Donnerstag, April 18, 2024

Diagnose bei Brustkrebs durch kollektive Intelligenz verbessern

Die Diagnose bei Brustkrebs kann durch kollektive Intelligenz verbessert werden – schon fünf unabhängige Einschätzungen von Ärzten genügen dazu.

Die Diagnose bei Brustkrebs ist in vielen Fällen ungenau, wobei Brustkrebs die am häufigsten diagnostizierte Krebserkrankung bei Frauen ist. Breit angelegte Mammographie-Screening-Programme haben zum Ziel, die Erkrankung frühzeitig zu erkennen und damit die Behandlungschancen drastisch zu verbessern.

Doch auch wenn wie üblich zwei Ärzte die Röntgenaufnahmen beurteilen, führt das häufig zu falschen Entscheidungen: Etwa 20 % der Brustkrebs-Patientinnen, die zum Zeitpunkt des Screenings als erkrankt eingestuft werden, werden im Nachhinein als krebsfrei diagnostiziert.

Eine neue Studie zeigt nun, dass sich mithilfe kollektiver Intelligenz deutliche Verbesserungen in der Diagnose bei Brustkrebs erzielen lassen. „Bereits fünf unabhängige Einschätzungen von Ärzten genügen, um die Befundgenauigkeit bei der Brustkrebsdiagnose erheblich zu verbessern“, sagt Dr. Max Wolf vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin.

Gemeinsam mit einem interdisziplinären Team untersuchte der Verhaltensbiologe, wie sich das Brustkrebs-Screening mit Methoden der kollektiven Intelligenz verbessern lässt. „In der Regel wird ein Mammogramm von zwei Ärzten untersucht“, erklärt er. „Wir wollten herausfinden, ob ein Ansatz, der die unabhängigen Einschätzungen von mehreren, sagen wir drei, fünf oder sogar zehn Ärzten berücksichtigt, deutlich bessere Ergebnisse erzielen kann.“

Für ihre Studie nutzten die Wissenschaftler einen der international umfangreichsten Mammographie-Datensätze, in dem über einhundert Radiologen unabhängig voneinander jeweils mehr als einhundert Mammogramme beurteilten. Neben diesen über 15.000 Beurteilungen berücksichtigten sie dabei auch den tatsächlichen Gesundheitsstatus der Patientinnen.

 

In der Diagnose bei Brustkrebs falsche Befunde durch kollektive Einschätzung verhindern

Auf Grundlage dieser Daten konnten die Forscher zeigen, dass bereits fünf unabhängige Befunde zu einem Ergebnis führen, das selbst die Genauigkeit des besten Arztes deutlich übertrifft. Die einzelnen Einschätzungen der verschiedenen Ärzte werden hierfür mithilfe einfacher Schwarmintelligenz-Regeln wie der Mehrheitswahl oder der Quorumswahl integriert.

Das Ergebnis: im Vergleich zu dem jeweils besten Arzt konnten auf diese Weise sowohl die Anzahl der falsch positiven Befunde (Krebsdiagnose, obwohl kein Krebs vorliegt), als auch die Anzahl der falsch negativen Befunde (Diagnose bei Brustkrebs krebsfrei, obwohl Krebs vorliegt) gesenkt werden.

„Das Verfahren ist sehr einfach und ließe sich leicht automatisieren und in das Screening-Programm eingliedern“, sagt Max Wolf. Die medizinischen Gutachter würden dann unabhängig voneinander am Computer die digitalen Röntgenaufnahmen beurteilen. Anschließend könnte eine Software auf Basis dieser Einzeleinschätzungen den Befund ermitteln. „Unsere Ergebnisse zeigen damit, dass die Effektivität des Mammographie Screenings durch das Prinzip der kollektiven Intelligenz entscheidend verbessert werden könnte“, fasst der Wissenschaftler zusammen. Unbegrenzt viele Ärzte-Meinungen brauche es dafür nicht: Ab einer Anzahl von etwa acht unabhängigen Einschätzungen flache der zusätzliche Nutzen sogar deutlich ab. Wenn es um die Optimierung von Diagnoseverfahren in der Medizin geht, könnte das Prinzip der kollektiven Intelligenz demnach eine wertvolle Ergänzung zu rein technischen Verbesserungen sein.

Quelle: Collective intelligence meets medical decision-making: the collective outperforms the best radiologist, PLOS ONE. http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0134269

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