Mittwoch, April 24, 2024

Trotz Social Distancing in der Corona-Pandemie Krätze weiter am Vormarsch

Trotz anfänglichem Rückgang zu Beginn der Corona-Pandemie durch Social Distancing ist die Hautkrankheit Krätze weiter am Vormarsch.

Zwar schienen wegen der Corona-Pandemie Kontaktbeschränkungen und Social Distancing kurzfristig die Anzahl der Krätze-Fälle reduziert zu haben. Aktuell kann man jedoch beobachten, dass die Krätze weiter auf dem Vormarsch ist. Zu einer erfolgreichen Behandlung gehören eine umfassende Beratung der Erkrankten, wie die Therapie und die Hygienemaßnahmen richtig und vollständig durchgeführt werden, sowie das Identifizieren und Mitbehandeln enger Kontaktpersonen. Vor allem kleine Kinder könnten eine unterschätzte Infektionsquelle sein.

Wichtig ist einerseits eine gesicherte Diagnose. Andererseits muss man die Therapieadhärenz erhöhen, die betroffenen Patienten müssen sich genau an die Vorgaben der Behandlung halten. Allerdings vermutetet man auch Resistenzen der Erreger.

 

Krätze – medizinisch als Skabies bekannt

Unter dem Strich kommt die Krätze (medizinisch Skabies) seit Jahrhunderten in Deutschland vor. Sie ist eine hochansteckende Hautkrankheit, die alle Altersgruppen betrifft, wobei bei Kindern die Häufigkeit tendenziell höher ist als bei Jugendlichen und Erwachsenen und sie oft mehr Milben haben. Hervorgerufen wird die Erkrankung durch die Krätze-Milbe, die nur den Menschen befällt, in die oberste Hautschicht tunnelförmige Gänge gräbt und dort dann Eier legt. Die Gänge sind als kleine längliche Knötchen oder Erhabenheiten an den typischen Eindringorten zu erkennen.

Betroffen sind beispielsweise die Bereiche zwischen den Fingern und Zehen, Analfalte, Leiste, Knöchel, Brustwarzenhof oder Penisschaft. Als Ausdruck der Immunantwort entsteht nach circa vier Wochen ein Ekzem oder Ausschlag, der mit starkem häufig nächtlichem Juckreiz verbunden ist.

 

Es gibt mehrere Indizien, die auch während der Corona-Pandemie für eine Zunahme des Krätze in Deutschland sprechen

Es gibt keine gesicherten Zahlen darüber, wie häufig Krätzemilben in Deutschland sind, denn die Krätze ist nicht meldepflichtig. Es sei denn, die Milbe verbreitet sich in Gemeinschaftseinrichtungen aus wie beispielsweise in Altersheimen, Kindergärten oder Wohnheimen für Asylsuchende. Dann ist das zuständige Gesundheitsamt zu informieren. Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) gehört sie jedoch zu den verbreiteteren Infektionskrankheiten.

Für den Anstieg sprechen Zahlen dokumentierter Behandlungsfälle einzelner Kassenärztlicher Vereinigungen (KV Nordrhein: 200 Prozent zwischen 2014 und 2016) und steigende Zahlen und Diagnosedaten von Patienten, die vollstationär in ein Krankenhaus aufgenommen wurden. Auch die Zahl der Verordnungen von Antiskabiosa (also milbenabtötenden Medikamenten) registriert bei Krankenversicherungen (BARMER: Vergleich 2016 zu 2017: Anstieg um 60 Prozent mit großen regionalen Unterschieden), die Verkaufszahlen deutscher Apotheken ebendieser Medikamente (vierfach bei der Gruppe der Antiskabiosa 2012 bis 2017) sowie Zahlen einzelner Hautkliniken zu Skabiesanstiegen im stationären Bereich sind aufschlussreich. Schätzungen gehen von mehreren Tausend Neuerkrankten pro Jahr aus.

 

Kinder eine unterschätzte Infektionsquelle

Die Gründe für den Anstieg sind noch nicht genau bekannt. Nach Meinung von Experten spielen vermutlich verschiedene, ineinander wirkende Faktoren eine Rolle. Generell ist zu beobachten, dass sexuell übertragbaren Infektionen, zu denen Skabies gehört, zunehmen. Hierzu hat es während der Kontaktsperren einen Rückgang gegeben, der den vorübergehenden vermeintlichen Rückgang an neuen Skabiesfällen erklären mag. Auch ist es möglich, dass die komplexe Lokalbehandlung und die Hygienemaßnahmen nur unzureichend durchgeführt werden.

