Zur Rolle und den Strukturen der Palliativmedizin in der Gefäßmedizin und Gefäßchirurgie: Bedeutung und Notwendigkeit der Palliativversorgung von Patienten mit Gefäßerkrankungen.
Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG) unterzeichnete am 13. Oktober 2021 im Rahmen ihrer 37. Jahrestagung die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland – zur Palliativversorgung von Patienten mit Gefäßerkrankungen.
Menschen, die mit Sterben und Tod durch eine fortschreitende, lebensbegrenzende Erkrankung konfrontiert sind, soll durch die im Rahmen der fünf Leitsätze der Charta beschriebenen Aufgaben und Ziele eine würdevolle und individuelle Betreuung in der letzten Lebensphase ermöglicht werden.
Im Rahmen der Jahrestagung hat man darüber hinaus als eines der Haupthemen die Rolle und die Strukturen der Palliativmedizin in der Gefäßmedizin und Gefäßchirurgie diskutiert und damit soll ihre Bedeutung und Notwendigkeit allen Gefäßmedizinern näher gebracht werden.
Auch wenn die Palliativmedizin inzwischen im deutschen Gesundheitssystem fest etabliert ist, decken die palliativmedizinischen Angebote im ambulanten Sektor und in nicht onkologischen Fachgebieten – wie der Gefäßmedizin – bei Weitem nicht den eigentlichen Bedarf.
Gefäßpatienten sind häufig multimorbide und haben eine eingeschränkte Lebenserwartung. Im Rahmen ihrer kontinuierlichen Begleitung ergibt sich deshalb oft die Frage einer Therapiezieländerung von einem kurativen hin zu einem palliativen Behandlungskonzept. Dieses ist nicht mehr auf eine Heilung, sondern auf die bestmögliche Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung der Lebensqualität des Patienten ausgerichtet. Neben der Symptomkontrolle gehören hierzu auch die Berücksichtigung psychischer und spiritueller Bedürfnisse sowie die Begleitung von Angehörigen auch über den Tod des Patienten hinaus.
„Palliativbetreuung sollte nicht nur ein Teil der Onkologie sein, sondern auch der Geriatrie, Allgemeinmedizin, Neurologie und überall in der Medizin“, forderten Cicely Saunders und Mary Baines als Pionierinnen der Hospiz- und Palliativbewegung schon 1983.
Gefäßpatienten kompetent, individuell und umfassend zu betreuen, erfordert von Gefäßmedizinern sowohl die Bereitschaft zur interdisziplinären und transsektoralen Zusammenarbeit als auch eine palliativmedizinische Expertise im stationären und im ambulanten Bereich. Diese kann unter anderem im Rahmen der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin erworben werden.
Gefäßchirurgische Eingriffe können nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung als Teil eines palliativen Behandlungskonzeptes im Sinne der Symptomkontrolle zum Einsatz kommen. So kann zum Beispiel eine Embolektomie bei akutem arteriellem Extremitätenverschluss oder eine wenig invasive interventionelle Gefäßdilatation bei konservativ nicht suffizient einzustellender Schmerzsymptomatik diskutiert werden. Operative Wunddébridements können zur Linderung des durch Geruchsbildung, Sekretion und Entstellung verursachten Leides bei Patienten mit konservativ nicht beherrschbarer Wundsituation erwogen werden.
Im Sinne einer patientenorientierten Gefäßmedizin aus einer Hand sollte dem Gefäßpatienten neben der Behandlung der Gefäßerkrankung bei Bedarf auch eine palliativmedizinische Betreuung angeboten und ermöglicht werden.
Quelle:
STATEMENT » Palliativversorgung der Gefäßpatienten «. Dr. med. Dorothea Neuwert Klinik für Gefäßchirurgie am Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg. Hybridjahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e.V. (DGG). Oktober 2021.