Montag, September 30, 2024

Neuropsychologische Diagnostik bei neuro­logischen Akutpatienten

Die neuropsychologische Diagnostik ist bei neuro­logischen Akutpatienten – wie mit Schlaganfall und Epilepsie  – von großer Bedeutung.

Neurologische Akuterkrankungen – wie Zerebrale Ischämie oder Blutung, Trauma, epileptischer Anfall, Enzephalitis etc. – gehen häufig mit typischen kognitiven Defiziten einher. Vereinzelt sind kognitive Ausfälle – z.B. Störungen von Sprache, Raumverarbeitung, Gedächtnis, exekutive Leistungen, Verhaltenskontrolle – wegen eines Fehlens körperlicher Defizite sogar die wichtigsten klinisch fassbaren Ausfälle (z.B.: Wernicke-Aphasie, transiente globale Amnesie, Mutismus etc.) für neurologische Akuterkrankungen. Die neuropsychologische Diagnostik soll kognitive und affektive Funktionsstörungen nach einer Hirnfunktionsstörung oder -schädigung sowie das Verhalten der Patienten auf derartige Fehlfunktionen bestimmen helfen. Kognitive, emotionale und Verhaltens-Störungen des Gehirns sollen bezüglich ihrer Art, Ausprägung und Dauer erfasst bzw. objektiviert werden.

 

Neuropsychologische Diagnostik

Richtig erkannt haben neuropsychologische bzw. neurokognitive Veränderungen eine große Bedeutung für die Diagnose, topische Zuordnung sowie Schweregrad- und Verlaufserfassung. Neuropsychologische Untersuchungen beeinflussen auch das Therapiemonitoring akuter zerebraler Erkrankungen (Hillis 2003) und geben Hinweise zur Prognose und zu den Funktionseinbußen im Alltag (Nys 2005, Kalra 1997, Buxbaum 2004).

Störungen von Sprechantrieb, sprechmotorischen oder linguis­tischen Leistungen manifestieren sich klinisch als Mutismus, Dysarthrie, Aphasie oder Sprech­apraxie, die häufig auch kombiniert auftreten können. Mit Ausnahme der Dysarthrie werden Sprachstörungen vor allem nach Läsionen der dominanten Hemisphäre beobachtet. Einzelne Fehlleistungen (z.B. Mutismus, Paraphasien, Alexie, Sprechapraxie) lassen oft eine weitere Läsionszuordnung (frontal, temporal, parietal, striatokapsulär etc.) zu.

Eine neurolinguistische Untersuchung am Krankenbett soll Kommunikationsverhalten, Wort- und Satzverständnis, Benennungen und Wort-Bild-Zuordnungen, Nachsprechen sowie das Lesen erfassen. Relevante sprechmotorische Parameter sind Stimmkontrolle, Artikulation, Prosodie und Sprechatmung und -tempo. Charakter der Sprachstörung, Schweregrad, Kommunikations- und Kompensationsfähigkeit sind im Bedside-Verfahren meist hinreichend feststellbar.

In der Akutphase bringt eine komplette neurolinguistische Diagnostik (Aphasie-Test) für die Einschätzung der Sprachstörung, der Läsionszuordnung und für das Therapiekonzept nur wenig relevante Zusatzinformation. Außerdem ändern sich akute Sprachsyndrome oft in kurzer Zeit. Raumverarbeitung ist ein Sammelbegriff für die raumbezogene Perzeption (z.B.: Gesichtsfeld; aktive Exploration und Optomotorik) sowie für Vorgänge der Raumkognition. Das sind beispielsweise räumliche Aufmerksamkeit, Wahrnehmung des eigenen Körpers und komplexer Stimuli, Suchen, simultanes Wahrnehmen sowie räumliche Repräsentation. Zudem zählt man dazu zwei- oder dreidimensionale konstruktive Fähigkeiten wie beispielsweise Zeichnen und Basteln.

 

Häufige Defizite

Die häufigsten Defizite sind Gesichtsfeldausfälle und Störungen der Optomotorik, das Neglect- und das Balintsyndrom, sowie andere Defizite der Raumverarbeitung. Wie beispielsweise topographische Orientierungsstörung beziehungsweise konstruktive Apraxie.

Auch hierzu können Perzeptions- und Verarbeitungsstörungen allein oder kombiniert auftreten und eine diagnostische Herausforderung darstellen. Beispielsweise versus Neglect. Störungen der Raumverarbeitung werden nach Läsionen hinterer Hirnstrukturen häufiger in der rechten Hemisphäre angetroffen. Und zwar sind das Occipital-, Parietal-, Temporallappen; Versorgungsbereiche der A.cer.posterior inkl. Thalamus, parietale Mediaäste, Grenzzone. Beim Neglect aber auch Basalganglien, Frontallappen.

Wichtige neuropsychologische Untersuchungsmethoden bestehen in der Gesichtsfeld- und Optomotorik-Prüfung, Aufgaben zur Erfassung der Explorationsfähigkeit und des Extinktionsphänomens, konstruktiven Aufgaben (Papier und Bleistift) und einer Leseprüfung.


Literatur:

Buxbaum LJ, Ferraro MK, Veramonti T, Farne A, Whyte J, Ladavas E, Frassinetti F, Coslett HB. Hemispatial neglect: Subtypes, neuroanatomy, and disability. Neurology. 2004 Mar 9;62(5):749-56. doi: 10.1212/01.wnl.0000113730.73031.f4. PMID: 15007125.

Hillis AE, Wityk RJ, Barker PB, Ulatowski JA, Jacobs MA. Change in perfusion in acute nondominant hemisphere stroke may be better estimated by tests of hemispatial neglect than by the National Institutes of Health Stroke Scale. Stroke. 2003; 34(10):2392–6.

Kalra L, Perez I, Gupta S, Wittink M. The influence of visual neglect on stroke rehabilitation. Stroke. 1997; 28(7):1386–91.

Nys GM, van Zandvoort MJ, de Kort PL, van der Worp HB, Jansen BP, Algra A, de Haan EH, Kappelle LJ. The prognostic value of domain-specific cognitive abilities in acute first-ever stroke. Neurology. 2005 Mar 8; 64(5):821–7.

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