Ferner kann das Übersehen von Kontaktpersonen der Erkrankten mit ein Grund sein, wobei Kinder eine unterschätzte Infektionsquelle darstellen. Bei ihnen wird Skabies eher spät erkannt und nicht umfassend genug behandelt. Zudem haben sie untereinander und zu Bezugspersonen engen Körperkontakt. Obschon ein zeitlicher Zusammenhang der Inzidenzzunahme von Skabies in Deutschland mit Migrationsbewegungen von Schutzsuchenden aus dem arabischen und afrikanischen Raum existiert, ließ sich ein direkter Zusammenhang epidemiologisch nicht belegen. Möglicherweise komme auch der Arbeitsmigration innerhalb und außerhalb der Europäischen Union eine Bedeutung zu.

 

Rasch und konsequent behandeln

Auch wenn der Skabies kein medizinischer Notfall ist, so ist doch ein rasches Handeln wichtig. Gut wäre eine licht- oder auflichtmikroskopisch gesicherte Diagnose. Auch für erfahrene Dermatologinnen und Dermatologen ist die Diagnostik herausfordernd. Ziel der Therapie ist es, die Milben, ihre Larven und Eier abzutöten. Mittel erster Wahl ist Permethrin, für die Ärzte inzwischen – anders als noch in der Fachinfo oder in der Leitlinie – eine Wiederholungsbehandlung empfehlen. Die zugelassenen Arzneimittel sind meist äußerlich in Cremeform auf der gesamten Haut anzuwenden.

Es gibt Belege, dass ein ausbleibender Therapieerfolg in Wahrheit Ergebnis einer fehlerhaften Anwendung ist. Der oder dem Erkrankten müssen zu Therapiebeginn die genaue Anwendung der verordneten Creme und mögliche Fehler erklärt werden. So ist die Einwirkzeit manchmal zu kurz, Hautbereiche werden ausgespart oder die Fingernägel werden nicht wie empfohlen gekürzt. Vor allem Kinder werden häufiger unzureichend behandelt und sind aufgrund der bei ihnen auftretenden Milbendichte und der höheren Prävalenz eine unterschätzte Infektionsquelle. Bei der Aufklärung können laienverständliche Patienteninformationen helfen, wie sie bereits die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in mehreren Sprachen erstellt hat.

 

Alle wichtigen Kontaktpersonen identifizieren

Um eine erneute Infektion des Erkrankten und eine weitere Verbreitung zu vermeiden, müssen alle wichtigen Kontaktpersonen identifiziert und mitbehandelt werden. Da sich die Milben noch bis zu 36 Stunden nach Behandlungsbeginn bewegen können, sollten Körperkontakte nach Behandlung für diese Zeitspanne vermieden werden.

Die Vermutung, dass die Skabies-Milben resistent gegen Permethrin geworden sind, konnte man bislang nicht direkt belegen. Es gibt allerdings zunehmend gut dokumentierte und auch publizierte Fälle zu unzureichender Wirksamkeit von Permethrin. Eine solche nachlassende Empfindlichkeit würde Anwendungsfehler schlechter verzeihen. Denn im Gegensatz zu Resistenzen konnte man Anwendungsfehler direkt nachweisen.

Auch in der Corona-Pandemie sollten die Menschen schnell zur Hautärztin oder zum Hautarzt gehen, wenn sie Anzeichen einer Krätze bemerken. Allerdings ist Krätze noch immer ein Tabuthema. Doch falsche Scham sollte niemanden vom Gang zur Ärztin/zum Arzt abhalten.


Literatur:

Sunderkötter C, Aebischer A, Neufeld M, Löser C, Kreuter A, Bialek R, Hamm H, Feldmeier H. Increase of scabies in Germany and development of resistant mites? Evidence and consequences. J Dtsch Dermatol Ges. 2019 Jan;17(1):15-23. doi: 10.1111/ddg.13706. Epub 2018 Nov 27. PMID: 30480868.


Quelle:

Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG): www.derma.de

Related Articles

Aktuell

Kombination von Azelastin und dem Nasenspray Fluticason bei allergischer Rhinitis

Die Kombination von Azelastin und dem Corticoid-Nasenspray Fluticason kann die Symptome einer allergischen Rhinitis deutlich verringern. Allergische Rhinitis, oft gekennzeichnet durch Symptome wie Niesen, Nasenjucken,...
- Advertisement -

Latest Articles

Zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom kultivieren

Wichtig zur Klärung der Metastasierung: Forscher gelang es, zirkulierende Tumorzellen beim kleinzelligen Lungenkarzinom zu kultivieren. Die Forschung zum kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC), einer besonders aggressiven Form...

Ernährung bei Frauen in der Perimenopause

Der Einfluss des Zustands der Ernährung von Frauen in der Perimenopause ist ein wichtiger Faktor für deren Gesundheit und Lebensqualität. Der Zustand der Ernährung spielt...

Terpene und Cannabinoide in Cannabis sativa, dem Hanf

Cannabis sativa, der Hanf-Pflanze, und seine medizinische Bedeutung – ein Überblick über Terpene und Cannabinoide. Cannabis sativa, allgemein bekannt als Hanf, zählt zu den ältesten...