Montag, April 15, 2024

Coronavirus, Covid 19 und Schlaganfall: fatale Auswirkungen in der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie hat fatale Auswirkungen auf die Schlaganfall-Versorgung, wobei die Coronavirus-Erkrankung Covid 19 auch Hirninfarkte begünstigt.

Eine Corona-Infektion und die Coronavirus-Erkrankung Covid 19 erhöhen das Risiko für einen Schlaganfall. Das zeigen aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse. Besonders hoch ist das Risiko für schwer erkrankte, intensivpflichtige Patienten. Wobei all das auch für die Influenzagrippe sowie viele andere Infektionskrankheiten gilt. Laut einer Metaanalyse, in die Ergebnisse aus zwölf klinischen Studien eingeflossen sind, ist das Risiko, an einem ischämischen Schlaganfall zu erkranken, einen Monat nach akuten Infektionen um mehr als das Doppelte erhöht.

 

Medizinischer Zusammenhang zwischen einer SARS-CoV-2-Virusinfektion und Schlaganfall

Wie bei allen Infektionen ist das Risiko eines Schlaganfalls während einer Erkrankung mit dem Coronavirus erhöht und besonders bei schwer erkrankten Patienten ist ein Schlaganfall nicht selten. „Vor allem wenn Risikofaktoren wie Übergewicht, Diabetes oder Bluthochdruck vorliegen, kann auch bei jungen SARS-CoV-2-Patienten vermehrt ein Schlaganfall auftreten“, erklärt Professor Dr. med. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG).

Denn wie andere Entzündungen, so kann auch das Coronavirus das Blutgerinnungssystem aktivieren, was das Risiko für Thrombosen und Embolien erhöht. Wenn dann kleine Blutgerinnsel in das Gehirn gelangen, können sie dort die Durchblutung mindern und einen Schlaganfall auslösen.

„Zudem haben SARS-CoV-2-Kranke mit einer Behinderung aufgrund eines früheren Schlaganfalls einen schwereren Krankheitsverlauf als vorher Gesunde. Sie gehören daher – ähnlich wie Immungeschwächte – zu einer Risikogruppe, die durch SARS-CoV-2 besonders gefährdet ist“, ergänzt Professor Dr. Helmuth Steinmetz, 1. Vorsitzender der DSG.

 

Schlaganfall-Versorgung während der Corona-Pandemie

Weil Deutschland die erste Welle der Corona-Pandemie gut bewältigt hat, sind die direkten Folgen der durch SARS-CoV-2 ausgelösten Schlaganfälle hierzulande überschaubar. „Doch während der Hochphase der Pandemie im März und April 2020 gab es erhebliche Auswirkungen auf die Versorgungssituation in vielen Krankenhäusern“, erklärt Schäbitz, Neurologe am Evangelischen Klinikum Bethel.

Da Betten für die Behandlung von COVID-19-Patienten bereitgestellt wurden, kam es in circa 30 Prozent der deutschen Stroke Units zu Bettenreduktionen. Auch die Aufnahmen auf Stroke Units haben abgenommen. Beispielsweise verzeichneten 20 Prozent der Stroke Units Rückgänge von mehr als 30 Prozent. Weiter hatten mehr als die Hälfte einen Rückgang von zehn bis 30 Prozent. Schließlich hatten die übrigen Stroke Units eine Rückgang im einstelligen Prozentbereich.

 

Erhebliche kollaterale Auswirkungen auf das Gesundheitssystem

Eine aktuelle Analyse der Schlaganfälle, die über deutsche Notfallaufnahmen akquiriert worden sind, bestätigt diesen Trend. „Vor allem in der Hochphase der ersten Welle der Epidemie – also von Mitte März bis Mitte April – wurden weniger Patienten mit Verdacht auf Schlaganfall in den Notfallaufnahmen aufgenommen“, berichtet Schäbitz.

In der Hochphase der ersten Welle der Pandemie gab es demzufolge erhebliche kollaterale Auswirkungen auf das Gesundheitssystem, die auch Schlaganfallpatienten betrafen.

Gerade bei Patienten mit einem leichten oder vorübergehenden Schlaganfall, einer sogenannten TIA (transitorischen ischämischen Attacke), wurde medizinische Hilfe offenbar aus Angst vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 häufig nicht in Anspruch genommen.

„Diese Angst ist unbegründet“, betont DSG-Experte Steinmetz. „Vor allem in Kliniken ist der Umgang mit Erregern – und natürlich auch mit dem Coronavirus – äußerst professionell organisiert.“

Die DSG empfiehlt daher dringend, Anzeichen für einen Schlaganfall auch in Zeiten der Corona-Pandemie ernst zu nehmen, die 112 zu wählen und sich sofort notfallmedizinisch in einer Klinik mit Stroke Unit behandeln zu lassen.

„Jeder Zeitverlust birgt Risiken, die ungleich höher sind als die einer COVID-19-Infektion im Krankenhaus“, warnt der DSG-Vorsitzende.


Literatur:

https://www.journals.elsevier.com/thrombosis-research

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