Donnerstag, April 25, 2024

Stress in der Schwangerschaft im Fruchtwasser messbar

Wenn eine werdende Mutter langfristig zuviel Stress in der Schwangerschaft erleidet, wirken steigende Stresshormon-Konzentrationen im Fruchtwasser negativ auf das Kind.

Wenn eine Mutter über längere Zeit Stress in der Schwangerschaft zu bewältigen hat, so steigen die Konzentrationen von Stresshormonen im Fruchtwasser an, wie ein interdisziplinäres Team rund um Forschende der Universität Zürich nun nachweisen konnte. Eine kurzandauernde Belastungssituation ist allerdings nicht zwingend ungünstig auf die Entwicklung des Ungeborenen.

 

Permanenter Stress in der Schwangerschaft: ständig unter Strom

Das häufige Gefühl, ständig unter Strom zu stehen, sich immer um alles kümmern zu müssen, nicht alles unter einen Hut zu bringen, bringt für viele werdende Mütter Stress in der Schwangerschaft. Wenn sich eine Schwangere über längere Zeit stark gestresst fühlt, kann sich das Risiko für das ungeborene Kind erhöhen, im späteren Leben eine psychische oder körperliche Erkrankung zu entwickeln – etwa eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder auch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung.

Wie genau Stress in der Schwangerschaft das Baby im Mutterleib erreicht, war bis dato nicht vollends geklärt. nun haben Forschende der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Zürich und dem Max Planck Institut München herausgefunden, dass psychischer Stress der Mutter den Stoffwechsel in der Plazenta verändern und auch das Wachstum des Ungeborenen beeinflussen kann.

 

Stresshormon beeinträchtigt Wachstum des Fetus

Bei Stress schüttet der menschliche Körper Hormone aus, um mit der höheren Belastung umzugehen: so etwa das sogenannte Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH), das in der Folge das Stresshormon Cortisol ansteigen lässt. Dieser Mechanismus bleibt auch in der Schwangerschaft bestehen, und die Plazenta, die den Fetus mit Nährstoffen versorgt, kann das Stresshormon CRH ebenfalls freisetzen. Dadurch gelangt es in kleiner Menge in den fetalen Kreislauf und ins Fruchtwasser. Aus Tierstudien ist bekannt, dass dieses Hormon die Entwicklung der Ungeborenen ankurbeln kann: Es wird verstärkt ausgeschüttet, wenn die Wachstumsbedingungen im Mutterleib ungünstig sind. Dadurch sollen die Überlebenschancen angesichts einer zu frühen Geburt erhöht werden. Unter Umständen kann dies auch negative Folgen haben: «Wird das Wachstum zu sehr beschleunigt, kann dies auf Kosten einer ausdifferenzierten Reifung der Organe geschehen», so Studienleiterin und Psychologin Ulrike Ehlert.

 

Kurzzeitiger Stress in der Schwangerschaft zeigt keine Beeinträchtigungen

Wie beeinflusst nun psychischer Stress der Mutter die Ausschüttung von Stresshormonen in der Plazenta? Das Forschungsteam untersuchte 34 gesunde Schwangere, die sich im Rahmen der Pränataldiagnostik einer Fruchtwasserpunktion unterzogen. Eine solche Untersuchung stellt eine Belastungssituation für die werdenden Mütter dar, ihr Körper schüttet kurzfristig Cortisol aus. Um festzustellen, ob auch die Plazenta Stresshormone freisetzt, haben die Forschenden den Cortisol-Spiegel im mütterlichen Speichel mit dem CRH-Spiegel im Fruchtwasser verglichen – und keinen Zusammenhang festgestellt: «Offenbar bleibt das Baby bei akuter, kurzanhaltender Belastung der Mutter vor den negativen Effekten von Stress geschützt», folgert Psychologin Ulrike Ehlert.

 

Längere Belastung durch Stress in der Schwangerschaft im Fruchtwasser messbar

Ganz anders die Resultate bei anhaltendem Stress, der mittels Fragebogen zur Diagnostik von chronischem Stress eruiert wurde: «Dauert die mütterliche Belastung länger an, ist der CRH-Spiegel im Fruchtwasser erhöht», so Studienmitarbeiterin und Psychologin Pearl La Marca-Ghaemmaghami. Und diese höhere Konzentration des Stresshormons wiederum beschleunigte das Wachstum des Fetus. Damit wird der Effekt des Hormons auf das Wachstum bestätigt, wie er von Tieren bekannt ist, etwa von Kaulquappen: Droht ihr Teich auszutrocknen, so wird in Kaulquappen CRH freigesetzt, wodurch die Metamorphose vorangetrieben wird. «Das Corticotropin-Releasing-Hormon CRH spielt offenbar auch bei der Entwicklung des menschlichen Fetus eine komplexe und dynamische Rolle, die noch besser verstanden werden muss», fasst La Marca-Ghaemmaghami zusammen.

 

Psychische Ressourcen stärken mit fachlicher Hilfe

Schwangeren Frauen, die sich längeren Stresssituationen ausgesetzt sehen, raten die Psychologinnen, «sich von einer psychologischen Fachperson unterstützen zu lassen, um die Belastungen besser zu bewältigen». Nicht immer lässt sich aber Stress in der Schwangerschaft vermeiden. «Eine sichere Bindung zwischen Mutter und Kind nach der Geburt kann negative Effekte von Stress in der Schwangerschaft wieder aufheben», so La Marca-Ghaemmaghami.

Quelle: https://www.psychologie.uzh.ch

Literatur: P. La Marca-Ghaemmaghami, S.M. Dainese, G. Stalla, M. Haller, R. Zimmermann, U. Ehlert: Second-trimester amniotic fluid corticotropin-releasing hormone and urocortin in relation to maternal stress and fetal growth in human pregnancy. Stress. 21 April, 2017. DOI: 10.1080/10253890.2017.1312336


Online-Studie für neuen Fragebogen zur Stressdiagnostik: Die Universität Zürich führt derzeit eine Online-Studie durch, deren Ergebnisse zur Entwicklung eines neuartigen Stressfragebogens für Schwangere beitragen werden. Hierfür werden noch schwangere Teilnehmerinnen gesucht.

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