Freitag, April 19, 2024

Problem der Resistenzbildungen gegen Krebsmedikamente

Resistenzbildungen gegen Krebsmedikamente, wobei Krebszellen gegen Wirkstoffe immun sind, gehören zu den größten Herausforderungen bei der Behandlung von Krebs.

 

Resistenzbildungen gegen Krebsmedikamente gehören zu den größten Herausforderungen bei der Behandlung von Krebs. Ein Team von Wissenschaftlern am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) und bei Boehringer Ingelheim in Wien konnte Mechanismen aufklären, die Krebszellen immun gegen eine neue vielversprechende Art von Krebsmedikamenten machen. Ihre Erkenntnisse, die heute in NATURE veröffentlicht wurden, zeigen Wege für effiziente, zeitlich präzise abgestimmte Kombinationstherapien auf.

Krebszellen sind mittlerweile sehr umfassend auf Genmutationen untersucht. Dieses komplexe genetische Wissen in wirksame Therapien umzusetzen, stellt jedoch eine große Herausforderung dar. Am IMP in Wien forscht der Mediziner und Molekularbiologe Johannes Zuber an neuen Möglichkeiten der zielgerichteten Krebstherapie. Systematisch sucht er nach Genen, von denen Krebszellen abhängig sind und die daher mögliche Angriffspunkte für zielgerichtete Medikamente darstellen, sogenannte „targeted therapies“.

Bereits 2011 fanden Zuber und ehemalige Kollegen am Cold Spring Harbor Laboratory (New York) in dem Molekül BRD4 eine derartige “Achillesferse” bei akuter myeloischer Leukämie (AML), einer besonders aggressiven Form von Blutkrebs. Die Entdeckung löste ein großes Echo aus und heute, nur vier Jahre später, sind bereits mehrere Hemmstoffe gegen BRD4 in klinischer Erprobung.

Trotz dieser ungewöhnlich raschen Entwicklung ist noch nicht klar, weshalb manche Krebsformen auf BRD4-Inhibitoren ansprechen und andere unempfindlich sind. „Selbst wenn wir eine eindeutige Schwachstelle des Krebses entdeckt haben, wissen wir oft nicht, warum die Zellen von diesem bestimmten Gen abhängig sind. Dieses Wissen brauchen wir aber, um zielgerichtete Therapien zu entwickeln und Patienten auszuwählen, die davon profitieren“, erklärt Zuber.

Auch das BRD4-Gen erwies sich in dieser Hinsicht als große Herausforderung. Gemeinsam mit US-Forschern und dem Team um Norbert Kraut bei Boehringer Ingelheim in Wien erstellten die IMP-Wissenschaftler Profile von empfindlichen und resistenten Zellen, um dem Problem auf den Grund zu gehen. Die Ergebnisse dieser gemeinsamen Anstrengung, die heute von NATURE veröffentlicht werden, offenbaren einen faszinierenden Mechanismus, mit dem Leukämiezellen ihrer Abhängigkeit von BRD4 entkommen können.

Krebszellen aktivieren Ausweichrouten in der Genregulation

Als Regulator-Gen kontrolliert BRD4 die Aktivität hunderter Gene, die durch die Inhibitor-Behandlung abgeschaltet werden. Ein für Leukämiezellen besonders wichtiges Gen ist das Onkogen MYC, welches das unbegrenzte Wachstum der Zellen gewährleistet. Eine Blockade von MYC trifft den Krebs also an einer sehr empfindlichen Stelle. Wie sich in einem genetischen Screen zeigte, können Zellen mancher Leukämie-Arten allerdings eine „Ausweichroute“ aktivieren und Gene wie MYC wieder einschalten, obwohl BRD4 blockiert ist.

Zellen, die auf diese Weise resistent gegen die Behandlung werden, gehen dabei ganz ähnliche Wege wie diejenigen Zellen, die gar nicht erst darauf ansprechen. „Es sah so aus, als lernten die anfangs sensitiven Zellen im Lauf der Zeit, was die resistenten Zellen bereits wissen“, fasst Philipp Rathert zusammen, der als Postdoktorand gemeinsam mit der Doktorandin Mareike Roth federführend an der Studie beteiligt war.

Um die Regulation von MYC im Detail zu studieren, konnte Johannes Zuber auf die Expertise seines IMP-Kollegen Alexander Stark zugreifen und die von ihm entwickelte Methode „STARR-seq“ nutzen. Damit lassen sich sehr effizient DNA-Abschnitte aufspüren, die als Verstärker an der Genregulation beteiligt sind. Letztlich konnte dadurch geklärt werden, auf welchen Pfaden resistente Leukämiezellen das Gen MYC wieder aktivieren. Dieses detaillierte Wissen lieferte den Forschern auch einen Anhaltspunkt, woran man gegen BRD4-Inhibitoren resistente Leukämieformen erkennen kann. Durch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Peter Valent von der Medizinischen Universität Wien konnte der Zusammenhang zwischen einem bestimmten Zellsignal und der Empfänglichkeit für die Therapie bestätigt werden.

Biomarker soll Behandlungserfolg vorhersagen

„Wir halten möglicherweise den ersten Biomarker in Händen, mit dem Ärzte den Erfolg einer Anti-BRD4 Therapie vorhersagen können“, kommentiert Johannes Zuber die Ergebnisse. Die neue Studie zeigte darüberhinaus, dass Zellen eine extrem große Plastizität bei der Genregulation besitzen und bei Blockade bestimmter Gene immer wieder neue Umwege aktivieren können. Neben bekannten Mechanismen der Resistenzbildung, wie Mutationen an Medikament-Bindungsstellen oder der Ausschleusung des Wirkstoffs aus den Zellen, werden hier ganz neue Wege aufgezeigt. Zuber und seine Kollegen bei Boehringer Ingelheim sind sicher, dass ein besseres Verständnis der Adaptionsmechanismen von Zellen zu neuen, wirksameren Kombinationstherapien führen wird, mit denen man den Krebs schließlich überlisten kann.

„Wir konnten zeigen, dass Krebszellen sich unseren Therapieversuchen entziehen, indem sie sich immer wieder anpassen“, so Zuber. „Doch das Repertoire an Ausweichrouten ist begrenzt. Wenn wir diese Routen verstehen und vorhersagen können, werden wir stets mit der nächsten, passenden Therapie bereitstehen. So sind wir dem Krebs immer einen Schritt voraus!“

Quelle: Die Studie “Transcriptional plasticity promotes primary and acquired resistance to BET inhibition” von Rathert & Roth et al. wurde am 14. 9.2015 von Nature veröffentlicht (DOI 10.1038/nature14898).

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