Diabetes und Pflege im Fokus: Tipps, wie Betroffene unterstützt werden können. Denn jeder Vierte im Pflegeheim leidet unter Diabetes mellitus.
Die Selbstbehandlung des Diabetes ist anspruchsvoll und macht auch vielen jüngeren Patienten Probleme. „Da fällt es älteren Menschen naturgemäß umso schwerer, den Blutzucker richtig einzustellen“, weiß Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft DDG. Jeder Vierte, der in einem Pflegeheim lebt, leidet unter Diabetes mellitus. Eine häufig einhergehende Demenzerkrankung erschwert die Betreuung zusätzlich.
Grundsätzlich ist bei älteren, pflegebedürftigen Patienten Augenmaß geboten, was die angepeilten Blutzuckerwerte betrifft. „Bei dieser Gruppe muss die Blutzuckereinstellung nicht übertrieben scharf gehandhabt werden“, erklärt Dr. med. Anke Bahrmann, Leiterin des Arbeitskreises Telematik und Telemedizin der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Geriatrie der DDG. Für gebrechliche, ältere Menschen mit Diabetes empfehlen die Experten einen HbA1c-Zielwert um 8% – Jüngere sollten einen Wert unter sieben Prozent ansteuern.
„Oberstes Therapieziel im vorgerückten Alter ist, schwere Unterzuckerungen zu vermeiden“, betont Anke Bahrmann. Denn Hypoglykämien können zu gefährlichen Stürzen führen, fördern Herzrhythmusstörungen und Demenz. Hilfreich ist ein einfaches, übersichtliches Therapieschema. „Das kann gegebenenfalls auch bedeuten, möglichst lange an bekannten und eingeübten Therapien festzuhalten, da Änderungen – selbst gut gemeinte Vereinfachungen! – bei Demenzkranken schnell zu Therapiefehlern führen können“, betont die Expertin.
Ob leckere Schokolade, kühler Orangensaft oder hausgemachter Kartoffelsalat – Besucher bringen gerne ein paar Köstlichkeiten ins Pflegeheim mit, die bei ihren Angehörigen für Freude und Appetit sorgen sollen. „Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden“, sagt Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland, Mediensprecher der DDG. „Dies aber bitte unbedingt dem Pflegepersonal mitteilen, damit die Blutzuckereinstellung angepasst und Stoffwechselentgleisungen vermieden werden können.“ Denn Ältere vergessen leicht, dass sie Süßigkeiten zu sich genommen haben. „Da kommt dann schnell ein gefährliches Übermaß an Zucker zusammen, zumal Demenzkranke die Geschmacksrichtung süß bevorzugen“, erklärt Müller-Wieland.
Darüber hinaus können Angehörige die Behandlung mit einfachen Maßnahmen unterstützen. „Gut ist, gemeinsam spazieren zu gehen, so oft wie möglich“, rät Siegel. „Jede körperliche Aktivität ist besser als keine.“ Da 80 Prozent der Heimbewohner nicht in der Lage sind, ihre Füße selbst zu kontrollieren, sollten Angehörige dies übernehmen oder das Pflegepersonal darum bitten. „Regelmäßige Fußinspektionen sind wichtig, um ein Diabetisches Fußsyndrom zu verhindern, das im schlimmsten Fall zur Amputation führen kann“, betont der DDG Präsident. Auch sollten Pflegebedürftige jedes Jahr auf Folgeerkrankungen wie Polyneuropathie, Nierenschäden und Retinopathie untersucht werden.
Etwas komplexer verhält es sich mit der Kontrolle der Diabetestherapie. Ältere Diabetespatienten, die unter geistigen Beeinträchtigungen leiden, vergessen die Insulinspitze bisweilen oder spritzen sich doppelt. Fragen die Angehörigen nach, können sie nicht immer mit zutreffenden Antworten rechnen. Demenzkranke versuchen mitunter, mentale Defizite zu kaschieren, indem sie die Situation überspielen. „Umso wichtiger ist es für Angehörige, Warnzeichen für Über- oder Unterzuckerung zu erkennen“, betont Bahrmann. Dazu zählen vor allem Zittern, Schwitzen und innere Unruhe. „Es kommt auch vor, dass Verwandte Wesensveränderungen wahrnehmen, die sie als absonderlich empfinden“, fährt die DDG Expertin fort. „Etwa wenn eine Person, die immer sehr kontrolliert wirkt, plötzlich in derbem Jargon spricht.“ Auch Sehstörungen geben Anlass zur Besorgnis. Angehörige sollten das Pflegepersonal über solche Beobachtungen umgehend informieren.