Freitag, April 19, 2024

Glukosestoffwechsel fördert Krebswachstum

Die Wirksamkeit immuntherapeutischer Ansätze könnte gesteigert werden, indem regulierend in den Glukosestoffwechsel eingegriffen wird.

Immunzellen sind wichtig für die körpereigene Abwehr – auch gegen die von Tumoren. So lassen sich in Tumoren Immunzellen wie T-Zellen und NK-Zellen finden, die dort allerdings nicht richtig arbeiten. Warum aber kommen Immunzellen innerhalb eines Tumors ihren Aufgaben nicht nach? Das war die Ausgangsfrage der Forschergruppe rund um Professor Dr. Marina Kreutz, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin III des UKR und Regensburger Centrum für Interventionelle Immunologie (RCI). Nach sieben Jahren intensiver Forschung konnte schließlich ein Wirkzusammenhang zwischen dem Zucker- bzw. Glukosestoffwechsel in Tumorzellen und der Aktivität von Immunzellen nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe wurden im November 2016 in der renommierten internationalen Fachzeitschrift Cell Metabolism veröffentlicht.

Tumorzellen mit geringer Milchsäureanreicherung können von Immunzellen besser unter Kontrolle gehalten werden (rechts). © Kreutz
Tumorzellen mit geringer Milchsäureanreicherung können von Immunzellen besser unter Kontrolle gehalten werden (rechts). © Kreutz

Ein gesteigerter Zuckerstoffwechsel ist charakteristisch für viele Tumoren, was beispielsweise in der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zur Diagnostik genutzt wird, um Tumoren oder Metastasen sichtbar zu machen. Die Arbeitsgruppe um Professor Kreutz hat herausgefunden, dass der verstärkte Zuckerstoffwechsel in Tumoren zu einer Anreicherung des Stoffwechselprodukts Laktat (Milchsäure) führt. Dieses blockiert die Immunabwehr, wodurch Tumoren ungebremst weiter wachsen können. Die Ergebnisse der Forscher lassen sich nun im nächsten Schritt möglicherweise direkt für die klinische Praxis nutzen. „Die Wirksamkeit immuntherapeutischer Ansätze könnte gesteigert werden, indem regulierend in den Glukosestoffwechsel eingegriffen wird. Da es hierfür allerdings nur wenige Produkte auf dem Markt gibt, wäre die Neuentwicklung alternativer Medikamente wichtig“, erläutert Professor Kreutz.

Die Forscher identifizierten in Versuchen am Modell einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Glukosestoffwechsel und fehlender Immunantwort. So wurden Versuche mit genetisch veränderten Tumorzellen durchgeführt, die nur eine geringe Milchsäureanreicherung aufwiesen. Diese konnten durch T-Zellen und NK-Zellen nachweislich besser unter immunologischer Kontrolle gehalten werden.
Parallel entdeckten die Wissenschaftler bei der Untersuchung von Gewebeproben aus Melanomen, umgangssprachlich auch als schwarzer Hautkrebs bekannt, dass insbesondere Melanom-Metastasen verstärkt Milchsäure anreichern.

Das Forschungsprojekt wurde durch die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Klinische Forschergruppe KFO 262 am UKR gestartet. Eingebunden war eine Vielzahl an Wissenschaftlern aus den Universitäten und Universitätsklinika in Erlangen, Frankfurt, Mainz, Halle, Innsbruck und Nizza. „Nur durch die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Forscher innerhalb des von der DFG geförderten Forschungsnetzwerks war die Durchführung unseres Forschungsprojektes überhaupt möglich“, so Professor Kreutz. „Ein weiterer wichtiger Partner, der uns die Arbeit ermöglicht hat, indem er uns seine labortechnische Infrastruktur zur Verfügung gestellt hat, war das Regensburger Centrum für Interventionelle Immunologie.“

 

Immunmedizin ist weltweit auf dem Vormarsch

Das Immunsystem spielt eine zentrale Rolle für unsere Gesundheit. Es ist ein sensibles Kontrollsystem, das den Gesundheitszustand von Zellen und Organen im Körper misst und auf Schädigungen reagiert. Diese Reaktionen sind entscheidend bei der Kontrolle und Bekämpfung vieler Krankheiten wie etwa Krebs, Autoimmunerkrankungen oder Transplantatabstoßungen. Therapieansätze, die das Immunsystem berücksichtigen und gezielt in seine Funktionen, Prozesse und Interaktionen eingreifen, eröffnen völlig neue Perspektiven in der Krebsmedizin, aber auch in der Transplantationsmedizin, bei Autoimmunerkrankungen und degenerativen Krankheiten. Die immunologische Forschung hat besonders in diesen Bereichen in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte gemacht. Dies gilt auch für die Entwicklung neuer Behandlungskonzepte. Neben der Tumorforschung und der Transplantationsmedizin zählt die Immuntherapie zu den drei Schwerpunkten der Fakultät für Medizin der Universität Regensburg.

Publikation:
Almut Brand, Katrin Singer, Gudrun E. Koehl, Marlene Kolitzus, Gabriele Schoenhammer, Annette Thiel, Carina Matos, Christina Bruss, Sebastian Klobuch, Katrin Peter….. Marina Kreutz.
LDHA-Associated Lactic Acid Production Blunts Tumor Immunosurveillance by T and NK Cells. Cell Metabolism 24 (November 8, 2016, 657–671). 2016 Elsevier Inc.

Related Articles

Aktuell

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...
- Advertisement -

Latest Articles

Individuelle Beratung zur Ernährung für Krebspatienten

Beratung zur Ernährung für Krebspatienten: Verbesserung der Lebensqualität durch individuelle ernährungsmedizinische Unterstützung. Eine rechtzeitige und individuell angepasste Beratung zur Ernährung kann wesentlich zur Verbesserung der...

Warum HIV trotz Kombinationstherapie höchst aktiv sind

Neue Herausforderungen in der HIV-Behandlung sind, dass aktive HI-Viren trotz Kombinationstherapie weiterhin aktiv bleiben. Die HIV-Kombinationstherapie, eingeführt in den 1990er Jahren, gilt als Meilenstein in...

Partnerschaft mit Diabetes-Patienten: auch die Partner profitieren von Einbeziehung

Den Partner in die Diabetes-Behandlung zu integrieren, verbessert die Partnerschaft und das gemeinsame Wohlbefinden. Diabetes Typ-2 stellt nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für...