Donnerstag, April 18, 2024

Genetische Schwachstellen des Malaria-Parasiten Plasmodium entdeckt

Durchbruch in der Malariaforschung für die Wirk- und Impfstoffentwicklung: Wissenschaftler entdecken Schwachstellen des Malaria-Parasiten Plasmodium.

Eine internationale Forschungsgruppe um den Zellbiologen Volker Heussler von der Universität Bern hat hunderte genetische Schwachstellen des Malaria-Parasiten Plasmodium identifiziert. Diese sind in der Medikamenten- und Impfstoffentwicklung dringend erforderlich, um die Krankheit dereinst ausrotten zu können.

 

Moskitos übertragen den Malaria-Parasiten Plasmodium

Trotz grosser Anstrengungen in Medizin und Wissenschaft, sterben weltweit immer noch mehr als 400’000 Menschen an Malaria. Die Infektionskrankheit wird durch den Stich von Moskitos übertragen, die den Malaria-Parasiten Plasmodium in sich tragen. Das Genom des Parasiten – also das gesamte Erbgut – ist mit etwa 5’000 Genen relativ klein. Im Gegensatz zu menschlichen Zellen verfügen Plasmodium-Parasiten zudem von jedem Gen jeweils über nur eine einzelne Kopie. Wenn man aus dem gesamten Erbgut des Parasiten ein Gen entfernt, führt dies deshalb direkt zu einer Veränderung.

Ein internationales Konsortium unter der Leitung der Professoren Volker Heussler vom Institut für Zellbiologie (IZB) der Universität Bern und Oliver Billker vom Sanger-Institut in Grossbritannien hat sich diese Tatsache zunutze gemacht. Erstmals haben die Forschenden eine genomweite Gendeletionsstudie beim Malariaparasiten durchgeführt. Die Forschenden entfernten gezielt über 1’300 einzelne Gene, beobachteten die Auswirkungen auf den Parasiten in dessen gesamten Lebenszyklus und konnten so Schwachstellen des Erregers identifizieren. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal Cell publiziert.

 

Individuelle genetische Codes beschleunigen Forschung um Jahrzehnte

Für die Untersuchungen griffen die Forschenden auf ein Malaria-Mausmodell zurück, das am Institut für Zellbiologie der Universität Bern etabliert ist. Jedes der 1’300 Parasitengene wurde durch einen individuellen genetischen Code ersetzt, um anschliessend verfolgen zu können, wie sich das Entfernen der einzelnen Gene auf den Parasiten auswirkt. Die Verwendung individueller Codes ermöglicht es, viele Parasiten gleichzeitig zu untersuchen und damit die Jahrzehnte lange Arbeit an einzelnen Genen drastisch zu verkürzen.

Dem internationalen Konsortium gelang es nach dreijähriger Forschung, das Genom des Parasiten systematisch in allen Lebensphasen zu durchforsten. «Im gemeinsam mit dem Sanger-Institut durchgeführten Deletionsexperiment konnten wir gleichzeitig hunderte Schwachstellen identifizieren, vor allem im Stoffwechsel des Parasiten», so Rebecca Stanway, eine der führenden Wissenschaftlerinnen dieses Projekts aus der Berner Gruppe.

 

Modellberechnungen helfen, Angriffsziele zu bestimmen

Um Ordnung in die Vielzahl der identifizierten Stoffwechselgene zu bringen, haben sich die Berner Forschenden mit der Gruppe von Professor Vassily Hatzimanikatis von der EPFL in Lausanne und der Professorin Dominique Soldati-Favre von der Universität Genf zum Konsortium «MalarX» zusammengeschlossen, das vom Schweizerischen Nationalfonds finanziell unterstützt wird.

Mit den Daten des Malaria-Genom-Screens hat die Arbeitsgruppe an der EPFL Modelle berechnet. Die zeigen essenzielle Stoffwechselwege des Parasiten auf. «Dank dieser Modelle können wir Vorhersagen erstellen, welche der bisher noch nicht erforschten Gene für den Parasiten lebenswichtig sind. Und sich somit als Ziele für die Malariabekämpfung eignen.» sagt die Modell-Expertin Anush Chiappino-Pepe von der EPFL in Lausanne.

Einige dieser Vorhersagen bestätigten dann Berner Forschenden in enger Zusammenarbeit mit der Universität Leiden in den Niederlanden experimentell. «Der genomweite Screen mit den dazugehörigen Stoffwechselmodellen bedeutet einen Durchbruch in der Malariaforschung», sagt Magali Roques aus der Berner Gruppe.

«Unsere Ergebnisse können weltweit viele Malariaforscherinnen und -forscher unterstützen. Sie können sich bei ihrer Arbeit nun auf die für den Parasiten überlebensnotwendigen Gene zu konzentrieren. Und so können sie effiziente Medikamente und Impfstoffe gegen verschiedene Lebensstadien des Parasiten entwickeln.» Das erklärt Ellen Bushell, ehemalige Wissenschaftlerin am Sanger-Institut hinzu.

 

Erfolg dank Spitzen-Infrastruktur und internationaler Kooperation

Dieser Forschungsansatz ist gemäss Volker Heussler nur durch eine Kombination der enormen Sequenzier- und Klonierungskapazitäten am Sanger-Institut und der ausserordentlichen Infrastruktur am IZB in Bern möglich gewesen. Am IZB sind sämtliche Lebensphasen des Malaria-Parasiten vorhanden, was weltweit nur in wenigen anderen Instituten der Fall ist.

Zudem verfügt das IZB über eine ausserordentliche Ausstattung mit Hochleistungsmikroskopen. Die ermöglichen eine bahnbrechende Forschung an den verschiedenen Lebensstadien des Parasiten. Dank der Voraussetzungen publizierte das Labor von Volker Heussler bereits viele international anerkannte Studien zur Frühphase der Parasiteninfektion.

Insgesamt waren 22 internationale Wissenschaftler aus den Bereichen Molekularbiologie, Parasitologie, Statistik und mathematische Modellierung an der Studie beteiligt. «Das verdeutlicht den Aufwand, um ein solches Projekt erfolgreich durchzuführen, die Daten zu analysieren sowie die experimentellen Erkenntnisse in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen», so Volker Heussler.


Literatur:

Stanway et al. Genome Scale Identification of Essential Metabolic Processes for Targeting the Plasmodium Liver Stage. Cell 14th of November 2019, doi: 10.1016/j.cell.2019.10.030


Quelle: Institut für Zellbiologie, Universität Bern

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