Donnerstag, April 25, 2024

Masern in Österreich: wie die Situation im Jahr 2020 war

Durch die Bekämpfung der Corona-Pandemie sind im Jahr 2020 Infektionen mit Masern-Virus in Österreich komplett und in Europa stark zurückgegangen.

Das Jahr 2020 war auch in Bezug auf die Masernepidemiologie ein ganz besonderes. Denn mit mit Beginn der Maßnahmen im März 2020 zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sind Masern-Virus Einschleppungen nach und Übertragungen in Österreich komplett zum Stillstand gekommen. Bis zum Beginn des harten Lockdowns in Österreich wurden im Berichtszeitraum im nationalen Masern Surveillance System (EMS) lediglich 25 Masernfälle erfasst. Und zwar laut Daten der Abteilung Surveillance und Infektionsepidemiologie der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, AGES, unter der Leitung von PD Doz. Dr. Daniela Schmid. Von diesen Fällen hat man 17 (68%) der Maserninfektionen am Zentrum als Nationales MR Referenzzentrums (NRZ) labordiagnostisch verifiziert.

 

Starker Rückgang der Masern in Österreich, in Europa aber auch weltweit im Jahr 2020

Damit ist die Zahl der Masern-Erkrankungen in Österreich wie in den anderen Ländern in Europa sowie auch weltweit im Jahr 2020 stark gesunken, was eindrucksvoll die Wirkung der gesetzten anti-Covid-Maßnahmen auf die Verhinderung selbst so hoch infektiöser Erreger wie die Masernviren demonstriert. Die Inzidenz von 17 Fällen pro 1 Million Einwohner im Jahr 2019 sank 2020 auf etwa 3 pro 1 Million Einwohner in Österreich. Eine bedenkliche Auswirkung der SARS-Coronavirus-2 Pandemie ist jedoch der generelle Rückgang der MMR-Impfraten auf Grund der Unterbrechung der Impfkampagnen im letzten Jahr. Dies macht eine Steigerung der Durchimpfungsarten 2021 dringend erforderlich, um diese und die bisher bestehenden Impflücken zu schließen und neuerliche große Masernausbrüche zu verhindern.

Die 25 Masernvirus (MV) Infektionen traten laut EMS zwischen den KW 3 – 13 2020 in den Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich und Wien (jeweils acht) auf, sowie ein Fall in der Steiermark. In 15 (88%) von 17 verifizierten Masernfällen konnte Masernvirus (MV) mittels PCR in den eingelangten Probenmaterialien nachgewiesen werden und in allen (100%) Fällen war es möglich, durch Sequenzierung den Masernvirus (MV) Genotyp (GT) zu identifizieren (und zur genauen epidemiologischen Überwachung zu nutzen).

Durch diese Feintypisierungen der Masernviren konnten, wie in den Vorjahren, nicht nur die Ursprünge der importierten Infektionen, sondern auch die weiteren Infektionsketten in Österreich nachverfolgt werden. In fünf Fällen (33,3%) konnte der im Vorjahr dominante MV Genotyp (GT) D8 Subtyp D8-4683 (MVs/D8-Gir Somnat-4683) nachgewiesen werden, der für die großen Masernausbrüche in der Ukraine, aber auch in einer Reihe von anderen Ländern verantwortlich war. Dieser D8 Subtyp war bereits 2018 von Deutschland nach Österreich eingeschleppt worden. Zudem wurde in 10 Fällen ein neuer MV Subtyp des GTs B3 detektiert, der bisher vor allem in Singapur und im Oman registriert worden war. Diese Daten stimmen mit der europa- und auch weltweiten MV Situation überein, die eine Dominanz der beiden Subtypen D8 und B3 bestätigt, während andere MV GTen (z.B. H1) nur mehr vereinzelt nachgewiesen werden. Allerdings erschwert die Tatsache, dass nur noch wenige MV GTen zirkulieren in Zukunft die Surveillance, insbesondere den Nachweis der Einschleppung von MVen sowie die Unterbrechung der endemischen Viruszirkulation. Umso wichtiger wird die Bedeutung des Virusnachweises und der molekularbiologischen Feinanalysen.

2020 konnte von allen vier gemeldeten Masernausbrüchen der verursachende MV GT identifiziert und dadurch zusammenhängende Transmissionsketten feinanalysiert werden. Laut EMS waren von den 25 gemeldeten Masernfällen 12 (48%) Personen nicht geimpft, von 7 (28%) war der Erkrankten der Impfstatus unbekannt, während je 3 Patienten (12%) einmal bzw. mindestens zweimal geimpft waren. Aus der Altersverteilung geht hervor, dass wieder vor allem ungeimpfte, junge Erwachsene von den Masern betroffen waren. Dies verdeutlicht die Wichtigkeit der Schließung der großen, seit Jahren bestehenden Immunitätslücken in dieser empfänglichen Altersgruppe. Leider waren letztes Jahr aber auch wieder MV Infektionen bei zwei Kindern unter einem Jahr bzw. im Alter von 1 bis 4 Jahren zu verzeichnen, fünf Infektionen traten in der Altersgruppe der 5 bis 9jährigen auf. In einem Fall erkrankte eine Person aus dem Gesundheitsdienst an Masern.

 

Epidemiologische Situation zu Masern in Europa 2020

Nach den Surveillance-Daten des ECDC, die auf Masern-Meldungen aus Ländern in Europa, im EWR und UK beruhen, ist die Gesamtzahl der Maserninfektionen von 13.207 im Jahr 2019 auf 2.040 (1956 Fälle + 84 UK Fälle) im letzten Jahr stark gesunken. Damit liegt die Inzidenz in den 29 EU/EWR Ländern bei 4,32 MV Infektionen pro 1 Million Einwohner, in UK bei 1,26 pro 1 Million Einwohner. Die weitaus höchsten Erkrankungszahlen wurden aus Rumänien (1.004), gefolgt von Bulgarien (257), Frankreich (240), Italien (102) und Spanien (93) gemeldet. Dies entspricht 51%, 13%, 12%, 5% und 4,7% aller in den EU/EWR Ländern registrierten Maserninfektionen. Zwei Personen sind in 2020 an den durch Impfung vermeidbaren Masern verstorben, beide in Bulgarien.

Betrachtet man nicht nur die EU, sondern in Gesamt-Europa (WHO: 52 Länder, von denen 37 Mitgliedsstaaten MV Infektionen übermittelt haben), so ist nach der Rekordzahl von 104.443 Masern-Infektionen im Vorjahr 2020 die Fallzahl auf Grund der anti-COVID- Maßnahmen um 88% auf 12.205 drastisch gesunken. 10.717 (88%) Fälle wurden aus sechs Ländern gemeldet. Usbekistan (n=4.053; 33%), Kasachstan (n=3.269; 27%), die Russische Föderation (n=1.100; 9%), Rumänien (n=976; 8%), Kirgisistan (n=708; 6%) und die Türkei (n=611; 5%).

 

Altersverteilung

Von den 12.170 Masern-Patienten mit Altersangabe waren in Europa 4.213 (35%) Kinder unter einem Jahr, 3.200 (26%) 1 bis 4 Jahre alt, 2.126 (17%) 5 bis 19 und 2.631 (22%) ≥20 Jahre alt. Allerdings variierte die Altersverteilung stark zwischen den einzelnen Ländern, so waren in Usbekistan, Kasachstan und in der Russischen Föderation vor allem die unter 5jährigen Kinder von den Masern betroffen, gefolgt von den ≥20Jährigen. Von 10.423 (85%) Fällen mit Angaben zum Impfstatus waren 8.518 (82%) nicht geimpft, davon entfielen 4.055 (48%) Masernerkrankungen auf die Altersgruppe der <1Jährigen.

Nach Angaben der WHO beträgt 2020 die Gesamtzahl der Todesfälle in Europa 10. Zu den bereits vom ECDC genannten bulgarischen Todesfällen kommen noch 5 Maserntote aus Kasachstan, 2 aus der Türkei und einer aus Kirgisistan. 8 (80%) Todesfälle traten bei Kindern unter 10 Jahren auf, davon waren 3 jünger als ein Jahr; zwei Verstorbene waren 29 und 45 Jahre alt.

Auch weltweit ist die Zahl der Masern-Infektionen im Jahr 2020 gesunken. Allerdings weist auch die WHO mit Sorge darauf hin, dass auf Grund der COVID Pandemie in vielen Ländern die MMR Impfkampagnen gestoppt bzw. stark verzögert wurden und große Impflücken entstanden sind. Am 6. Nov. 2020 haben daher die WHO gemeinsam mit der UNICEF und anderen „stakeholdern“ einen „emergency call to action for measles and polio outbreak prevention and response“ initiiert, um diese Krise zu bewältigen und auf die Wichtigkeit der hohen Durchimpfungsraten hinzuweisen. Es ist also noch immer ein weiter und steiniger Weg um dem Ziel der Elimination näher zu kommen.


logo-virusepidemiologische-informationen

Quelle: VIRUSEPIDEMIOLOGISCHE INFORMATION” NR. 07/21.

Prof. Dr. Heidemarie Holzmann und Dr. Isabel Santonja

Department für Virologie der Med. Universität Wien.

 

Related Articles

Aktuell

Kombination von Azelastin und dem Nasenspray Fluticason bei allergischer Rhinitis

Die Kombination von Azelastin und dem Corticoid-Nasenspray Fluticason kann die Symptome einer allergischen Rhinitis deutlich verringern. Allergische Rhinitis, oft gekennzeichnet durch Symptome wie Niesen, Nasenjucken,...
- Advertisement -

Latest Articles

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...

Ernährung bei Frauen in der Perimenopause

Der Einfluss des Zustands der Ernährung von Frauen in der Perimenopause ist ein wichtiger Faktor für deren Gesundheit und Lebensqualität. Der Zustand der Ernährung spielt...

Terpene und Cannabinoide in Cannabis sativa, dem Hanf

Cannabis sativa, der Hanf-Pflanze, und seine medizinische Bedeutung – ein Überblick über Terpene und Cannabinoide. Cannabis sativa, allgemein bekannt als Hanf, zählt zu den ältesten...