken, Sportmedizinern und Rehabilitations-Wissenschaftlern eine telemedizinisch gestützte Bewegungstherapie nach Hüft- oder Kniegelenkersatz entwickelt. Sie basiert auf dem System MeineReha® des Fraunhofer FOKUS. Die Partner haben in einer repräsentativen Studie ihre Wirksamkeit nachgewiesen und wollen es ab 2019 als Medizinprodukt für stationäre und ambulante Reha-Einrichtungen anbieten.

Kern der telemedizinisch gestützten Bewegungstherapie sind Videos, auf denen der Therapeut die verschriebenen Übungen ausführt und der Patient diese vor dem Bildschirm nachahmt. Die Videos sind vom jeweiligen Therapeuten selbst eingespielt und auf jeden Patienten individuell zugeschnitten. Es sind stehende, sitzende und liegende Übungen möglich. Noch während der Bewegungsausführung erhält der Patient Korrekturhinweise, falls sie nicht den medizinischen Vorgaben entspricht. Nachdem er die Übung absolviert hat, erhält der Patient eine Rückmeldung zur ausgeführten Qualität in Form von Rot- und Grün-Markierungen, die den einzelnen Körperbereichen Oberkörper, Arme und Beine zugeordnet sind. Im Anschluss an die Therapiesitzung bekommt das medizinische Personal in der Klinik die während des Übungsablaufs dokumentierten Bewegungsdaten via Internet zugesendet. Der betreuende Arzt und Therapeut haben dadurch einen Überblick über Leistungsstand und -entwicklung des Patienten, können den Therapieplan optimal an dessen Therapiefortschritt anpassen. Mithilfe von Text-, Audio- und Videonachrichten bleiben behandelnder Arzt, Therapeut sowie Patient kontinuierlich miteinander in Kontakt. Patienten müssen dafür eine kleine 3D-Kamera mit Internetzugang und die entsprechende Software erwerben sowie über einen handelsüblichen TV-Bildschirm verfügen. Vorab werden sie durch Therapeuten in die Benutzung des Systems eingeführt.

Die Patienten profitieren von einer orts- und zeitungebundenen Einzeltherapie. Die Genauigkeit des Systems ist so hoch, dass Bewegungsausführung und Trainingserfolg in Echtzeit gemessen werden können. Dafür sorgt ein von den Berliner Forscherinnen und Forschern programmierter Algorithmus. Er gleicht die von einer 3D-Kamera aufgenommen Bewegungsmuster der Patienten kontinuierlich mit zuvor gemeinsam mit den Therapeuten und Patienten definierten optimalen Parametern ab, zum Beispiel dem Winkel oder der Position der Gelenke sowie Skelettdaten.

Die digitale Bewegungstherapie erfüllt höchste IT-Sicherheitsstandards. Die Übungsergebnisse finden in pseudonymisierter, verschlüsselter Form via Internet ihren Weg zu den Therapeuten. »Diese können ihre Therapiepläne flexibler organisieren. Beispielsweise sind für sie nun auch Homeoffice-Modelle denkbar«, sagt John.

Auch Herz- und Parkinson-Patienten therapieren

Nach dem Wirksamkeitsnachweis wollen die Partner das System jetzt für die Zulassung fit machen. Dazu gehört auch ein Wirtschaftlichkeitskonzept, das die Kostenvorgaben von Rentenversicherungen, Krankenkassen, Ärzten und Reha-Fachleuten berücksichtigt und sich an Preismodellen für konventionelle stationäre und ambulante Versorgungsangebote orientiert. »Bis 2019 planen wir ein Medizinprodukt anzubieten, dass zwischen 29 und 49 Euro im Monat kostet. Gleichzeitig prüfen wir dessen Einsatz für andere Volkskrankheiten, die mit Bewegungstherapie behandelt werden können: zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Parkinson«, sagt John.

Related Articles

Aktuell

Adonis vernalis: das seltene Frühlings-Adonisröschen

Als Heilpflanze kommt das Frühlings-Adonisröschen, Adonis vernalis, meist als homöopathische Zubereitung bei Herzleistungsschwäche und Herzbeschwerden zum Einsatz. Die Pflanze Adonis vernalis kennt man auch als...
- Advertisement -

Latest Articles

Kinder am Bauernhof haben seltener Allergien, übertriebene Sauberkeit

Übertriebene Sauberkeit schaden, verschiedene Umwelteinflüssen wie spielen am Bauernhof können helfen, dass Kinder weniger Allergien haben. Kinder, die ihre ersten Lebensjahre in ­sehr sauberen, nahezu sterilen...

Stuhlinkontinenz – die Risikogruppe Frauen ist viel öfter betroffen

Stuhlinkontinenz, fäkale Inkontinenz, ist Ursache für unfreiwilligen Verlust von Darminhalt wie Stuhl oder Wind, wobei Frauen viel davon öfter betroffen sind. Die Stuhlinkontinenz wird auch als fäkale Inkontinenz...

Prokrastination betrifft vor allem junge Menschen

Prokrastination – Aufschieberitis – geht mit Stress, Depression, Angst, Einsamkeit und Erschöpfung einher. Vor allem männliche Schüler und Studierende sind betroffen. Wer kenn es nicht, dass unangenehme Tätigkeiten...
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner