Österreichische Experten von Siemens entwickeln das weltweit erste autonome Fermenter-System AFCoSy zur Kultivierung von Mikroorganismen.
Seit tausenden von Jahren macht sich der Mensch Mikroorganismen zunutze. Bakterien, Hefe oder Schimmelpilze kommen bei der Herstellung von Lebensmitteln, wie Brot, Bier oder Joghurt zum Einsatz. Auch Arzneimitteln wie Antibiotika und Insulin werden auf Basis von Mikroorganismen hergestellt. Die sogenannte Fermentation ist dabei ein wichtiger Produktionsschritt, bei dem die Zellen, die entweder das pharmakologische Produkt oder eine Vorläufersubstanz bilden, vermehrt werden.
- Schnellere und qualitativ hochwertigere Kultivierung von Mikroorganismen bei geringerem Ressourcenaufwand
- Methode unter anderem für die personalisierte Medizin bedeutsam
- Fermenter-System ist mit jedem handelsüblichen Schüttelkolben kompatibel
- Entwickelt von Siemens Österreich in Kooperation mit der Technischen Universität Wien und der Fachhochschule Wiener Neustadt, gefördert von der Wirtschaftsagentur Wien
Damit Mikroorganismen bei diesem Prozess optimal gedeihen können, dürfen pH-Wert, Glukose- und Sauerstoffkonzentration kritische Grenzwerte nicht über- oder unterschreiten. Um die Kultivierung zu überwachen, werden bisher mit einer Pipette Proben entnommen und manuell Nährlösungen zugeführt. „Beides kann jedoch zu Verunreinigungen und Ungenauigkeiten führen“, schildert Johannes Österreicher von der Siemens Forschungsabteilung Corporate Technology die bisher gängige Praxis.

Forscher aus Österreich entwickeln autonomes System zur Prozesskontrolle
Abhilfe soll das Fermenter-System AFCoSy (Autonomous Fermentation Control System) schaffen, das eine einfache und kosteneffiziente Prozesssteuerung ermöglicht. Im Vergleich zu bisher marktüblichen Produkten kommt AFCoSy ohne einen komplexen Aufbau mit vielen Schläuchen und Pumpen aus und arbeitet autonom. Vor dem Einsatz definiert der Anwender am Computer, welche Parameter zur optimalen Fermentation erfüllt sein müssen. Während des Wachstums der Zellen ist kein weiterer Eingriff nötig. Die Bedingungen, unter denen die Fermentation abläuft, sowie mögliche Veränderungen der Mikroorganismenkulturen werden vollautomatisch über einen dreiteiligen Steuerkopf geregelt. Der Steuerkopf ist mit jedem handelsüblichen Schüttelkolben kompatibel und enthält einen Sensor, der die Messwerte erfasst, eine Pumpe, die Nährflüssigkeit aus einem integrierten Vorratsbehälter in den Kolben eintropft, und eine Auswerteelektronik, die den gesamten Prozess regelt. Die Kommunikation der Messdaten erfolgt über eine Infrarotschnittstelle.
Ressourcenschonend und vielseitig einsetzbar
Der autonome Prozess spart Zeit und verbessert die Qualität des Produktes, weil Kontaminationen und Zugabefehler vermieden werden. Außerdem werden geringere Materialressourcen verbraucht, weil weniger Proben angesetzt werden müssen. „Wir haben ein spezielles Messverfahren entwickelt, das mit einem einzigen Sensor auskommt und in viertelstündlichen Intervallen pH-Wert, Sauerstoffpartialdruck und Glukosewerte bestimmt. Üblicherweise werden dafür mindestens zwei Sensoren benötigt“, sagt Johannes Österreicher von Siemens. Die optimierte Prozesssteuerung ist unter anderem für die personalisierte Medizin bedeutsam, die oft nur kleine Mengen eines bestimmten Wirkstoffes benötigt. Der Elektronikteil des neuen Fermenter-Systems kann abgetrennt werden. Dadurch können die restlichen Elemente sterilisiert und wieder verwendet werden. Das hat insbesondere für den Einsatz in der Pharmaindustrie eine wesentliche Bedeutung.